Kommentar zu Corona-MaßnahmenHarte Prüfung für Politik und Bürger

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt zur Sitzung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt mit Mund-Nasenbedeckung.

Berlin – Die Pläne im Kanzleramt zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sind hart. Wenn es nach Angela Merkel geht, sollen ab 4. November ähnliche Beschränkungen gelten wie schon im März. Der Aufenthalt in der Öffentlichkeit soll nur noch Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes erlaubt sein, die Bürger werden aufgefordert, auf private Reisen und Verwandtenbesuche zu verzichten, Freizeitstätten, Gastronomie und Kultureinrichtungen sollen geschlossen werden. Der Bund will weitere Hilfen dafür zahlen.

So steht es in dem Beschlussentwurf für die Konferenz der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten am Mittwoch. Es geht nicht alles auf Anfang des Shutdowns im März, denn Schulen, Kitas und Friseure sollen geöffnet bleiben. Aber die geplanten Maßnahmen, wenn sie denn so beschlossen werden, sind eine schwere Prüfung für Politik und Bürger.

Trügerisch niedrige Zahlen im Sommer

Merkels monatelange Warnung, die Gefahr einer zweiten Welle der Pandemie zu erkennen, ihr Unmut über die Uneinigkeit der Ministerpräsidenten, ihre Appelle in Richtung Corona-Leugner sowie die vielen unterschiedlichen Eingriffe der Bundesländer in den Alltag und die Freiheitsrechte der Menschen - all das hat die Eskalation der Neuinfektionen nicht verhindert.

Alles zum Thema Robert Koch-Institut

Ein wesentlicher Grund könnte sein, dass die sinkenden Zahlen in den warmen Monaten den Bürgern das Gefühl gaben, dass es so schlimm nicht werden wird. Urlaube wurden durchgeboxt, selbst Reisen in Risikogebieten angetreten, Feiern ohne Hygienemaßnahmen veranstaltet etc. Und Ministerpräsidenten wollten ihr Ding alleine machen, setzten die ihrer Ansicht nach nervende Merkel an den Katzentisch und erließen so unterschiedliche Maßnahmen, dass man quer durch die Republik reisen und seine eigenen Wünsche nach dem Besuch von Märkten oder einem Urlaub eben an einem anderen Ort als dem eigenen erfüllen konnte. Das ist menschlich. Aber leider nicht vernünftig.

„In zahlreichen Gesundheitsämtern kann eine vollständige Kontaktnachverfolgung nicht mehr gewährleistet werden“, heißt es in dem Entwurf. Das ist dramatisch. Infizierte müssen das dann nämlich selber machen, was nur ein frommer Wunsch ist. Mit einem positiven Testergebnis, Symptomen oder einer richtigen Erkrankung ist der Betroffene vor allem erst einmal mit sich selbst beschäftigt.

Der Punkt der Haltlosigkeit

Die psychische Last, Kontaktpersonen zu informieren und sie vor einer möglichen Ansteckung zu warnen, kann und will nicht jeder zusätzlich auf sich nehmen. Und wenn man es macht, gibt es noch lange keine Testmöglichkeit. Denn die Aufforderung dazu schicken nur die Gesundheitsämter raus. Die sind aber bereits überlastet. Und so dauert es Tage bis die Tests gemacht werden. Wenn die Infektionsketten nicht mehr unterbrochen werden, gibt es kein Halten mehr. Diesem Punkt nähern wir uns. Das Robert-Koch-Institut meldet knapp 15.000 Neuinfektionen an einem Tag.

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Es nützt alles nichts. Wir müssen noch eine ganze Zeit zurückstecken, unsere Gewohnheiten verändern, verzichten. Und aufpassen, dass die Gesellschaft nicht auseinanderfällt und Extremisten die Türen öffnet. Eines der allerwichtigsten Ziele muss sein, die alten Menschen, die Pflegebedürftigen, die Menschen mit Behinderungen in ihren Heimen nicht vereinsamen zu lassen. Sie sind in den vergangenen Monaten viel zu oft in Quarantäne gewesen, die für sie wie ein Gefängnis ist. Denn sie dürfen ihr Zimmer nicht verlassen und kein Verwandter darf rein. Das geht nicht.

Merkels Vorhaben ist dringend nötig, diesen Missstand durch Schnelltests aufzuheben. Das muss auch für Angehörige von Sterbenden in Krankenhäusern gelten. Sie müssen die Hand halten dürfen, wenn ein Leben zu Ende geht. Sonst bleibt Corona für einen Teil der Bevölkerung ein Trauma.

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