Unfall am EifelwallWusste die KVB von der Alkoholsucht ihres Fahrers?

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Zusammengestoßen sind die Bahnen an der Haltestelle Eifelwall. Mit rund drei Promille hatte er Angeklagte kein Gefühl mehr für den Bremsweg.

Zusammengestoßen sind die Bahnen an der Haltestelle Eifelwall. Mit rund drei Promille hatte er Angeklagte kein Gefühl mehr für den Bremsweg.

  • Im Verfahren gegen den KVB-Fahrer, der im März 2018 alkoholisiert auf eine Bahn an der Haltestelle Eifelwall auffuhr, plädiert die Verteidigung auf Schuldunfähigkeit.
  • Demnach wusste die KVB von der Alkoholsucht ihres Fahrers. Diese wiederum will davon nichts gewusst haben.
  • Die Frau des Fahrers habe am Tag des Unglücks beim Verkehrs-Betrieb angerufen und vor einem Rückfall gewarnt.

Köln – Das graue Hemd ist frisch gebügelt, die Haare akkurat geschnitten. Heinrich K. (Name geändert) rückt seine dunkle Brille zurecht und schaut offensiv in die Kameras der Medienvertreter. Munter plaudert er mit seinem Anwalt. Zwischendurch auch mal etwas Humorvolles. Beide lachen. Ist der Mittfünfziger denn gar nicht zerrüttet? Treibt es ihn denn überhaupt nicht um, dass er im März 2018 volltrunken mit einer Stadtbahn der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) an der Haltestelle Eifelwall auf eine dort wartende Bahn auffuhr? 44 Verletzte. 2,4 Promille Alkohol wurde später in seinem Blut gemessen.

Frau warnte vor einem schlimmen Rückfall

Doch seine Gemütslage kann weiterhin nur an Äußerlichkeiten abgelesen werden, denn Heinrich K. sagt nichts. Jedenfalls nicht vor Gericht. Selbst Angaben zu seiner Person verweigert er. Dafür spricht sein Anwalt. Und der gibt dem Unglück, das als erster Unfall unter Alkoholeinfluss im Stadtbahnbetrieb der KVB in die Annalen einging, eine ganz neue Wendung. Sein Mandant sei schuldunfähig. Stattdessen trage die KVB einen erheblichen Teil der Verantwortung. Die habe nämlich von seiner Alkoholsucht gewusst. Und noch mehr: Seine Frau habe am Tag des Unglücks bei dem Verkehrs-Betrieb angerufen und gewarnt, dass ihr Mann einen schlimmen Rückfall habe.

15. März 2018, 20.05 Uhr: An der Haltestelle Eifelwall auf der Luxemburger Straße knallt es gewaltig. Mit rund 30 Stundenkilometern fährt Heinrich K. auf eine dort wartende Bahn auf. Großeinsatz der Rettungskräfte. Viele Verletzungen, wenn auch keine schweren. Es muss Anzeichen gegeben haben, dass mit dem damals 55-Jährigen etwas nicht stimmt. Fahrgäste berichteten in den sozialen Medien von einem ruckartigen Fahrstil. Der Halt an den Bahnsteigen gelang wohl nicht mehr punktgenau. Später wird eine Schnapsflasche in der Fahrerkabine gefunden.

KVB will von nichts gewusst haben

Anzeichen? Davon will die KVB nichts gesehen haben. Am Tag nach dem Unglück stellen sich der damalige Vorstandsvorsitzende Jürgen Fenske und sein Betriebsleiter Thomas Miebach vor die Kameras und Mikrofone und beteuern, Heinrich K. habe seit über 25 Jahren zuverlässig für den Betrieb gearbeitet. Die Frage, ob es keine Indizien für ein Alkoholproblem gegeben habe, wird ausdrücklich verneint. Alle zweieinhalb Jahre müssten die Fahrer zur ärztlichen Untersuchung. Gebe es Anzeichen für eine Alkoholsucht, würde der Betreffende aus dem Verkehr gezogen. Ausdrücklich beteuerte die KVB-Führung damals: „Bei dem 55-Jährigen gab es keine Auffälligkeiten.“

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Es klingt so ganz anders, was der Verteidiger Heinrich K.’s berichtet. Sein Mandat sei alkoholabhängig. „Und das hat die KVB gewusst.“ Er habe zwar eine Entziehungskur gemacht. „Jedoch musste die Betriebsleitung aufgrund seiner Erkrankung stets damit rechnen, dass er rückfällig werden kann.“

Frau: „Lassen Sie den nicht fahren“

Der Rückfall kam. Die Frau Heinrichs K.’s hatte es laut des Verteidigers kommen sehen und angeblich versucht, bei der KVB telefonisch durchzudringen. „Lassen Sie den nicht fahren“, habe sie die Angestellte am anderen Ende angefleht. „Doch ihr wurde nur beteuert, dass sei schon nicht so schlimm, ihr Mann befinde sich mit der Bahn gerade in Bonn und sei nicht zu erreichen“, berichtet der Anwalt. Und dann rechnet er den nach 22 Uhr gemessenen Blutalkoholwert von 2,4 Promille auf den Wert zum Zeitpunkt des Unfalls zurück. Er kommt dabei auf 3.05 Promille.

Wegen dieser unerwarteten Wendung ist das Verfahren bis auf Weiteres ausgesetzt. Das Gericht gibt dem Antrag des Verteidigers statt, dass sein Mandant psychiatrisch begutachtet wird. „ Es wird auch neu ermittelt werden müssen“, sagt die Richterin.

Die KVB trifft das alles aus heiterem Himmel. Sie war bei dem Verfahren nicht anwaltlich vertreten, arbeitet Heinrich K. doch mittlerweile nicht mehr bei dem Betrieb. Nicht einmal einen Prozessbeobachter hatte die KVB geschickt. Für einen Kommentar zu den Vorwürfen brauchte es sechs Stunden: „Wir können uns zu dem laufenden Verfahren nicht äußern.“

Alkoholkontrollen

Direkt nach dem Unfall wurden Stimmen laut, die KVB müsse unter ihren Fahrern unangekündigte Alkoholkontrollen durchführen. Auch der damalige KVB-Chef Jürgen Fenske dachte in diese Richtung. Zumal das bei Verkehrs-Betrieben in Deutschland nicht unüblich ist, unter anderem in Berlin.

Allerdings stemmte sich der Betriebsrat gegen die Einführung. Die Mitarbeiter fühlten sich durch solche Kontrollen unter einen Generalverdacht gestellt. Man einigte sich mit der Betriebsleitung auf einen etwas ausgeweitetes Präventionsprogramm. Und setzte weiterhin vor allem auf Vertrauen beim Einhalten der Null-Promille-Grenze.

Dass es bei der KVB keine stichprobenartige Alkoholkontrollen gibt, bezeichnet der Anwalt des Unfallfahrers als „grotesk“. Auch davon leite sich eine Mitschuld des Betriebs ab.

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