Rechtsruck in ItalienAuf dem Weg in den Palazzo

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Ein Erdrutschsieg mit Ansage: Giorgia Meloni nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses in der Nacht zu Montag.

Ein Erdrutschsieg mit Ansage: Giorgia Meloni nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses in der Nacht zu Montag.

Rom – Es kam, wie es die Prognosen bereits seit Wochen vorhergesagt hatten: Giorgia Melonis Fratelli d’Italia (FdI) gingen aus den italienischen Parlamentswahlen vom Sonntag als stärkste Partei hervor. Die Nationalistin, deren Fratelli eine Nachfolgepartei der von Faschisten und Mussolini-Getreuen gegründeten Bewegung MSI sind und die in ihrem Wappen noch heute eine an den Diktator erinnernde Flamme haben, sagte: „Wir müssen wieder stolz sein, Italiener zu sein.“

Das Rechts-Bündnis aus FdI, Lega und Forza Italia wird mit 43,2 Prozent Stimmenanteil den jeweils größten parlamentarischen Block sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat stellen. Italien driftet damit so weit nach rechts wie nie zuvor in der Nachkriegszeit.

Mit Giorgia Meloni wird erstmals eine Frau in den Palazzo Chigi in Rom einziehen. Ihre Mitstreiter Matteo Salvini (Lega) und Silvio Berlusconi (Forza Italia, FI) kündigten bereits an, die FdI-Chefin an der Spitze einer Rechtsregierung „mit vollen Kräften“ zu unterstützen.

Noch waren gestern Mittag nicht alle Stimmen ausgezählt und alle Parlamentssitze vergeben. Doch die Hauptnachricht ist einigermaßen deutlich: Die Rechts-Allianz wird die Regierung und Meloni damit den Chefsessel übernehmen. Das ist umso deutlicher, als die Lega in der diesjährigen Wahl gegenüber 2018 deutlich Stimmen zugunsten der Postfaschisten verlor. Nur auf 8,9 Prozent kommt die frühere Separatisten-Partei Salvinis (2018: 17,3 Prozent) und liegt damit nur knapp vor Berlusconis FI mit 8,3 Prozent. Mehr als dreimal so viel, nämlich 26 Prozent, kann Melonis Partei, die „Brüder Italiens“, vorweisen. Das ist gegenüber den Vorwahlen von 2018 eine Steigerung um 21,7 Prozent.

Das zerstrittene Mitte-links-Lager konnte den Rechten wenig entgegensetzen. Außerdem dürfte ihnen eine immer eklatantere Politikverdrossenheit der Italiener geholfen haben. Nur 63,9 Prozent der Wahlberechtigten gingen überhaupt an die Urnen – das ist der mit Abstand schlechteste Wert der Geschichte.

Salvini triumphiert trotz Verlusten

Vor allem in den Lega-Hochburgen des Nordens übertrumpften die Kandidaten von FdI ihre rechten Mitbewerber. In einer ersten Pressekonferenz gab sich Salvini dennoch selbstbewusst und dachte nicht im Geringsten daran, die Schuld für das Wahldebakel auf seine Kappe zu nehmen. Selbstverständlich bliebe er Parteivorsitzender und werde an der Regierung teilnehmen. Salvini hofft darauf, seinen 2018 eingebüßten Sessel als Innenminister zurückzugewinnen.

Silvio Berlusconi, das „Stehauf-Männchen“ der italienischen Politik, darf nach seiner juristisch bedingten Zwangspause als Senator ins Parlament einziehen. Mit gewohnt strahlendem Lächeln dürfte der Ex-Cavaliere nun übermorgen seinen 86. Geburtstag feiern – und vielleicht noch hoffen, doch als rechter Kandidat für die kommenden Präsidentenwahlen aufgestellt zu werden. Immerhin sieht sich Berlusconi als „Übervater“ seiner deutlich jüngeren Kampfgefährten Meloni und Salvini.

Doch den Wahlsieg zu erringen ist eine Sache – die vor Italien stehenden Probleme anzugehen und zu lösen, eine andere. Denn mit den internationalen Konflikten steckt Italien auch selbst in einer tiefen Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Märkte sind besorgt ob der hohen Staatsverschuldung.

Zwar hatte der bisherige Regierungschef Mario Draghi mit seiner wirtschaftsfreundlichen Politik seitens der EU hohe Finanzunterstützungen aushandeln können, doch waren diese an strenge Auflagen gegenüber Italien geknüpft. Genau die ist die Rechte allerdings nicht gewillt zu erfüllen. Ähnlich wie die Kollegen in Polen und Ungarn wollen die italienischen Rechten sich von Brüssel nichts „diktieren“ lassen. Eine Haltung, die bei den EU-Partnern mehr als nur Besorgnis über die Entwicklung in der drittgrößten Volkswirtschaft Europas auslöst.

Trump und Orban als Vorbilder

Meloni, die kaum Regierungserfahrung vorweisen kann, muss daher einen Balanceakt hinlegen, um einerseits Brüssel nicht zu brüskieren, andererseits aber die Möglichkeiten so auszureizen, dass sich ihre Wähler nicht von der rechten Politik abwenden. Ähnlich wie ihre politischen Vorbilder Donald Trump und Viktor Orban versucht sie dies, in dem sie die „Werte“ der Gesellschaft anspricht.

Als Ministerpräsidentin dürfte sie ihrer Maxime „Gott, Vaterland, Familie“ folgen – Liberale befürchten unter Meloni Rückschritte für Frauen. Die 45-Jährige weist dies zurück. Das gesetzliche Recht auf Abtreibung etwa wolle sie nicht abschaffen, obwohl das ihre Gegner ständig behaupteten, sagte sie zuletzt immer wieder. Im Wahlprogramm der Rechts-Allianz stehen zudem Hilfen für Familien und auch für junge Mütter, die wieder in den Beruf zurückkehren wollen.

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Minderheiten können dagegen von einer rechten Regierung unter Meloni keinen zusätzlichen Schutz erwarten. Migranten aus Nordafrika zum Beispiel will die Chefin der Fratelli gar nicht erst ins Land lassen. Außerdem sieht sie auch keine Not, Homosexuelle stärker vor Diskriminierung zu schützen, wie sie in ihrer bereits erschienenen Autobiografie deutlich macht.

Auch sie habe Diskriminierung erfahren, schreibt die Parteivorsitzende darin, obwohl sie hetero sei. Erniedrigungen wiegen ihrer Ansicht nach immer schwer, egal, wen sie treffen. (mit dpa)

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