Landtagspräsident André Kuper erklärt im Interview, warum Rekruten zur Gelöbnisfeier vorm NRW-Parlament aufmarschieren.
Landtagspräsident Kuper„Wir müssen uns verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen“

Die Bundeswehr spielt angesichts der aktuellen Bedrohungen eine immer wichtigere Rolle.
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Erstmals wird die Bundeswehr an diesem Donnerstag vor dem Parlamentsgebäude am Rheinufer eine Gelöbnisfeier mit Hunderten Soldaten abhalten. Was es damit auf sich hat und warum ihm dieses militärische Zeremoniell in der Zeitenwende wichtig ist, erklärt Landtagspräsident und Hausherr André Kuper (CDU) im Interview mit Tobias Blasius.
Herr Landtagspräsident, aus aktuellem Anlass die Frage: Haben Sie gedient?
Ja, ich gehöre noch zur Generation, die in den 80er Jahren ihren W15-Grundwehrdienst leisten musste. Ich war am Marine-Stützpunkt Wilhelmshaven stationiert, konnte aber einige Wochen früher raus zum Studienbeginn.
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Liegt Ihnen die See?
Ich war damals beim Befehlshaber Seestreitkräfte Nordsee und daher vorwiegend an Land im Bunker an der Nordsee und habe wenig Wasser gesehen. Dennoch ist mir die Bundeswehr-Zeit nachträglich in guter Erinnerung geblieben. Es war eine wichtige Erfahrung, sich in die Strukturen einzufügen, Verantwortung in einer Gemeinschaft zu übernehmen und einmal aus der eigenen Komfortzone herauszutreten. Eine Bundeswehr-Freundschaft aus dieser Zeit hält sogar bis heute, wofür ich sehr dankbar bin.
An diesem Donnerstag werden zum ersten Mal in der Geschichte der Bundeswehr 420 Rekrutinnen und Rekruten ihr Gelöbnis vor dem Düsseldorfer Landtag ablegen. Sie haben sich als Parlamentspräsident sehr dafür eingesetzt. Warum?
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Schon in der Vergangenheit hat der Landtag alle zwei Jahre Soldatinnen und Soldaten zu einem Empfang ins Parlamentsgebäude eingeladen. Die Gelöbnisfeier steht in dieser Tradition, soll aber noch deutlicher die besondere Verbundenheit des Hohen Hauses mit den Streitkräften in aller Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen. Außerdem gibt es einen einstimmigen Beschluss des Landtags hierzu aus dem Jahr 2022.

ARCHIV - 29.01.2025, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Landtagspräsident André Kuper spricht vor einer Gedenkminute für die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 80 Jahren (27.01.1945) und für die Opfer des Nationalsozialismus im Plenum des Landtags. (zu dpa: ´Landtagspräsident: Neuer Check gilt auch für Praktikanten») Foto: Rolf Vennenbernd/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Der Zeitpunkt ist kein Zufall, oder?
Es herrscht seit dreieinhalb Jahren wieder Krieg in Europa, der uns allen vor Augen führt: Wir müssen uns verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen. Über den großen Investitionsbedarf der Bundeswehr bei Ausstattung und Material wird seit dem russischen Überfall auf die Ukraine zu Recht viel diskutiert. Mir geht es darum, neben der Wehrhaftigkeit auch stärker die Wertschätzung für die Soldatinnen und Soldaten in den Blick zu nehmen. Die Gesellschaft schuldet den Frauen und Männern Dank, die bereit sind, unsere Freiheit im hoffentlich nie eintretenden Ernstfall unter Einsatz ihres Lebens zu verteidigen.
Wie sehr überrascht es Sie, dass eine öffentliche Gelöbnisfeier, die bis vor einigen Jahren regelmäßig von Friedensprotesten begleitet wurde, plötzlich mitten in Düsseldorf ausgetragen werden kann?
Ich denke, wir erleben gerade einen neuen Umgang mit unseren Streitkräften, ohne dabei die historisch wohlbegründete Skepsis gegenüber jeder Form von Militarisierung der Gesellschaft ablegen zu müssen. Soldatinnen und Soldaten haben keinen normalen Beruf, aber sie werden selbstverständlicher Teil unseres Alltags. Nach dem Nato-Doppelbeschluss Anfang der 80er Jahre stieß die Bundeswehr mit Gelöbnissen noch vielfach auf Ablehnung. Nach dem Ende des Kalten Krieges glaubten viele Menschen dann an die Friedensdividende und interessierten sich kaum noch für die Armee. Nun ist eine neue Phase angebrochen.
Lässt sich ein Gelöbnis vor dem Landtag also problemlos planen?
Natürlich ist eine solche sicherheitsrelevante Veranstaltung am beliebten Düsseldorfer Rheinufer mit 420 Soldatinnen und Soldaten, ihren Familien und zahlreichen Ehrengästen eine logistische Herausforderung. In einer Demokratie hat auch jeder das Recht, gegen ein solches Signal der Anerkennung und der Solidarität für das Militär zu sein. Solange Protest friedlich bleibt, ist er völlig in Ordnung. Ich bin aber überzeugt, dass die allermeisten Bürgerinnen und Bürger verstanden haben, dass sich unsere Demokratie in einem Stresstest befindet. Unser Leben in Frieden und Wohlstand ist keine Selbstverständlichkeit mehr, unsere Werte müssen glaubhaft verteidigt werden können. Wenn ich lese, dass in Bulgarien ein Flugzeug mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an Bord mutmaßlich zum Ziel einer gezielten Störung des satellitenbasierten Navigationssystems GPS durch Russland geworden ist, erkennt jeder, wie nah die Gefahr an uns herangerückt ist.
Steht der gesamte Landtag hinter dem Gelöbnis, immerhin haben sich die Grünen beim entsprechenden Parlamentsbeschluss im Frühjahr 2022 noch enthalten?
Ich habe keinen Zweifel daran, dass Vertreter aller Landtagsfraktionen den Soldatinnen und Soldaten die Ehre erweisen werden. Ich habe wahrgenommen, wie sehr sich die grüne Vize-Ministerpräsidentin in der Ukraine-Hilfe engagiert und dass sie den Pazifismus als wichtiges Gründungsmotiv ihrer Partei heute so versteht, dass die Demokratie für den Ernstfall Zähne braucht.
Frau Neubaur hat sich sogar dafür ausgesprochen, dass Soldaten mehr Möglichkeiten erhalten sollen, an Schulen mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Was halten Sie davon?
Als überparteilicher Präsident des Landtags halte ich mich an dieser Stelle zurück, weil es dazu keine Beschlusslage des Parlaments gibt. Als Privatperson schließe ich mich Frau Neubaur vollumfänglich an. Schulen sollen keine Orte der Rekrutierung sein, aber es ist wichtig, dass Soldatinnen und Soldaten mit jungen Leuten ins Gespräch kommen, um ihre wertvolle Arbeit vorzustellen.
Reicht der neue Wehrdienst, der im Kern nur eine verpflichtende Wehrerfassung junger Männer ist?
Auch hier spreche ich nicht für den Landtag. Ich persönlich fand sehr klug, was unser Bundespräsident zu dem Thema gesagt hat: Eine breite gesellschaftliche Debatte über eine neue Wehrpflicht sei notwendig, damit wir für den Fall, dass nicht genügend Freiwillige kommen, einen anderen Pflichtdienst einführen können als den, den wir 2011 ausgesetzt haben.