Xavier Naidoo beeindruckt mit starker Bühnenperformance, doch klare Distanzierung von früheren Thesen bleibt in Köln aus.
Musikalische RückkehrXavier Naidoo füllt die Lanxess Arena trotz vergangener Kontroversen

Xavier Naidoo in der Kölner Lanxess-Arena.
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Es ist, als wäre nie etwas gewesen. Als hätte Xavier Naidoo nie etwas gesagt, nie den Holocaust relativiert, nie gegen Juden gehetzt, nie Verschwörungstheorien verbreitet. Als wäre seit seiner Entschuldigung vor drei Jahren alles vergeben und vergessen.
Seinen Fans scheint dies zu reichen: Gleich zwei ausverkaufte Konzerte in der Lanxess Arena sprechen eine deutliche Sprache. Endlich darf man sich wieder öffentlich zu Naidoo bekennen und sich von ihm segnen lassen, von ihm, dem Prediger des Soul. Und wenn man all die Skandale und Kontroversen und Schwurbeleien der letzten 27 Jahre ausblendet (oder sie verzeiht), erscheint der erste Kölner Auftritt des 54-Jährigen wirklich wie eine Messe für Frieden und Glückseligkeit. Und aus musikalischer Sicht über jeden Vorwurf erhaben.
Schon mit den ersten Tönen vom Opener „Bei meiner Seele“ stellt Xavier Naidoo klar, dass er weiterhin eine der herausragendsten Soul-Stimmen Deutschlands besitzt und in den sechs Jahren seit seinem letzten Konzert nichts verlernt hat. Wohltönend, kraftvoll, geschmeidig schallt sie durch den Saal, getragen von den Klängen seiner unglaublich präzisen und mitunter erfreulich rockigen Band und ausgeklügelter Technik im Hintergrund, die Naidoo stets ins rechte Licht setzt.
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Der zeigt sich begeistert von dem Abend und von den Fans, die ihm so sehr gefehlt hätten, ohne dass er sich dessen bewusst gewesen sei. „Ich habe gar nicht gewusst, was ich vermisse“, sagt er. Nun ja, Einsicht ist der erste Weg zur Besserung.
Du musst aus deinen Fehlern lernen.
Für Xavier Naidoo sind die beiden Konzerte in Köln in mehr als einer Hinsicht wichtig. Ihm ist klar, dass er sich keine Fehler erlauben kann, wenn er tatsächlich wieder in die Mitte der Gesellschaft zurückkehren will. „Du musst aus deinen Fehlern lernen“, sagt er irgendwann und stimmt „Mut zur Veränderung“ an: „I have a dream, will diesen Traum leben // Ich reich dir meine Hand // Und mach den Anfang // Veränder mich wie Malcolm X // Komm und reich mir deine Hand für den Anfang // Ich brauche dich für goldene Tracks.“ Unproblematische Zeilen.
„Diese Lieder wollen alle wieder raus“, betont Naidoo. Andere hält er dagegen ganz bewusst zurück, so wie etwa das vor antisemitischen und verfassungsfeindlichen Begriffen zur so sprudelnde „Raus aus dem Reichstag“ oder „Goldwagen/Goldwaagen“ mit seiner Querdenker-Philosophie. Derartiges hat er zwischenzeitlich viel geschrieben, andere im Grunde harmlose Songs wie „Was wir alleine nicht schaffen“ – die Nummer steht in der Lanxess Arena auf der Setliste – auch mal auf Reichsbürger-Veranstaltungen gespielt.
Geht seine Strategie auf?
Aber all das soll jetzt keine Rolle mehr spielen. Was zählt, ist der wiedergeborene Xavier Naidoo, der geläuterte Prediger, der jetzt alles richtig machen will. Und sein Möglichstes tut, damit man ihm das abkauft.
Man muss Naidoo eines zugestehen: Seine Strategie könnte durchaus aufgehen. Seine Musik berührt, ebenso wie die Energie und Leidenschaft, die er auf der Bühne an den Tag legt. Er will, so scheint es, seinem Publikum einfach nur einen schönen Abend bereiten, und das gelingt ihm zweifelsfrei.
Viele bekannte Hits im Programm
Spätestens bei „20.000 Meilen“ stehen alle, sind ihm und seiner Stimme endgültig verfallen. Und dann kommen die Balladen. Dann kommt „Sie sieht mich einfach nicht.“ Traumhaft. Wer so ein Lied schreibt und so gefühlvoll darbietet, kann doch nur ein Guter sein. Vor allem wenn „Der Fels“ folgt, dann der „Söhne Mannheims“-Hit „Und wenn ein Lied“ sowie „Dieser Weg“. Da wird das Konzert zur Kommunion im ursprünglichen Sinne, die alle Anwesenden in die Gemeinschaft der Gläubigen einführt.
Kein Wunder, dass Xavier Naidoo noch einige seiner salbungsvollen Gottes-Lieder hinterherschickt. Muss man nicht mögen, tun aber auch nicht weh. Und sind einmal mehr perfekt inszeniert. Immerhin das.
Begeisterte Fans
Für viele Fans ist es einfach, angesichts eines solchen Auftritts Xavier Naidoo zu vergeben und seine Musik weiter wertzuschätzen. Wenn Wagner-Liebhaber das können, warum nicht auch sie? Das Konzert spricht schließlich für sich.
Allerdings: Ein Zeichen der Reue oder eine klare Positionierung gegen die von Naidoo einst vertretenen Thesen sind in Köln nicht in Sicht. Mit dem Entschuldigungsvideo von 2022 sei schließlich alles gesagt, sagen seine Unterstützer. Zumindest den jubelnden, tobenden Fans genügt das. Für sie ist der Auftritt in Köln ein Genuss – eine bessere Wiedergutmachung kann es in ihren Augen nicht geben.

