Vor allem an den sozialen Brennpunkten sind Wildpinkler für die KVB zum großen Problem geworden. Nun geht sie mit einem speziellen Reinigungsmittel gegen den Gestank vor.
Problemzonen in KölnSo gehen die KVB gegen Uringestank vor

Der Aufzug von der U-Bahnstation Neumarkt zur Zeppelinstr ist außer Betrieb. urin hat die Technik zerstört
Copyright: Costa Belibasakis
Außer Betrieb steht an dem Aufzug, der von der KVB-Passage am Neumarkt hinauf zur Zeppelinstraße führt. Der Hinweis hängt schon seit Wochen dort. Doch Necati Erday kann dadurch nicht aufgehalten werden, er hat einen Spezialschlüssel. Mit ihm kann der Servicetechniker der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) im Handumdrehen die Tür zum Aufzugsschacht öffnen. Und sofort schwappt ein Schwall beißenden Uringestanks nach außen. „Die Menschen urinieren vor die Tür, und die Flüssigkeit sucht sich ihren Weg“, erklärt Erday. In diesem Fall den Weg in den Schacht und zur Technik der Kabine. Der Urin hat dem Aufzug den Garaus gemacht. Die sogenannte Absturzsicherung ist unrettbar zerfressen, von Urinstein völlig bedeckt. Eine schnelle Reparatur ist nicht mehr möglich, da sind Erday und seinen Kollegen vom KVB-Mechanikerteam die Hände gebunden. Die Technikeinheit muss ausgebaut und durch eine neue ersetzt werden. Aber gegen den Gestank haben die KVB mittlerweile etwas zur Hand. Ein neues Reinigungsmittel, das mit Bakterien den Kampf gegen den beißenden Geruch antritt.
Problem hat zugenommen
Urin ist für die KVB mittlerweile zu einem großen Problem geworden. Die Flüssigkeit läuft in die kleinsten Ritzen und Ecken, setzt sich dort fest und verbreitet ihren unangenehmen Geruch. In den Tunneln und Schächten der KVB geht ein stetiger Lufthauch, der den Gestank verbreitet. Das war zwar im Grunde schon immer so, jedoch: „Seit rund einem Jahr hat das Problem an sozialen Brennpunkten wie dem Neumarkt stark zugenommen“, sagt KVB-Sprecher Thorsten Moeck. Seit die Droge Crack auch die Kölner Drogenszene prägt, hat die Verwahrlosung der Süchtigen stark zugenommen. Hemmschwellen sinken immer mehr. Der Aufzug zur Zeppelinstraße liegt etwas abseits und ist unter diesen Umständen verstärkt zu einem Anlaufpunkt von „Wildpinklern“ geworden. Früher haben die Reinigungsteams der KVB mit konventionellen chemischen Reinigungsmitteln dagegen angearbeitet. Die sind zwar nicht wirkungslos geblieben. Nach einem Reinigungsdurchgang mit ihnen war der beißende Geruch durchaus gemindert. Doch durch die Verschärfung der Lage an vielen U-Bahnhaltestellen wie am Neumarkt oder Hauptbahnhof ist die Urinmenge so groß geworden, der Zufluss so permanent, dass die Wirkung der chemischen Reinigungsmittel nicht lang genug anhielt. Der beißende Uringeruch wurde mehr und mehr zu einem ständigen unangenehmen Begleiter in den Stationen.

Urinstein hat sich auf dem Kabinendach gebildet und die Technik wurde zerfressen.
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„Seit vergangenem Sommer setzen wir deshalb ein Mittel ein, das probiotische Bakterien enthält“, sagt Moeck. „Dieses Mittel wird inzwischen in allen Bereichen der regulären Unterhaltsreinigung eingesetzt, also bei der Reinigung von Böden, Wänden und Toilettenräumen“, erklärt er weiter. Die Säuberung der Böden erfolgt mit Reinigungsmaschinen, alle anderen Bereiche werden manuell gereinigt. Die Toilettenanlagen werden dreimal täglich gereinigt, die Reinigung der Böden und Wände in den Haltestellen und Zwischenebenen erfolgt meist in den Nachtstunden und während der Betriebspause. „Der von uns genutzte Enzymreiniger ist umweltfreundlicher als herkömmliche Reinigungsmittel, da kaum Chemikalien benötigt werden und der PH-Wert neutral ist“ so der KVB-Sprecher. Was für die KVB-Kunden vielleicht noch wichtiger ist: Er bekämpft langfristiger den Gestank als die bisherigen Reinigungsmittel im Einsatz der KVB.
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Gute Bakterien gegen böse Bakterien
Die Bakterien in dem Reiniger reagieren auf Flüssigkeit, vermehren sich dabei und verdrängen krankheitserregende sowie resistente Bakterien. Und das sind eben auch die, die den üblen Geruch verursachen. „Dieses Reinigungsmittel ist von uns mehrere Wochen lang getestet worden, das Ergebnis war absolut überzeugend und hat zu dem dauerhaften Einsatz geführt“, berichtet Moeck. Aufzüge sind bei dieser Problematik ein neuralgischer Punkt. Zum einen sind sie für viele Menschen unverzichtbares Mittel ihrer Mobilität. Rollstuhlfahrer sind auf sie genauso angewiesen, wie Familien mit Kindern im Kinderwagen. Zum anderen sind gerade die Aufzugsanlagen besonders betroffen von den Verunreinigungen. In ihnen konzentriert sich der Uringeruch so sehr, dass sie nur unter starkem Ekel genutzt werden können, oder der Urin hat die Technik so stark zerfressen, dass sie defekt sind – wie im Falle des Aufzugs Zeppelinstraße.

KVB-Techniker Necati Erday kontrolliert einen Zerstäuber, der das Reinigungsmittel in die Kabinen sprüht.
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Der technische Defekt ist kaum zu verhindern für die KVB. Selbst Edelstahl kann auf Dauer der Urinsäure nicht standhalten. Um aber dem Gestank in den Kabinen kontinuierlich rund um die Uhr entgegenzutreten, fährt der Betrieb nun einen Versuch. Auf die Aufzugskabinen in der U-Bahnstation Neumarkt haben die Techniker des Verkehrsbetriebs einen automatischen Zerstäuber installiert. Der dazugehörige Tank ist mit dem neuen Reinigungsmittel gefüllt. Wenn sich keine Menschen in dem Aufzug befinden, werden Sprühstöße ausgelöst und so die Flüssigkeit mit den probiotischen Bakterien in der Kabine verteilt. „Wir sind mit diesem Verfahren jetzt in einer Pilotphase und erhoffen uns auch eine spürbare Verbesserung für unsere Fahrgäste“, will KVB-Sprecher Moeck zu frühe Hoffnungen dämpfen. Sollte sich die Technik jedoch bewähren, würde das System über den Neumarkt hinaus ausgeweitet.
