Pater Anselm GrünDer faszinierende Eifeler Dialekt der Mutter

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Pater Anselm Grün gelingt es, die Menschen in ihren Herzen zu berühren. (Foto: dpa)

Pater Anselm Grün gelingt es, die Menschen in ihren Herzen zu berühren. (Foto: dpa)

Pater Anselm Grün gilt als Fachmann für das einfache Leben, für Glück, für Gefühle und Liebe. Er beschreibt die Quellen der Kraft, berät Unternehmer - und weicht dennoch nie von Gottes Wegen und Botschaft ab. Michael Hamacher befragte ihn zu seinen Wurzeln und Themen, die die Menschen bewegen.

Pater Anselm, Ihre Wurzeln liegen zum Teil in der Eifel. Ihre Mutter stammt aus Dahlem. Pflegen Sie noch Beziehungen zu der Familie in der Eifel?

Leider komme ich kaum noch dazu, die Beziehungen zu meinen Verwandten in der Eifel zu pflegen. Aber ab und zu treffen wir uns und freuen uns, dass die innere Verbindung geblieben ist und sofort wieder auflebt, wenn wir uns sehen.

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Haben Sie Kindheits- oder Jugenderinnerungen an Dahlem?

Ich war das erste Mal 1957 in Dahlem. Für mich war einmal die Sprache etwas Faszinierendes. Meine Mutter hat auch daheim immer im Dahlemer Dialekt gesprochen. Für mich waren die Tage in einem landwirtschaftlichen Haus mit Stall und so weiter etwas, was mich berührt hat. Damals war Dahlem noch ein sehr landwirtschaftlich geprägtes Dorf. Natürlich war das am Anfang für mich als Stadtmenschen etwas fremd. Aber ich habe mich da doch sehr wohl gefühlt. Und vor allem waren die Menschen sehr offen. Als wir sonntags in der Kirche waren, hat mir allerdings der sehr moralisierende und fordernde Ton des Pfarrers nicht besonders gefallen.

Viele Mitglieder Ihrer erweiterten Familie haben den geistlichen Beruf gewählt. Liegt die Spiritualität in der Familie?

Von meinem Vater waren drei Geschwister Benedikter oder Benediktinerinnen. Von meiner Mutter war ein Bruder Steyler Pater und eine Schwester bei den Steyler Schwestern. Sicher sind beide Familien sehr religiös geprägt. Das hat mich als Kind geprägt. Es war bei Vater und Mutter eine tiefe und echte Spiritualität, die auch ihr Leben getragen hat.

Nach Ihren Aussagen schreiben sie täglich zwei Stunden, morgens von 6 bis 8 Uhr. Sind Sie dann schon hellwach? Reicht diese Zeit für einen Vielschreiber wie Sie?

Ich habe nur zweimal in der Woche die zwei Stunden Schreibzeit. Da bin ich immer hellwach, weil ich mich auf das Schreiben freue. Es ist für mich keine Arbeit, sondern es macht mir Freude, im Schreiben meine inneren Gedanken zu sortieren, zu entwickeln.

Während den christlichen Kirchen die Gläubigen davonlaufen, sind die Orte Ihrer Lesungen und Vorträge überfüllt. Was erwarten Menschen?

Die Menschen haben heute eine Sehnsucht nach echter Spiritualität. Und sie suchen nach vielen Umwegen diese Spiritualität wieder im christlichen Bereich. Ich verstehe meine Aufgabe, den Reichtum und die Weisheit der christlichen Tradition den Menschen in einer Sprache zu verkünden, die nicht moralisiert, sondern ermutigt und aufbaut und sie in ihrem Herzen berührt.

„Sich zu verlieben ist etwas Wunderschönes“, so haben Sie einmal gesagt - aus eigenem Erleben. Was bedeutet die Liebe für die Menschen? Und was für Sie als Mönch?

Die Liebe verzaubert den Menschen. Aber es ist dann die Aufgabe, die Liebe konkret im Alltag zu leben. Als Mönch will ich Gott und die Menschen lieben. Aber das bleibt abstrakt, wenn ich nicht auch die Liebe als Faszination erlebt habe. Die Erfahrungen von Liebe, die natürlich immer begrenzt sind, gerade für mich als Mönch, wollen mich an die Quelle der Liebe führen, die in mir ist. Und diese Quelle der Liebe ist letztlich Gott. Wer wirkliche Liebe erfährt, der erfährt Gott. Denn - so sagt der 1. Johannesbrief - Gott ist Liebe und wer in der Liebe ist, der ist in Gott.

Angesichts der Verfehlungen (sexueller Missbrauch durch Priester) werden die Stimmen lauter, die eine Abkehr der katholischen Kirche vom Zölibat fordern...

Der Zölibat ist sicher nicht die eigentliche Ursache des sexuellen Missbrauchs, sondern die mangelnde Integration der Sexualität in die Spiritualität. Unabhängig von der Missbrauchsdiskussion halte ich es für sinnvoll, beide Formen für den Priester zuzulassen. Für viele ist die Ehelosigkeit eine gute Weise, sich ganz für Gott und für die Menschen zu engagieren. Aber es gibt andere, die auch als Verheiratete gute Priester wären. Insofern bin ich nicht für die Abschaffung des Zölibats, sondern für die Freistellung und für die Erweiterung der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt.

Managern und Firmenlenker lehren Sie „Wertschöpfung durch Wertschätzung“. Meinen Sie damit das wenig arbeitnehmerfreundliche Gebaren vieler Unternehmer und Manager? Meinen Sie Wirtschaft im Namen des Herrn?

Für mich ist klar, dass eine Firma, die Werte missachtet, letztlich auch den Menschen missachtet. Und die Führungskräfte verachten letztlich sich selbst. Aber eine Firma, in der Menschenverachtung herrscht, wird auf Dauer wertlos. Da arbeitet keiner mehr gerne. Werte machen das Leben wertvoll. Werte machen auch eine Firma wertvoll. Und wenn ich Werte schätze, wird sich das auch langfristig finanziell auszahlen. Die Wertschätzung führt also zur Wertschöpfung. Dabei werden Werte nicht verzweckt. Es zeigt vielmehr, wenn der Mensch im Mittelpunkt steht mit seiner Würde, dann wird er auch gut und effizient arbeiten.

Sie erreichen offensichtlich Menschen in einer Weise, wie es der „Medienpapst“ Benedikt XVI. bisher nicht geschafft hat. Sie seien, so hieß es in einer überregionalen deutschen Zeitung, Papst, wenn sich die Gläubigen eine Kirche nach ihren Vorstellungen wünschen könnten. Ehrt Sie das?

Das sind für mich plakative Aussagen. Ich fühle mich als einfacher Mönch wohl. Ich strebe nicht nach Ämtern. Aber es freut mich, dass meine Gedanken vielen Menschen helfen auf ihrem geistlichen Weg, aber auch in ihrem Umgang mit ihren alltäglichen Problemen.

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