Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Eindrücke einer humanitären KatastropheMinisterin Güler spricht über ihre Afrika-Reise

6 min
Serap Güler in dieser Woche in einem afrikanischem Flüchtlingslager.

Serap Güler in dieser Woche in einem afrikanischem Flüchtlingslager.

Die Kölner CDU-Politikerin Serap Güler, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, hat nach ihrer Afrika-Reise Fragen der Rundschau beantwortet.

Welche Eindrücke haben Sie ganz persönlich beim Besuch der Flüchtlingslager zum Beispiel im Nachbarland Tschad gewonnen?

Ich habe im Osten von Tschad nahe der sudanesischen Grenze ein Flüchtlingslager besucht, wohin Menschen aus El Fasher und anderen Teilen Darfurs geflohen sind. Dort leben etwa 100.000 Menschen – und das ist nur eins von 30 großen Lagern in Tschad. Die Menschen sind in Sicherheit, aber sie haben fast gar nichts. Es gibt dort zum Beispiel pro Person nur vier Liter Wasser am Tag für alles -- also zum Waschen, Trinken und Kochen. Es gibt einen einzigen Arzt. 80 Prozent sind Frauen und Kinder. Wie später auch in Sudan habe ich in Tschad direkt von den Betroffenen gehört vom unvorstellbaren Leid, das dieser Krieg bedeutet. Besonders erschütternd waren für mich die Gespräche mit den Frauen – einige von ihnen haben mir über ihre schrecklichen Erlebnisse berichtet, vor allem darüber, dass sexualisierte Gewalt systematisch als Kriegswaffe eingesetzt wird.

Wurden die Gräueltaten insbesondere in Darfur durch die RSF-Miliz thematisiert?

Die Bilder, die uns nach der Einnahme von El Fasher durch die Rapid Support Forces – RSF – erreichen, sind zutiefst erschütternd. Hilfsorganisationen berichten von wahllosen Angriffen auf die Zivilbevölkerung, massenhaften willkürlichen Festnahmen, Hinrichtungen, Massenerschießungen, sexueller Gewalt und anderen Gräueltaten begangen durch Kämpfer der RSF.

Wir haben immer befürchtet, dass es bei einem Sturm auf die Stadt zu schlimmsten Kriegsverbrechen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht kommen könnte. Leider scheinen sich die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen.

Deutschland und die EU haben die RSF wiederholt aufgefordert, die Gewaltexzesse zu unterbinden, die Zivilbevölkerung zu schützen und sich ans Völkerrecht zu halten. Wir werden hier nicht lockerlassen. Die RSF werden sich für diese Taten verantworten müssen.

Welche Rolle spielt Deutschland bei der Unterstützung der Geflüchteten aus dem Sudan?

Sudan ist aktuell die größte humanitäre Krise weltweit. Die Menschen erleiden eine Hungersnot unfassbaren Ausmaßes, hinzu kommen Epidemien und Gewalt. Deutschland und die EU bleiben engagiert. Ich habe im Rahmen meiner Reise ankündigen können, dass Deutschland seine humanitäre Hilfe erneut ausweitet. Wir stellen unseren humanitären Partnern weitere 16 Millionen Euro für die Bekämpfung der Hungerkrise und für den Schutz und die Behandlung von Überlebenden von sexualisierter Gewalt zur Verfügung. Seit Jahresbeginn hat das Auswärtige Amt allein 141 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für notleidende Menschen in Sudan und umliegenden Ländern zur Verfügung gestellt.

Der Zugang für Hilfsorganisationen zu Notleidenden ist mancherorts gar nicht möglich. Wurde bei Ihrem Besuch darüber gesprochen, hier zu Erleichterungen zu kommen?

Absolut, das war eines der wichtigsten Ziele meiner Reise. Die Mittel müssen bei den Menschen auch ankommen. Sudan ist eine menschengemachte humanitäre Katastrophe – die Konfliktparteien behindern humanitäre Hilfe aktiv. Ich habe bei all meinen Gesprächen in Sudan und in der Region deutlich gemacht, dass den Vereinten Nationen und humanitären NGOs dringend im ganzen Land Zugang gewährt werden muss. Wir halten das nach und bleiben dazu in engem Austausch mit den Vereinten Nationen und unseren Partnern.

Serap Güler im Gespräch mit einer Vertreterin einer Hilfsorganisation.

Die Versorgung der Geflüchteten durch die Vereinten Nationen ist schwierig, es fehlt auch am Geld. Sollten die USA bei der Kürzung oder Streichung von Hilfsgeldern von US Aid bleiben, droht sich die Situation dann zuzuspitzen?

Es ist ganz klar: Die Lager und Aufnahmezentren, die ich in Tschad und Sudan besucht habe, müssen schon jetzt mit weniger Geld klarkommen als letztes Jahr, und die Bedarfe steigen weiter. Gerade jetzt müssen Deutschland und Europa verlässliche Partner sein. Wir sind einer der größten humanitären Unterstützer. Das müssen wir aus menschlicher Verantwortung tun, und das sage ich auch ganz bewusst als Politikerin einer Partei, die das „C“ im Namen trägt. Aber ich habe in der Region auch deutlich erlebt, wie eng wir dran sind, wie sehr der Krieg die ganze Region destabilisiert — und indirekt auch uns. Für mich ist ganz klar: Humanitäre Hilfe zu leisten liegt auch in unserem ureigenen Interesse.

Wie haben Sie die Situation in Port Sudan wahrgenommen, gab es Ansätze, die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt machen?

Ein weiteres zentrales Ziel meiner Reise war, bei allen Seiten auf einen sofortigen Waffenstillstand zu drängen. Deutschland und Europa legen Hoffnungen auf den Friedensplan der Quad – USA, Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Er muss jetzt umgesetzt werden und wir sind mit den Quad-Partnern im Kontakt.

Während sich die Quad in Washington D.C. erneut getroffen hat, war ich in Port Sudan und habe General Burhan und seine Behörden gebeten, sich auf den Quad Friedensplan einzulassen.

Nachhaltigen Frieden in Sudan kann es aber erst geben, wenn das Land wieder zivil geführt wird. Der Quad-Prozess kann den Weg dahin ebnen — zuerst ein Waffenstillstand, dann ein zivil geführter Übergangsprozess.

Serap Güler im Gespräch mit General Burhan.

Was können oder müssen Deutschland und Europa machen, um die Lage im Sudan zu entspannen?

Das Erste ist, und das war der Hauptgrund, wieso ich hingereist bin: Wir müssen genauer hinschauen. Die beiden Konfliktparteien hatten zu lange das Gefühl, dass sie tun und lassen können, was sie wollen. Wir müssen deutlich machen: Wir haben euch unter Beobachtung.

Das Zweite ist: Wir müssen beide Konfliktparteien zum Waffenstillstand drängen. Deutschland und die EU-Sonderbeauftragte für das Horn von Afrika, Annette Weber, sind mit allen Seiten in Kontakt.

Und drittens müssen wir weiterhin mit humanitärer Hilfe tun was wir können.

Sie waren eine Woche auf Auslandsreise, währenddessen mussten Sie auf Debatten in und Vorwürfe gegen Sie aus der Kölner CDU regieren, deren Vorsitz Sie innehaben. Wie herausfordernd war diese Situation?

Ja, das war anstrengend. Ich führe die CDU Köln immer durch direkten Austausch. Also bin ich so viel wie möglich vor Ort in Köln, und wenn ich unterwegs bin, suche ich dennoch das offene und ehrliche Gespräche –wenn es sein muss auch vom Flughafen in Port Sudan nach einem Treffen mit General Burhan. Das ist anstrengend, aber das ist eben meine dreifache Verantwortung: In der CDU in Köln, im Bundestag in Berlin, und als Staatsministerin im Auswärtigen Amt.

Mir ist wichtig, dass wir in der Partei respektvoll und konstruktiv miteinander umgehen, und ich setze mich dafür ein, dass Missverständnisse in den Gremien offen angesprochen und geklärt werden. Die anstehenden Wochen und Monate werden entscheidend dafür sein, wie wir die Herausforderungen, vor denen Köln steht, gestalten.