Napoleons Spuren noch heute im Eifeler Platt

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EIFELLAND. Ob das ZDF mit seinem vierteiligen Fernsehfilm „Napoleon“, dessen letzter Akt gestern Abend ausgestrahlt wurde, den Nerv der Zuschauer getroffen hat, mag dahingestellt sein. Zweifelsohne bot das Historiendrama nicht nur Geschichtskundlern Eindrücke aus einer Ära, die auch für die Eifel große Bedeutung hatte, gehörte diese doch 20 Jahre zu Frankreich (von 1794 bis 1814).

Mit dem Einzug der Franzosen 1794 brach das morsche mittelalterliche System der vielen weltlichen und geistlichen Eifeler Herrschaften, die Jahrhunderte lang das Bild und das Schicksal dieses Landstrichs bestimmt hatten, wie ein Kartenhaus zusammen. Viele Herrschaften flohen, darunter auch die Reichsgräfin von Blankenheim und die Grafen zu Salm-Reifferscheid.

Das anrückende napoleonische Heer versetzte die Eifeler Landbevölkerung in Angst und Schrecken. „Wo die Franzosen kommen, verderben sie alles...“, so Walter Hanf in seinem Bericht im Heimatjahrbuch 1986.

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Nach dem Grundsatz der Gleichheit (französisch: Égalité) stand den verbliebenen Adeligen nicht mehr das alleinige Jagd- und Fischereirecht zu; daneben verloren sie ihre Steuerfreiheit. Für alle Bürger galten nunmehr die gleichen Rechte. Die Lasten wie Frondienste und Zehntabgaben gehörten der Vergangenheit an. Es begann eine Epoche des Bürgertums mit Gewerbefreiheit und individueller Berufswahl.

Neben diesen neuen Freiheiten von bedrückenden Lasten usw. führten die Franzosen jedoch umwälzende Neuerungen ein, die von den Bürgern alles andere als begrüßt wurden: Die französische Sprache geriet per Verfügung zur allgemeinen Amtssprache. Es erfolgten die Abschaffung der christlichen Zeitrechnung und die Einführung des republikanischen Kalenders, der jeden Monat in drei Dekaden einteilte. Nach diesem Kalender fiel der Sonntag weg; nur jeder zehnte Tag galt als Ruhetag.

Nach der Annexion des linken Rheinlands erhielt auch hier das französische Zivilstandsrecht Gültigkeit. Während bis dahin die Pfarrämter persönliche Daten der Bürger niederschrieben, wurden nun Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden in neu eingerichteten Ämtern, den Vorläufern unserer heutigen Standesämter, von Urkundspersonen ausgestellt. Dazu heißt es in der Chronik von Dollendorf: „Diese Personen hatten darüber zu wachen, dass ein neugebornes Kind ein bis zwei Stunden nach der Geburt dem beurkundenden Beamten vorgezeigt werden musste. Diesem oblag es auch, sich vom Geschlecht des Kindes zu überzeugen, um spätere militärdienstpflichtige Knaben bzw. Männer schon früh zu erfassen.“

Die französische Verfassung erklärte die Eheschließung zu einem rein bürgerlichen Vorgang. Das bisherige Gesetz- und Gerichtswesen setzten die Franzosen außer Kraft, der „Code Napoleon“ (oder „Code civil“) erhielt 1804 Gültigkeit, ein bürgerliches Recht, jedoch ohne Bürgerrechte, wie sich bald herausstellte. Zudem führten sie ein einheitliches Maß- und Münzsystem ein, das das Münzrecht früherer Herrschaften endgültig beendete, jedoch erstmals eine topographische Landesaufnahme mit sich brachte.

Zwischen 1795 und 1798 gliederte Frankreich das gesamte Eifelland in ihre Republik ein; damit galt für alle Bewohner das französische Recht, das sich als stark kirchenfeindlich offenbarte. Man zwang die Geistlichen zu einem gegen die christliche Lehre gerichteten Eid: „Ich schwöre Hass dem Königtum und der Monarchie.“ Die meisten Priester verweigerten jedoch diesen Eid. Kerkerhaft oder Verbannung waren die Folgen.

Manche Priester, z. B. in Dörfern der früheren Herrschaft Kronenburg und Schleiden, verbargen sich. Den Gottesdienst hielten sie nachts in Privathäusern. Die Unzufriedenheit mit der französischen Besetzung steigerte sich, als ab 1798 die 20- bis 25-jährigen Männer zum Heeresdienst unter Napoleon Bonaparte, der zunehmend Gefallen an der Macht fand, eingezogen wurden.

1798 führte Frankreich eine neue Verwaltungsordnung ein und teilte die Eifel in fünf Verwaltungsgebiete (Departements) ein. Schleiden, Kronenburg und auch Malmedy zählten nun zum Ourthe-Departement mit dem Sitz in Lüttich. Diese Departements gliederten sich wiederum in Arrondissements (Unterbezirke), Kantone (Kreise) und Mairien (Bürgermeistereien). An der Spitze eines Departements stand ein Präfekt; Bürgermeistereien wurden von einem Mairie verwaltet.

Zu zweifelhaften Ehren von Napoleons Gnaden kam dabei der erste und einzige Mairie der Bürgermeisterei Lommersdorf. Er, ein ehrbares Schneiderlein, so erzählt die Lommersdorfer Schulchronik, sei sich seiner Würde und Stellung wohl mehr als bewusst gewesen. „Der Kaiser (Napoleon), der Präfekt und ich, wir regieren die ganze Welt“, soll er selbstherrlich verkündet haben.

Etwa 1800 schloss Napoleon eine Vereinbarung mit der Kirche. Die Geistlichen blieben nunmehr verschont. Mehr noch. Ab Januar erhielt der christlich geprägte gregorianische Kalender wieder Gültigkeit; die Pfarrer wurden für ihre Dienste bezahlt. Dafür jedoch zog der französische Staat das kirchliche Vermögen ein (Säkularisation). Im Zuge der Säkularisation verlor die Eifel unschätzbare kulturelle Werte.

Gleichzeitig begann jedoch ein nicht zu übersehender wirtschaftlicher Aufschwung. Napoleons Eroberungskriege verschafften den hiesigen Betrieben Aufträge. So brauchten die Steinbrüche, Kalkwerke, Eisenhütten und Hammerwerke mehr Arbeiter denn je; das Mechernicher Bergwerk beschäftigte sogar rund 2000 Arbeiter.

Gleichzeitig wuchs aber auch die Zahl der Unzufriedenen. Sie beklagten die hohe Steuerlast zur Finanzierung der Kriege und den Einsatz der jungen Männer in der Armee Napoleons. Dazu kam, dass die französische Sprache und Kultur mehr und mehr Raum griffen. So hat die französische Sprache vor allem im Eifeler Dialekt bis heute Spuren hinterlassen. Einige Beispiele: plümerant (französisch: bleu morant) = schwindelig, Panz (pance) = Kind, us de Lamäng (la main) = aus dem Effeff.

Mit der Zeit empfanden jedoch die Eifeler die französische Bevormundung aus seelischen, geistigen und materiellen Gründen als eine zu schwere Last, zumal die Franzosen die Ideale ihrer Revolution Lügen straften. Die vernichtenden Niederlagen Napoleons bei Leipzig (1813) und Waterloo (1851 brachten das Ende der Besatzung.

Die Eifel kam nach dem Willen des Wiener Kongresses von 1814 / 15 zu Preußen.

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