Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

US-Entscheidung schockt WestenTrump „hilft Putin beim Morden“ – Kreml jubelt und bombardiert Krankenhaus

6 min
US-Präsident Donald Trump im Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin im Jahr 2017. (Archivbild)

US-Präsident Donald Trump im Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin im Jahr 2017. (Archivbild)

Ein teilweiser Lieferstopp für US-Waffen sorgt für Wut im Westen. Eine Trump-Szene vom Nato-Gipfel bekommt nun neue Aufmerksamkeit. 

Die US-Regierung um Donald Trump hat einen teilweisen Lieferstopp für amerikanische Waffen an die Ukraine angeordnet – und damit für Entsetzen in Kyjiw und Europa sowie für Jubelstimmung im Kreml gesorgt. Die Ukraine bestellte nach Bekanntwerden des Lieferstopps den stellvertretenden US-Botschaftsleiter, John Ginkel, ein – ein für diplomatische Verhältnisse vergleichsweise drastischer Schritt. Gegenüber Ginkel habe Kyjiw die „kritische Bedeutung der fortgesetzten Lieferung von bereits früher gewährten Verteidigungspaketen“ unterstrichen, hieß es aus der Ukraine. Für Kyjiw kommt die Nachricht zur Unzeit.

Trump verhängt Lieferstopp – Ukraine bestellt US-Botschaftsleiter ein

In den letzten Wochen hat Russland die Luftangriffe auf ukrainische Städte und oftmals zivile Ziele massiv verstärkt. Nun streichen die USA auch die Lieferung von dringend benötigten Patriot-Luftabwehrraketen, mit denen russische Raketenangriffe effizient abgewehrt können.

Russland lässt derweil auch verbal zuletzt kaum noch Zweifel an den eigenen Motiven aufkommen. Kremlchef Wladimir Putin erklärte kürzlich ungeniert, dass die gesamte Ukraine im Grunde Russland gehöre – und bekräftigte in einem Telefonat mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Dienstagabend (1. Juli) sowohl seinen Kriegskurs als auch die russischen Maximalforderungen.

Putin lässt nach Telefonat mit Macron erneut Krankenhaus bombardieren

Kurz nach dem Gespräch mit Macron bombardierte die russische Luftwaffe dann erneut ein Krankenhaus in der Ukraine – während die Patienten schliefen, schlugen in der Stadt Cherson mehrere Drohnen in einer Klinik ein, wie die „Kyiv Post“ berichtete. Nur wenige Stunden später folgte dann der teilweise Lieferstopp der USA – und sorgte für Freude im Kreml und Wut im Westen.

„Je weniger Waffen die Ukraine bekommt, desto näher ist das Ende der militärischen Spezialoperation“, feixte Kremlsprecher Dmitri Peskow angesichts der Aussicht auf eine wehrloser werdende Ukraine, die von Russland dann vollständig erobert werden könnte.

Entsetzen im Westen über Trumps Lieferstopp

Im Westen herrscht derweil Entsetzen angesichts Trumps Maßnahme. „Trump möchte nicht, dass die Vereinigten Staaten die Führungsrolle in der freien Welt übernehmen“, kommentierte der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul, den Lieferstopp.

Insbesondere, dass keine Patriot-Raketen mehr geliefert werden, sei eine „widerliche und peinliche“ Entscheidung Trumps, schimpfte der US-Diplomat – und erklärte die amerikanische Führungsrolle in der freien Welt kurzerhand für beendet.

„Die USA stehen mittlerweile voll und ganz auf der Seite Russlands“

Der britische Historiker Phillips O'Brien sprach unterdessen von „aktiven Schritten“ der Vereinigten Staaten, „um Russland bei der Ermordung von Ukrainern zu helfen“ – und empfahl allen europäischen Staaten, den USA mit dem Ende europäischer Waffenkäufe zu drohen, um Trump zum Umdenken zu bewegen.

„Wenn morgen oder übermorgen eine russische Rakete in ein ukrainisches Wohnhaus einschlägt und ein junges Paar, vielleicht mit einem neugeborenen Kind, getötet wird, denken Sie einfach daran: Das sind die USA in Aktion“, wählte der Historiker in seinem Substack-Blog drastische Worte.

Kölner Politologe Thomas Jäger: „Faktische Unterstützung Russlands“

„Die USA stehen mittlerweile voll und ganz auf der Seite Russlands“, schrieb derweil der Propaganda-Forscher Pekka Kallioniemi auf der Plattform X. Zustimmung für diese Einschätzung kam auch aus Köln.

Neben dem Ausbleiben neuer Sanktionen gegen Moskau sei der Stopp der Waffenlieferungen die „zweite Säule“ bei der die USA russischen Interessen entgegenkommen würden, schrieb der Kölner Politologe Thomas Jäger bei X. Es handele sich um nicht weniger als die „faktische Unterstützung Russlands im Krieg“, fügte der Professor für Internationale Politik der Universität Köln an.

CDU-Politiker fordert mehr Waffenlieferungen von Europa

CDU-Politiker Roderich Kiesewetter forderte unterdessen „klare Taten und Lieferungen“ an die Ukraine von Deutschland und Europa. „Ein Waffenstillstand kann nicht das Ziel sein, sondern die Wiederherstellung der Grenzen von 1991“, fügte Kiesewetter an.

Frieden in Freiheit habe einen Preis, so der CDU-Außenpolitiker – und es sei „um ein Vielfaches günstiger“, die Ukraine jetzt kurzfristig „wesentlich mehr zu unterstützen“, erklärte Kiesewetter, da Russland „sonst den Krieg fortsetzen und ausweiten“ werde. 

„Putin fragt, Trump liefert. Oder in diesem Fall: Er liefert nicht“

Russische Kremlkritiker lassen ebenfalls kein gutes Haar am US-Präsidenten. Seit Trumps Amtsantritt haben sich die russischen Angriffe auf die Ukraine vervielfacht. Von seinem einstigen Ziel, Russlands Krieg in kürzester Zeit nach seiner Wahl zu beenden, bleibt nach einigen Monaten im Amt nur noch ein Scherbenhaufen übrig.

„Amerikanische Waffen, die zur Vernichtung des russischen Militärs entwickelt wurden, verrotten in Lagerhallen, anstatt in der Ukraine ihren Dienst zu tun“, kritisierte nun der ehemalige russische Schachweltmeister Garri Kasparow.

„Putin fragt, Trump liefert. Oder in diesem Fall: Er liefert nicht“, fügte der Kremlkritiker an – und verspottete den US-Präsidenten, der am Vortag ein hochpreisiges Trump-Parfüm beworben hatte. „Vielleicht kann er nach Moskau fahren, um dort sein Parfüm abzuliefern“, schrieb Kasparow süffisant. 

Für die Ukraine steigt nun die Gefahr erheblich

Für die Ukraine steigt unterdessen die Gefahr erheblich. Seit Wochen versucht das russische Militär, die Flugabwehr der Ukrainer zu überlasten. Mitunter mehrfach in der Woche werden in großen Wellen Raketen und Drohnen gegen das Nachbarland geschickt. In einigen Nächten stieg die Anzahl der eingesetzten Drohnen auf weit über 400. In der Hauptstadt Kyjiw wurden so im Juni mehr als 40 Menschen getötet.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, steht bei seinem Besuch auf einem Truppenübungsplatz vor einem Flugabwehrraketensystem vom Typ Patriot. (Archivbild)

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, steht bei seinem Besuch auf einem Truppenübungsplatz vor einem Flugabwehrraketensystem vom Typ Patriot. (Archivbild)

Weil die Flugabwehrsysteme für eine Abdeckung der Fläche nicht ausreichen, ist die ukrainische Flugabwehr gezwungen, die vorhandenen Systeme in den Städten zu konzentrieren. Bereits jetzt setzt die Ukraine Berichten zufolge zudem regelmäßig auch Kampfjets zur Drohnenabwehr ein – was mit großen Gefahren für die Piloten und die Flugzeuge einhergehen kann. 

Weißes Haus: „Interessen Amerikas im Vordergrund“

Das Weiße Haus reagierte unterdessen zunächst nicht auf das internationale Entsetzen. In einem Statement der stellvertretenden Sprecherin des Weißen Hauses, Anna Kelly, hieß es aber: „Diese Entscheidung wurde getroffen, um die Interessen Amerikas in den Vordergrund zu stellen.“ Washington beruft sich demnach auf Trumps bekanntes Mantra: „America first!“

Besonderes Aufsehen bekommt nach Trumps Entscheidung unterdessen eine Szene vom Nato-Gipfel in der letzten Woche, die exemplarisch für das erratische Verhalten und den geringen Wert der Versprechungen des US-Präsidenten stehen kann.

Eine Reporterin vom ukrainischen Dienst der BBC hatte dem US-Präsidenten während einer Pressekonferenz in den Haag die Frage gestellt, ob die USA bereit seien, weitere Patriot-Raketensysteme an die Ukraine zu liefern. Russland bombardiere ihr Land massiv, sagte sie.

Trump-Szene vom Nato-Gipfel sorgt für Aufsehen

Trump unterbrach die Frau daraufhin. „Leben Sie momentan in der Ukraine?“, wollte der US-Präsident wissen. Sie lebe derzeit in der polnischen Hauptstadt Warschau, erklärte die Reporterin, weil ihr Mann sie dort in Sicherheit wissen wolle.

Trump fragte erneut nach: „Ist Ihr Mann Soldat?“ Ihr Ehemann verteidige derzeit sein Land gegen den russischen Aggressor, erklärte die Ukrainerin daraufhin bereits sichtlich aufgewühlt. Auch der US-Präsident zeigte schließlich kurz Gefühle: Das sei „harte Kost“ und „wirklich nicht leicht“, befand Trump angesichts des Schicksals der ukrainischen Familie.

Donald Trump: „Sagen Sie Ihrem Mann bitte schöne Grüße“

„Sagen Sie Ihrem Mann bitte schöne Grüße“, fügte Trump an und erklärte, die USA würden prüfen, ob weitere Patriot-Systeme an die Ukraine geliefert werden können. Die Ukraine wünsche sich diese Systeme mehr als alles andere, das wisse er genau, fügte Trump an – und wünschte der Reporterin und ihrer Familie „viel Glück“.

Rund eine Woche später scheint klar, dass die Ukraine dieses „Glück“ bald auch brauchen wird – da Trump offenbar weder neue Patriot-Systeme noch die dazugehörigen Raketen an das Land liefern will, das sich seit Februar 2022 gegen Russlands Krieg verteidigen muss. (mit dpa)