Das Landgericht Köln hat die Schadenersatzklage einer Missbrauchsbetroffenen gegen das Erzbistum abgelehnt. Das Urteil ist verstörend, birgt aber auch eine wichtige Lehre für Betroffenenanwälte. Und auch für das Erzbistum sollte die Sache jetzt nicht erledigt sein.

Kölner MissbrauchsurteilKirche sollte auf die Klägerin zugehen

Melanie F. beim Auftakt ihres Prozesses gegen das Erzbistum Köln.
Copyright: Dieter Brockschnieder
Kein Schadenersatz von der Kirche für die jahrelang von ihrem Pflegevater, einem katholischen Geistlichen, sexuell schwer misshandelte Melanie F: Schon für einen Unbeteiligten ist die Lektüre dieses vom Landgericht Köln gefällten Urteils verstörend. Für die Klägerin selbst geht das Urteil an die Grenzen des Erträglichen, und es birgt Herausforderungen für gleich drei Adressaten.
Erstens für die Anwälte der Klägerin. An einer Feststellung der Zivilkammer kommt man nicht vorbei: Ja, es war ein staatlicher Rechtsakt, durch den Melanie F. ihrem Pflegevater anvertraut, man muss im Ergebnis sagen: ausgeliefert wurde. Was immer auf kirchlicher Seite genehmigt, angeordnet und dann nicht kontrolliert wurde – das zuständige Jugendamt hatte auf das Wohlergehen des Kindes zu achten. Wenn sie sich ausschließlich auf die Kirche fixieren und andere mögliche Verantwortungsträger, hier das Jugendamt, nicht in die Pflicht nehmen, dann handeln Betroffenenanwälte nicht im Interesse ihrer Mandanten. Daraus sollten sie lernen.
Ein Nicht-Priester hätte gar nicht so handeln können wie der Täter
Zweitens muss das Gericht sich selbst kritischen Fragen stellen. Natürlich stimmt es, dass man aus der katholischen Lehre über den sakramentalen Charakter des Priestertums keine unmittelbare zivilrechtliche Haftung der Kirche für alles ableiten kann, was ein Priester tut oder lässt. Im Fall F. war die Kirchenleitung allerdings intensiv mit dem geplanten Pflegeverhältnis befasst, der spätere Missbrauch fand einem Pfarrhaus statt, der Täter führte das Kind in die Sakramente von Beichte und Kommunion ein und hatte damit auch psychologisch einen enormen Einfluss auf sein Opfer. Ein Nicht-Priester hätte gar nicht so handeln können wie der Missbrauchstäter Hans-Bernhard U. Wieso spielt das im ganzen Urteilstext keine Rolle?
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Und drittens ist da das Erzbistum Köln. Selbst wenn das Urteil Bestand haben sollte und dem Erzbistum die offensichtliche Nachlässigkeit, die zu Zeiten von Joseph Kardinal Höffner geherrscht hat, zivilrechtlich nicht zur Last gelegt werden kann: Nicht jedes moralische Versäumnis ist justiziabel, aber die moralische Schuld kirchlicher Amtsträger ist kaum sinnvoll zu bestreiten. Das Erzbistum mag keine Anhaltspunkte für einen möglichen Missbrauch des Pflegeverhältnisses gehabt haben. Höffners Leute haben jedoch auch nicht näher hingesehen, nachdem das Erzbistum dieses außergewöhnliche Pflegeverhältnis zugelassen hatte.
Die katholische Kirche ist in diesem Fall weit hinter ihren Ansprüchen zurückgeblieben. Um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen sollte sie auf die Klägerin zugehen und ihr Hilfen weit über das hinaus anbieten, was bisher seitens der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen bewilligt wurde.