Während kommende Woche der Ersatzbau der Rahmedetalbrücke feierlich eröffnet wird, arbeitet der Untersuchungsausschuss weiterhin die Versäumnisse der Vergangenheit auf.
Marode Rahmede-Brücke„Komplexe Bauwerke nicht mehr anfassen“

Neubau in Rekordzeit: Bald schon soll die neue Talbrücke Rahmede eingeweiht werden.
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Vor Sitzungsbeginn drapiert Stefan Engstfeld immer einen Betonsplitter auf seinem Pult. Der Grünen-Politiker und Vorsitzende des Untersuchungsausschusses „Brückendesaster“ im Landtag hat den Stein von der Sprengung der A45-Talquerung „Rahmede“ bei Lüdenscheid mitgenommen. „Als Erinnerung und Mahnung“, wie er sagt.
Kommende Woche wird der in Rekordzeit hochgezogene Ersatzbau für die marode „Rahmede“ feierlich für den Verkehr freigegeben. Auch Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) soll bei dem Festakt sprechen dürfen, wie die „Siegener Zeitung“ berichtete. Derweil arbeitet der Untersuchungsausschuss weiterhin auf, wie es im Dezember 2021 überhaupt zur katastrophalen Vollsperrung des Bauwerks kommen konnte – und ob Wüst eine Rolle bei der jahrelang verschleppten Sanierung gespielt hat.
Scheuer und Wissing als Zeugen
Am Montag sind dafür prominente Zeugen nach Düsseldorf gekommen: Die früheren Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Volker Wissing (parteilos, bis 2024 FDP) sowie der ehemalige parlamentarische Verkehrsstaatssekretär Oliver Luksic (FDP).
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Der Untersuchungsausschuss geht seit nunmehr drei Jahren der Frage nach, ob Wüst in seiner Zeit als Verkehrsminister (2017 – 2021) den Brückenersatzbauten zu wenig Beachtung geschenkt oder andere politische Lieblingsprojekte bevorzugt haben könnte. Bislang ließ sich kein handfester Beleg für eine politische Einflussnahme des heutigen Regierungschefs finden.
Gewiss, noch 2017 hatte Wüsts Amtsvorgänger Michael Groschek (SPD) einen Neubau der Rahmedetalbrücke für 2019 ins Auge gefasst. Die A45 als hochbelastete „Schlagader“ zwischen Dortmund und der hessischen Landesgrenze bereitete den Fachleuten schon lange Sorgen. Die baufällige „Rahmede“ wurde bereits seit 2014 entlastet.
Unter Wüsts Regie wurde der Neubauplan 2018 zunächst auf 2020 verschoben, ein weiteres Jahr später sogar auf 2022. Hintergrund soll die Erkenntnis gewesen sein, dass ein zeitaufwendiges Planfeststellungsverfahren hermüsse, um Baurecht zu erlangen. Die Opposition im Landtag dagegen vermutet, dass NRW Geld und Planungskapazitäten lieber in prestigeträchtigere Projekte stecken wollte.
Seit 2018 war schließlich bekannt, dass die Auftragsverwaltung für die Autobahnen ab 2021 auf die neue Bundes-GmbH übergehen würde. Zeuge Luksic stützt am Montag diese Vermutung: Es habe bei der Rahmedetalbrücke eine „geänderte Priorisierung“ gegeben. Die Bundesländer hätten vor der Übergabe ihrer Zuständigkeit an die neue Bundesautobahngesellschaft „die Zahl der zu sanierenden Brücken massiv heruntergefahren“. Man habe „die großen, komplexen Bauwerke nicht mehr anfassen“ wollen.
Luksic spekuliert, in NRW sei man wohl davon ausgegangen, „dass die Brücke noch irgendwie ein bisschen halten wird und man eben andere Maßnahmen vorgezogen hat“. Das sei „im Nachgang nicht sehr klug“ gewesen.
Probleme der Rahmedetalbrücke falsch eingeschätzt
Ob Wüst oder sein damaliger Staatssekretär Hendrik Schulte (parteilos) allerdings persönlich Einfluss auf die Reihung von Bauvorhaben der Straßenbauverwaltung genommen haben, konnte bislang nicht erhärtet werden. Experten hatten in zahlreichen Ausschusssitzungen immer wieder darauf hingewiesen, dass das wohl die Expertise einer Ministeriumsführung überstiegen hätte: Allein die A45 verfügt über 60 große Talbrücken, das NRW-Straßennetz umfasse 20.000 Kilometer. Die Standsicherheitsprobleme der Rahmedetalbrücke seien schlicht von Ingenieuren falsch eingeschätzt worden.
Der frühere Bundesverkehrsminister Wissing äußert sich deutlich zurückhaltender: „Ich hatte die Aufgabe, das wieder in Ordnung zu bringen, was im Grunde schon zu meinem Amtsantritt kaputt war.“ Es sei ab Ende 2021 nicht seine Rolle gewesen, „Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern so schnell wie möglich funktionierende Infrastruktur wiederherzustellen“.
Als eine Art Entlastungszeuge tritt an diesem Tag Wüsts alter Spezi Scheuer auf, der heute keine politischen Ämter mehr innehat und sich als 51-jähriger „Unternehmer“ vorstellt. Mit der Rahmedetalbrücke will er sich in seiner Amtszeit bis Ende 2021 nicht sonderlich beschäftigt haben: „Ich kann nicht ausschließen, dass es da eine Erwähnung gab“, aber er habe dazu „keine konkrete Erinnerung“.
Zu Wüsts Amtszeit als Verkehrsminister fällt Scheuer nur Positives ein: „Der Untersuchungsausschuss dient ja nicht dazu, Personen zu loben, aber ich habe immer sehr konstruktiv, konzentriert und auch ergebnisorientiert mit Nordrhein-Westfalen im Verkehrsbereich zusammengearbeitet“.
Mit Wüsts Amtsantritt als Verkehrsminister 2017 sei erkannt worden, wie wichtig es sei, baureife Projekte in der Schublade zu haben, falls Geld aus dem Bund bewilligt wird. Bayern galt als Meister darin, auf eigene Kosten einen Planungsvorrat anzulegen, um im Falle eines Konjunkturprogramms oder überschüssiger Bundesmittel loszubauen. NRW musste dagegen zeitweise Geld nach Berlin zurückschicken. Erst mit Wüst, so muss man den CSU-Mann verstehen, kam die Wende: „Es war schon, glaube ich, mit dem damaligen Verkehrsminister Wüst das Hauptthema der Gespräche: Ich will, dass jetzt Planstellen aufwachsen bei mir, um dann in den Planungen schneller und ergiebiger zu sein.“

