Die Netflix-Serie „Boots“ beschäftigt sich mit versteckter Homosexualität in der US-amerikanischen Armee.
Homosexualität bei den US-MarinesNetflix-Serie „Boots“ beleuchtet den Alltag und versteckte Sexualität

Max Parker als Sgt. Sullivan (l.) und Miles Heizer als Cameron Cope.
Copyright: Alfonso "Pompo" Bresciani/Netflix © 2023
An Schimpfworten mangelt es den drei Drill-Sergeants nicht. „Verlierer“, „Wichser“, „Made“, „Polacke“, „Prinzessin“, „Ladys“ schreien sie die Nachwuchs-Marines an, selbstredend in ohrenbetäubender Lautstärke. Fertig machen, erniedrigen, den Willen brechen - das Boot-Camp könnte auch als flotte SM-Orgie durchgehen, ohne Sex natürlich.
Basierend auf dem Buch „The Pink Marine“ von Greg Cope White erzählt die erfolgreiche neue Netflix-Serie „Boots“ von einem jungen Mann, der in den 1990er Jahren den Marines beitreten will. Obwohl er schwul ist.
„Don't ask, don't tell“
Jahrzehntelang durften Homosexuelle nicht der U. S. Army Dienst leisten oder wurden, wenn sie es taten, verfolgt. Unter Bill Clinton gab es die erste Gesetzesänderung, bekannt als „Don’t ask, don’t tell“: Man durfte es sein, aber nicht zeigen. Erst mit Obama wurden alle Restriktionen aufgehoben.
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Erste Rolle rückwärts Mit der Trump-Administration kam die erste Rolle rückwärts, Transpersonen betreffend, die nur noch unter ganz bestimmten Bedingungen Mitglied der US-Armee sein dürfen. Der generelle Umgang der aktuellen Regierung mit queeren Menschen und Themen lässt vermuten, dass auch beim Militär die entsprechenden Schrauben wieder angezogen werden.
„Woker Müll“?
US-Kriegsminister Pete Hegseth hat zumindest die Serie „Boots“ schon mal in der Schublade „woker Müll“ verortet. Was allerdings zeigt, dass er die erste Staffel nicht bis zum Ende geschaut hat. Denn die Botschaft, die hier verkauft wird, ist doch sehr konservativ, ja erschreckend rückwärtsgewandt.
Cameron (Miles Heizer) will von zu Hause weg, Mutter und Bruder nerven, die Gefühle für Jungs verwirren, und der beste Kumpel ist auf dem Abflug in Richtung Marines. Also lässt sich Cameron kurzerhand auch anwerben und landet im Ausbildungslager Parris Island umgeben von lauter testosteron-gelenkten Kerlen.
Durch den Matsch robben
Die Ausbildung ist hart, die Ausbilder sind härter. Es wird viel geduscht, durch den Matsch gerobbt und wieder geduscht. Cameron, eigentlich eher eine halbe Portion, kämpft sich durch, schwankt zwischen Stolz und Reue darüber, sich dieser Qual auszusetzen. Und stellt fest, dass er nicht der einzige ist, für den hier Männer nicht nur Waffenbrüder, sondern auch Objekte der Begierde sind.
In der Parallelhandlung freundet sich seine schlitzohrige Mutter (Vera Farmiga) mit anderen Marines-Müttern an und macht sich auch in diesem Kreis keine Freundinnen.
Schräge Musik
Das alles ist mal spannend, mal dramatisch, mal komisch (den Einsatz von ABBAs „Fernando“ muss man erstmal verdauen ...). Und es gibt genug interessante Figuren, denen man auch durch die Redundanzen, die eine achtteilige Serie mit sich bringt, durchaus bereit ist zu folgen.
Interessanter Kniff: Als seine eigene innere Stimme darf Cameron sich neben sein reales Selbst stellen (wie weiland die Frau aus der Lenor-Werbung) und unbequeme Fragen stellen. Die beschäftigen sich in erster Linie damit, ob die Marines der richtige Ort für einen Jungen mit seiner sexuellen Orientierung sind. Denn Cameron erlebt hautnah, welche Auswüchse die Hatz auf schwule Männer im Marinescorps haben können.
Zweite Staffel garantiert
Und so wären wir wieder bei Pete Hegseth und seinem „woken Müll“: Denn letztlich ist „Boots“ ein extrem in die Länge gezogener Werbeclip für das Dienen in der Truppe. Hier kann man wunderbar seine Ängste überwinden, vorhandene Traumata hinter sich lassen oder doch zumindest grob übertünchen. Oder auch abnehmen.
Und dabei ist es völlig okay, sein Schwulsein zu verstecken - findet zumindest Cameron am Ende der Staffel, auf die aber aufgrund des bisherigen Erfolges sicher eine zweite folgen könnte. Und in der der Protagonist doch vielleicht noch aufwacht?
