Interview mit Wolfgang Niedecken„Wie ’ne Stein war ein Lückenbüßer“

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Mit Vorfreude blickt Wolfgang Niedecken auf die nun startende BAP-Tour. Zudem wird ab Freitag sein neustes Soloprojekt „Dylanreise“ als CD und LP in den Regalen stehen.

Köln – Ohne Bob Dylan wäre Wolfgang Niedecken wohl nie Musiker geworden. Seine Bewunderung für sein Vorbild ist ungebrochen – und schlägt sich nun in einer neuen CD/LP nieder. Darüber sprach Ingo Schmitz mit dem BAP-Gründer

Wie kam es zu dem neuen Album?

Am Anfang gab es den Auftrag von Arte, einen Fünfteiler zu machen über eine Reise durch die Staaten auf den Spuren von Bob Dylan, das war 2017. Als nächstes kam die Anfrage vom Verlag Kiepenheuer & Witsch, dass ich für die Reihe KiWi-Musik-Bibliothek über Bob Dylan schreiben sollte. Das sind ja wirklich schöne, von Herzen geschriebene Bücher über den Künstler, der einen am meisten beeinflusst hat.

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Damals habe ich gesagt: Das mache ich gerne, aber ich weiß einfach nicht wann. Und dann kam Corona. Da wurde mir schlagartig bewusst, jetzt hätte ich eigentlich Zeit, das Buch zu schreiben. Es hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Vor allem weil ich einen roten Faden dafür hatte, das war natürlich die Reise.

Buch als Anstoß für Niedeckens Konzert mit der Elbphilharmonie

Ist es ein großer Unterschied, statt eines Songtextes ein Buch zu schreiben?

Nein, das hat einiges miteinander zu tun. Es hilft sehr, wenn du die Erfahrung als „Geschichtenerzähler“ mitbringst. Das Buch führte dann ja auch zum nächsten Schritt: Die Elbphilharmonie rief an, ob ich nicht zum 80. Geburtstag von Dylan einen Abend gestalten könnte. Fand ich eine super Idee, aber ich dachte mir, das kann schnell langweilig für die Leute werden, wenn ich da den ganzen Abend alleine auf der Bühne stehe, aus meinen Buch vorlese und etwas dazu spiele.

Darum habe ich Mike Herting angerufen, ob er nicht Lust hat mitzumachen. Mike war sofort Feuer und Flamme. Und der Abend in Hamburg hat uns so viel Spaß gemacht, dass da im vergangenen Sommer eine ganze Tournee draus wurde, mit 45 Gigs.

Da war der Sprung zur CD und LP nicht mehr weit.

Klar, gegen Ende der Tour häuften sich bei uns die Anfragen, ob es das nicht auch auf Tonträger gibt. Aber wir hatten nichts aufgezeichnet. Dafür hatten wir doch gar kein Equipment dabei. Wir sind doch mit zwei Kombis durchs Land gereist.

Wie in alten Zeiten?

Genau so. Der Schnalli, also unser Tontechniker, ist mit Mike in einem Wagen gefahren. In dem anderen Auto Tina, der Hund und ich. Hinten die Gitarre drin, das Keyboard, den Klapptisch und mein Barhocker. Das war alles. Eine unfassbare Tour. So schön improvisiert. Aber eben auch ohne Aufnahmegeräte. Also sind Mike und ich für die Aufnahmen nochmals ins Studio gegangen.

„Like a Rolling Stone“-Übersetzung ist in New York entstanden

Natürlich fehlt auf dem Album nicht „Wie ’ne Stein“ (Like a rolling Stone). Das Lied, das deine Leidenschaft für Dylan entzündet hat und das ja auch schon für die BAP-LP „Vun drinne noh drusse“ eingespielt wurde. Allerdings singst du es nun halb auf Englisch, halb auf Deutsch. Warum?

Das Lied hatte ich 1980 nach einem nostalgischen Tag in New York City übersetzt. Wir waren durch Greenwich Village gestreunt, standen vor dem Lokal, in dem Bob Dylan das erste mal in New York aufgetreten ist – da war ich abends so beseelt, dass ich im Hotel zum ersten Mal diesen Text übersetzt habe.

Als ich wieder in Köln war, hatten wird den Song zwar mit der Band eingeprobt, er ist aber dennoch über zwei Jahre liegen geblieben, hatte es lange nicht auf unsere Alben geschafft. Erst bei „Vun drinne noh drusse“ kam er zum Einsatz. Mehr oder weniger als Lückenbüßer.

Wieso das?

Wir haben damals jedes Jahr ohne Ende getourt und jedes Jahr ein Album rausgebracht. Und bei den Aufnahmen „Vun drinne noh drusse“ wurde es dann eng. Da kam spontan die Idee auf: Wir haben da doch noch diese Dylan-Nummer rumliegen.

Damals hatte ich mich ein wenig geärgert, denn wenn ich gewusst hätte, dass der Song da drauf kommt, hätte ich den Text nochmals ein bisschen bearbeitet. Aber so war er hauschnau in der Welt. Jetzt habe ich die erste Strophe auf Englisch gesungen und dann die beiden Strophen von meinem Text genommen, die noch am passabelsten sind.

Niedecken: „Wenn ich heute Dylan-Stücke übersetze, gehe ich richtig ins Detail“

Dylans Texte sind poetisch und vielschichtig. Ist es nicht grundsätzlich schwer, sie zu übersetzen?

Mir macht das einen Riesenspaß. Je länger ich das mache, desto werkgetreuer werde ich. Gerade bei „Like a rolling Stone“ war ich das damals nicht besonders. Da habe ich Zeug reingeschrieben… (lacht). Wenn ich heute Dylan-Stücke übersetze, dann gehe ich richtig ins Detail und versuche so nah dran zu bleiben, wie es nur irgend geht. Ich lasse mir viel Zeit dafür.

Ein Stück auf der CD ist schon sehr außergewöhnlich. Das kennen wahrscheinlich nur eingefleischte Dylan-Fans: Christmas Blues. Wie fand das ins Programm?

Gegen Ende der Dylan-Tour ging es auf Weihnachten zu, als auf einmal die Kölner Uni-Klinik anrief, wo ich ja wegen meines Schlaganfalls behandelt wurde. Ob ich nicht etwas zu ihrem virtuellen Weihnachtskalender beisteuern könnte, wurde ich gefragt.

Da habe ich überlegt, was haben wir denn Weihnachtliches und mir kam das Dylan-Album „Christmas from the Heart“ in den Sinn, was ich sehr lustig finde. Christmas Blues ist mein Lieblingsstück von dem Ding. Das Lied habe ich auch bei „Sing my Song“ in der Weihnachtssendung gesungen. Das hatte ich noch irgendwie drauf.

Wolfgang Niedecken: neues Album und Konzert

19 Songs befinden sich auf der neuen Scheibe „Dylanreise“ von Wolfgang Niedecken, die ab heute im Handel liegt. Wer das Programm noch live erleben möchte, muss im Oktober nach Süddeutschland reisen. Dort finden dann noch Nachholkonzerte statt.

71 Jahre wird Niedecken am Mittwoch, 30. März. Für das Geburtstagskonzert in der Lanxess-Arena gibt es noch vereinzelt Karten. www.bap.de

Schnell den Mike gefragt: Kriegen wir das hin? Beim Soundcheck in Karlsruhe haben wir das mal eben eingeprobt und abends auch direkt gespielt. So was kannst du mit Mike alles machen. Und weil es damals schon auf Weihnachten zuging, haben wir das fortan immer in die Zugaben eingebunden.

Mit der jetzt erscheinenden CD und LP ist ein weiteres Kapitel deiner ganz persönlichen Dylanreise abgeschlossen. Jetzt steht wieder BAP auf dem Programm. Ihr habt eine ganze Reihe von Konzerten nachzuholen. Vor allem dein Geburtstagskonzert zum 70. am 30. März – aus dem jetzt 70. plus eins geworden ist.

Vor zwei Wochen haben die Proben angefangen für die „Schließlich unendlich Tour“. Die ersten vier Konzerte finden noch vor meinen Geburtstag statt. Im Sommer geht es dann weiter. Und ich hoffe, dass es im Herbst auch weiter gehen kann – aber dafür müssen sich die Leute impfen lassen.

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