Der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft äußert sich im Interview zu Vorwürfen eines Betroffenenanwalts im Fall von Ex-Pfarrer U.
Staatsanwaltschaft Köln zum Fall von Ex-Pfarrer U.Erkenntnisse reichten 2011 nicht für Anklage aus
Haben Staatsanwälte in Fällen von sexuellem Missbrauch Strafvereitelung im Amt begangen? Ulrich Bremer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln, äußert sich zu Vorwürfen von Betroffenenanwalt Eberhard Luetjohann – insbesondere im Fall von Ex-Pfarrer Hans-Bernhard U.
Der Betroffenenanwalt Eberhard Luetjohann macht Justizministerin und Ermittlungsbehörden schwere Vorwürfe: Er spricht sogar von Strafvereitelung im Amt in Fällen von sexuellem Missbrauch, vermutet Anweisungen der Ministerin. Nach katholischen Bistümern möchte er staatliche Instanzen verklagen, der Staat sei sogar der Hauptschuldige. Haben Staat und Justiz sich tatsächlich ebenso oder noch mehr schuldig gemacht wie kirchliche Vorgesetzte?
Es wäre interessant gewesen zu erfahren, wem genau was Herr Dr. Luetjohann denn genau vorwirft. Seine Vorwürfe erschöpfen sich in pauschalen, durch nichts belegte Vorwürfe. Strafvereitelung im Amt im Sinne von § 258a StGB bedeutet ein absichtliches oder wissentliches Vorgehen zur Vereitelung des staatlichen Anspruchs auf Verhängung einer Strafe. Einen schlimmeren Vorwurf kann man einem Justizbediensteten kaum machen. Wenn man das tut, sollte dies schon belegt werden. Anderenfalls führen solche Äußerungen nur zu einer grundlosen Erschütterung des Vertrauens in die Justiz. Die Behauptung, „der Staat ist der Hauptbeschuldigte“ kann ich im Übrigen nicht nachvollziehen. Sind nicht die Missbrauchstäter die Hauptbeschuldigten?
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Konkret kritisiert Luetjohann die Staatsanwaltschaft Köln. Im Fall des später verurteilten Pfarrers U. stellte Ihre Behörde 2011 die Ermittlungen ein, nachdem eine Nichte des Pfarrers ihre Anzeige zurückgezogen hatte und die Betroffenen ihre Aussagen nicht wiederholen wollten. Gab es keine Chance, weiter zu ermitteln? . Laut Gercke-Gutachten erklären die Nichten beim Sozialen Dienst der Justiz NRW, sie hätten sich so aufgrund möglicher innerfamiliärer Konsequenzen entschieden. Die Sachbearbeiterin hielt fest, keine der Betroffenen habe erklärt, dass es sich um Falschbeschuldigungen gehandelt habe. Hätten Ihre Kolleginnen und Kolleginnen damit nicht doch Ansätze gehabt, weiterzukommen?
Wenn Angehörige von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, hat dies zur Folge, dass die bis dahin gemachten Aussagen prozessual unverwertbar sind und bei der Bewertung der Beweislage nicht berücksichtigt werden dürfen. Dennoch sind die Ermittlungen im konkreten Fall - entgegen der Behauptung von Herrn Dr. Luetjohann – daraufhin gerade nicht eingestellt worden. Tatsächlich haben wir über einen Zeitraum von sechs Monaten weitere Zeugen aus dem privaten und kirchlichen Bereich vernommen. Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse reichten für eine Anklage aber schlicht nicht aus. Gerade in Missbrauchsverfahren sind die Aussagen Geschädigter und deren Aussagebereitschaft nun mal von essentieller Bedeutung.
Was bedeutet so eine Einstellung denn konkret? Nach dem, was beim Sozialen Dienst besprochen worden war, kann man ja nicht davon ausgehen, dass der Verdacht wirklich ausgeräumt war. Bleibt so ein Verdächtiger dann trotzdem im Fokus? Hat Ihre Behörde dem Erzbistum eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen geben können?
Ein mangels hinreichenden Tatverdachts eingestelltes Verfahren kann im Rahmen der zu beachtenden Verjährungsfristen jederzeit wieder aufgenommen werden, wenn neue Ermittlungsansätze vorliegen. Genau dies war hier im Frühjahr 2019 der Fall. Die Ermittlungen sind fortgeführt worden, nachdem die Geschädigten erklärt hatten, nun doch aussagen zu wollen.
Auch wenn der Richter am Vorgehen Ihrer Behörde nichts zu beanstanden hatte – am Ende bleibt die Erkenntnis, dass U. noch bis 2018 Missbrauchsdelikte beging, also noch sieben Jahre lang nach Einstellung der ersten Ermittlungen. Was bedeutet das emotional für Ihre Kolleginnen und Kollegen?
Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich zu Gefühlslagen von Kolleginnen und Kollegen nicht äußern kann.
Innerfamilärer Druck auf Missbrauchsbetroffene wird Ihnen in derartigen Fällen wahrscheinlich öfter begegnen. Kann man aus dem Fall U. etwas für die Zukunft lernen?
Wir können Zeugen nur ermutigen, sich den Ermittlungsbehörden vollumfänglich anzuvertrauen. Auch über Druck und Beeinflussungen, denn diese können unter Umständen ebenfalls strafrechtliche Konsequenzen haben.