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TierversucheDarum braucht die medizinische Forschung in Köln Maus und Co

Lesezeit 5 Minuten
Eine weiße Maus sitzt auf einer Hand.

Eine Versuchsmaus. 

An der Universität zu Köln gibt es tausende Versuchstiere. Warum, erklärten Forscher.

„Es gibt Limits bei der Forschung an Organoiden“, stellte Professor Bernhard Schermer von der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II an der Universität Köln klar. Organoide, 3-D-Nachbildungen von Organen, die aus Stammzellen erstellt werden und teilweise der Einfachheit halber als „Mini-Organe“ bezeichnet werden, können seiner Ansicht nach Tierversuche derzeit noch nicht ersetzen. 

Am Beispiel der Niere verdeutlichte Schermer: „Wir brauchen ein Gefäßsystem, wir brauchen Urinfluss und Blutfluss.“ Nur so könne die volle Funktion der Niere gezeigt werden.  Solange das nicht so sei, seien die Organoide, mit denen auch die Uniklinik forscht, eben keine „Mini-Nieren“. „Wenn es ‚Mini-Nieren‘ wären, dann würden wir in der Tat nur noch sehr, sehr wenige Tierversuche brauchen, weil dann hätten wir das perfekte Modell. Das haben wir eben zurzeit leider noch nicht“, so Schermer. Am Tag des Versuchstieres, am 24. April, informierte die Uni Köln über den Stand der Tierversuche. Schermer selbst gehörte zu den über 100 deutschen Forschenden, die sich an diesem Tag mit ihren Porträts auf einem Plakat öffentlich zu Tierversuchen bekannten.

Etwa 73.000 Versuchstiere im vergangenen Jahr

Der Tenor: Tierversuche haben nach wie vor einen Sinn und Zweck für die Forschung. Fast 73.000 Tiere wurden dafür an der Uni Köln im Jahr 2024 eingesetzt. Die meisten sind Mäuse. Sie machen 80 Prozent der Versuchstiere mit etwa 59.000 Tieren aus. Gefolgt werden sie von Fischen mit knapp über 13.000 Tieren. „Man muss sagen, dass gerade die Anzahl der Mäuse wirklich so im Trend ist, wie es auch bundesweit ist“, erläuterte Veterinärmedizinerin Maureen Welberer, eine der Tierschutzbeauftragten der Uni Köln. Neben Maus und Fisch werden in Köln zusätzlich noch Ratten, Nacktmulle und Schweine eingesetzt.

Hauptzweck der Tierversuche ist die Grundlagenforschung mit 68 Prozent. Daneben werden Tiere für die Erhaltung von Tierkolonien und zu Aus- und Weiterbildungszwecken eingesetzt. Die Tierschutzbeauftragten der Uni überwachen den Tierschutz und ermitteln nach der Tierschutz-Versuchstierverordnung, wie hoch die Belastung der Tiere bei Versuchen ist. Eine einmalige Injektion fällt beispielsweise unter die Kategorie geringe Belastung. Sie macht mit etwa Zweidritteln der Fälle den Großteil der Belastungen aus. „Was hier an der Universität vorkommt, sind mehrfache Injektionen oder Applikation bei einem Tier. Das fällt in die mittlere Belastungskategorie“, erklärte Walberer. Als schwer eingestuft waren im vergangenen Jahr die Belastungen bei rund zwei Prozent der Versuchstiere. Dazu zählt beispielsweise, wenn ein Tier einen Tumor entwickelt. Rund 80 Prozent der Versuchstiere an der Uni Köln waren 2024 genetisch verändert. 

Ob ein Tierversuch zustande kommt, muss laut Gesetz genau geprüft werden. „Heutzutage ist es so, dass ein Versuch nur dann genehmigungsfähig ist, wenn er tatsächlich die Kriterien des 3-R-Prinzips erfüllt“, erläuterte Tierschutzbeauftragte Katharina Dinger. Die „3 Rs“ stehen für replace, reduce und refine. Das bedeutet: Wann immer möglich, soll statt des Tierversuchs eine Alternativmethode genutzt werden. Die Tierversuche müssen auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Die Tiere müssen bestmöglich untergebracht und ihr Leiden so gering wie möglich gehalten werden. „Die 3-Rs sind der gesetzliche Mindeststandard. Über diese Mindeststandards hinaus haben wir uns noch ein viertes gegeben. Das ist das sogenannte Responsibility. Das heißt, dass die Verantwortung, die wir gegenüber dem Versuchstier empfinden“, sagte Dinger.

Grundsätzlich versuche die Uni, Tierversuche an Wirbeltieren zu vermeiden. Es werde immer geschaut, dass man das Tier verwende, das am weitesten vorne in der Evolutionskette stehe. Heißt: Wenn ein Fadenwurm, eine Fliege oder eine Heuschrecke für ein Experiment ausreicht, wird dieses Tier genommen. Dieses Prinzip erklärt auch, warum so viele Fische eingesetzt werden. 

Den Tierschutzbeauftragten geht es darum, den Forschenden einen wertschätzenden Umgang mit den Tieren nahezubringen. „Wir bilden unsere Mitarbeiter selbstständig aus und versuchen mit Attrappen zu arbeiten“, sagte Dinger. Bei einer Ratten-Attrappe, an der Injektionen geübt werden können, setzt die Uni auf Kuscheltiere. „ Kuscheltiere haben in der Regel eine positive Konnotation“, so Dinger.

Das Bild zeigt ein Nacktmull-Weibchen.

Das Bild zeigt ein Nacktmull-Weibchen. Die Königin einer Nacktmull-Kolonie kann bis ins hohe Alter Nachwuchs bekommen.

Damit die Zahl der verwendeten Tiere auf ein Mindestmaß reduziert werde, werden die Tiere nur bedarfsgerecht gezüchtet. Embryonen werden eingefroren und nur bei Bedarf aufgetaut. „Wir versuchen, Kollaborationen zu schaffen, das heißt Arbeitsgruppen, die ein Organsystem zu untersuchen, arbeiten mit anderen Arbeitsgruppen zusammen, die ein anderes Organsystem untersuchen. Und so können wir aktiv Tierzahlen reduzieren“, erläuterte Dinger. „Und unseren Wissenschaftlerinnen hier an der Fakultät steht auch eine statistische Beratung zur Verfügung. Das heißt, wenn sie Ihre Versuche planen, wissen sie von vornherein schon wie viele Tiere benötigen sie wirklich, damit Sie dann auch Ihre Versuchsergebnisse valide reproduzieren können“

Mit Leitlinien zum Einsatz und zur Haltung von Versuchstieren, die seit 2019 auch öffentlich über die Homepage für alle zugänglich sind, möchte die Uni Köln für Transparenz sorgen. „Wir arbeiten in der biomedizinischen Grundlagenforschung. Wir wissen, dass wir leider Tierversuche nicht ersetzen können in vielen Bereichen und wissen aber auch, dass das mit Verantwortung gegenüber dem Tier einhergeht“, versicherte Dinger.


CECAD

Die meisten Versuchstiere hält an der Uni Köln das CECAD, das Altersforschungszentrum. Seine Vision ist es, den Alterungsprozess aufzudecken und altersassoziierte Krankheiten zu erforschen.

Rund 30.000 Mäuse und 150 Nacktmulle leben in der Tierstation des CECAD. Der älteste Nacktmull ist nach Auskunft des operativen Leiters Paul Friedemann Pohlig 23 Jahre alt. Die älteste Maus ist 38 Monate alt.

Rund 50 Mitarbeitenden kümmern sich um die Tiere. Wir achten auch, dass diese Tiere zufrieden sind, dass sie alles haben, was sie brauchen, sagte Pohlig. So werden Mäuse beispielsweise nicht am Schwanz gepackt, wenn ihr Gehege sauber gemacht wird und sie rausgesetzt werden, sondern laufen in eine kleine Röhre, die dann rübergehoben wird.