Als legendärer Rock-Rebell begeistert Iggy Pop selbst im Alter mit unverändertem Charisma und klassischem Stooges-Sound.
Konzert im Tanzbrunnen KölnMit 78 Jahren feiert Iggy Pop seine Rock-Vergangenheit

Iggy Pop tritt auch mit 78 noch oben ohne auf.
Copyright: Thomas Brill
„1970“ von den Stooges ist eines dieser Wahnsinnsstücke, treibende Gitarre, hoffnungslos übersteuert, hingehämmerter Rhythmus, es geht um die Samstagnacht, um laute Musik und Mädchen. Der Refrain besteht nur aus „I feel alright, I feel alright“, und so aggressiv, wie Iggy die drei Wörter herausbellt, spürt der Hörer gleich, dass da etwas nicht stimmt.
Dass das nicht gesund und legal sein kann, wie er seine Samstagnächte verbringt. Gewalt und Exzess, Anarchie auch in der Musik, die am besten mörderisch laut gehört wird und Rock auf das Allernötigste reduziert: Die Stooges waren all das, Urahnen des Punk. Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, in einer Zeit, als Rock noch Kontroversen auslöste, wurden sie vom Mainstream nicht mal mit der Zange angefasst.
Energiegeladenes Humpeln
Und mit Iggy Pop hatten sie einen aufregenden, unberechenbaren Frontmann, einen, der mit dem frühen Mick Jagger oder mit Jim Morrison in einer Liga spielte. Genauso stürmt er heute auch auf die Bühne des Tanzbrunnens, reißt sich gleich bei den ersten Akkorden von „TV Eye“ die schwarze Weste vom Leib und steht mit freiem Oberkörper am Mikro wie eigentlich immer in den vergangenen 60 Jahren, wetzt von einer Seite zur anderen, posiert vor den begeisterten Zuschauern.
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Nur, dass der 78-jährige Oberkörper nicht mehr glatt und muskulös ist, sondern runzlig und eingefallen, und aufgrund von Hüftproblemen kann Iggy auch nicht mehr rennen, er humpelt schon seit Jahrzehnten. Aber hochenergetisch.
Ein Rock-Rebell, der überlebte
Es ist das Schicksal aller überlebenden Rock-Rebellen, dass sie irgendwann auf Großkonzerten abgefeiert werden, die mitunter den Charakter von Mehrgenerationen-Partys annehmen. Wenn alle zusammen andächtig den Text von „I wanna be your Dog“ mitsingen und genau wissen, wann das nachdrückliche „Come on!“ eingeschoben wird, oder auch die recht eindeutigen Zeilen von „Fun Time“ auswendig kennen, kann das durchaus berührend sein. Aber, hey, das waren mal „gefährliche“ Songs.
Iggy selbst scheint seine guten Vorsätze von vorgestern vergessen zu haben, die Jazz-, Ambient- und Spoken Word-Experimente von „Free“ aus dem Jahre 2019 sind passé. Das jüngste Werk, „Every Loser“, knüpft an den Sound der Stooges an, und auch das Konzert setzt bis auf drei Ausnahmen auf Stücke, die bis 1980 entstanden sind und Iggy Pop einen Platz in der Musikgeschichte sichern.
Jede Menge roher Energie
„Raw Power“, rohe Energie, ist angesagt, es sind Stücke der Selbstermächtigung mit klaren Ansagen wie „Don‘t you try, don’t you try to tell me what to do“, oder „The Passenger“ mit euphorischen Zeilen über eine nächtliche Fahrt durch die City: „All of it was made for you and me, 'Cause it just belongs to you and me.“ Erzählt mir nicht, was ich zu tun habe, Leute, das weiß ich selbst, und ohnehin ist das alles da draußen nur für dich und mich gemacht.
Die sechsköpfige Band macht ihre Sache ordentlich, sogar zwei Bläser sind dabei, die nur hin und wieder dumm auffallen, wenn sie, wie im Intro zu „Lust for Life“, in Bierzelt-Gefilde abdriften. Und natürlich kriegt kein Gitarrist der Welt die Monster-Breaks von „Search and Destroy“ so hin wie James Williamson im Original, einem der zehn besten Rock-Stücke überhaupt.
Der Star wirkt clean und souverän
Aber auch die düsteren Seiten des Exzesses kommen zum Zuge, in „Death Trip“ zum Beispiel, das aber längst nicht so krank und morbide, mehr-tot-als-lebendig rüberkommt wie auf der Studioaufnahme und in dieser Form eher überflüssig ist. Produzent und Iggy-Fan David Bowie hatte den Sänger seinerzeit dafür angeblich direkt aus der Entzugsklinik vors Mikrophon geschleppt, aber das ist wahrscheinlich auch nur so eine Legende.
Nein, kein Grund zur Sorge, Iggy wirkt clean und souverän, ist gut bei Stimme, hat sein Publikum im Griff. Einige Raritäten sind auch dabei, „1970“ zum Beispiel, selten live gespielt, oder „I got a Right“ und „I‘m sick of You“. Schon toll. „Real Wild Child“, das Cover aus den 80er Jahren, oder die beiden neuen Stücke „Frenzy“ und „Modern Day Rip Off“ fallen dagegen ab. Aufregende neue Rock-Musik gibt es eben nicht mehr, nicht mal von Iggy. Laut und brachial trauen sich heute alle, aber wen interessiert das noch wirklich?
So muss man sich eingestehen, dass man im Wesentlichen einen Nostalgie-Abend miterlebt, und vielleicht war das ganze Konzept ja auch nur die Idee eines cleveren Managers? Iggy hat die Kohle aber verdient, und Spaß hat es auch gemacht.