Im Jahr 1627: Als eine der ersten Hexen-Angeklagten in der Eifel rief Christina Boßhammer das Rechtsgericht in Speyer an.
Geständnis bei FolterChristina Boßhammer wurde in Schmidtheim als Hexe hingerichtet

Rechts ist eine Hexenverbrennung, auf der linken Seite des Bildes ist ein Hexensabbat dargestellt. Die Aufnahme stammt aus der Wickiana, 1579, einer Sammlung von Flugblättern und Illustrationen aus dem 16. Jh..
Copyright: Repro/Erika Münster-Schröer
Der Geschichtsverein des Kreises Euskirchen greift Hexenprozesse der frühen Neuzeit wiederholt in Publikationen und Vorträgen auf. Das Thema übt eine ungebrochene Faszination bis in die Gegenwart aus. Allerdings fehlen häufig Belege für die Prozesse. Oder sie sind unvollständig. Die Faktenlage ist demnach schwierig. Für die ehemalige Herrschaft Schmidtheim gibt es aber ungewöhnlich gut erhaltene Dokumente, die spannende Einblicke in menschliche Abgründe enthalten. Hieraus speist sich der folgende Bericht.
Unter Folter gesteht Christina Boßhammer, eine Hexe zu sein. Ihr Prozess hätte eigentlich ausgesetzt werden müssen. Ein Gegenurteil des Hofrats Dr. Glaser zu ihrer Verdächtigung als Hexe ist zwar gerade mit den Prozessakten auf dem Rückweg von Speyer nach Arloff – für Christina Boßhammer kommt es aber zu spät. Nach ihrem erzwungenen Geständnis wird sie hingerichtet.
Für Hexenprozesse in der Eifel fehlt es oft an Dokumenten
Hexenprozesse wie dieser kamen während der frühen Neuzeit in mehreren Dorf- und Stadtgemeinden der Eifel vor. Rita Vollmer, Herausgeberin des Buchs „Herren und Hexen in der Nordeifel“, das in einer Reihe des Geschichtsvereins des Kreises Euskirchen erschienen ist, schreibt von einer schwierigen Faktenlage in der Region. Belege, wenn überhaupt vorhanden, seien oft unvollständig. Als aussagekräftige Beispiele ließen sich aber die mindestens 60 Hexenprozesse Ende des 16. Jahrhundert und Anfang des 17. Jahrhunderts in Schmidtheim anführen. Die Hexenkarte auf der Website des Geschichtsvereins des Kreises Euskirchen bietet eine geografische Übersicht mit Fakten zu Prozessen in der Region.
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Für Schmidtheim sind die Gerichtsprotokolle gemäß Rita Vollmer zu etwa 80 Prozent erhalten. Die 60 Prozesse wurden in einer hohen Dichte geführt angesichts der nur etwa 50 Haushalte mit etwa 300 Personen, die in der „Prunkherrschaft“ Schmidtheim existiert haben sollen. Es kursiert auch die Zahl von 100.000 Eifeler Hexenprozessen, mit der der Schriftsteller Hans-Peter Pracht arbeitet. Dieser Einschätzung stimmt Vollmer nicht zu.
Beschuldigungen als Hexe oder Hexer konnten „wirklich jeden treffen“
Das Besondere an dem Fall von Christina Boßhammer aus dem Jahr 1627 ist, dass sie als eine der ersten Angeklagten in der Eifel das Reichskammergericht in Speyer angerufen hatte, wie Gabriele Rünger, Vorsitzende des Kreisgeschichtsvereins, im Gespräch mit dieser Zeitung sagt. Christina Boßhammer war außerdem Mutter des Pfarrers Eberhard Boßhammer. Ihr Hexenprozess habe aber weder den Ruf des späteren Landdechanten noch den des Ehemanns Johann Boßhammer beeinträchtigt, wie Gabriel Rünger schildert.
Als Ehefrau des Weingartener Schultheißen, sprich des damaligen Gemeindevorstehers, gehörte Christina Boßhammer zur Oberschicht. Vor einer Anklage als Hexe schützte sie der privilegierte Status dennoch nicht.

Verbrennungshütten wurden extra gebaut, um dort Hexen und Hexer vor den Augen der gesamten Dorfgemeinschaft hinzurichten. Die Darstellung ist von einem Kupferstich aus 1700 abfotografiert worden.
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„Es konnte wirklich jeden treffen“, sagt Rünger. Im Buch „Frauen. Zwischen Fremd- und Selbstbestimmung“ schreibt sie mit Karin Trieschnigg: „Jeder Versuch, eine Hexe/einen Hexer zu typisieren, kann [...] ad absurdum geführt werden. Denn in den erhaltenen Quellen zu den Hexereiverfahren in der Nordeifel werden junge, alte, reiche oder arme Frauen, Männer, Kinder und sogar Priester angeklagt.“ Die Beschuldigungen angeblicher Hexen waren ihr zufolge unabhängig vom Geschlecht und wurden nur an fantasierten Indizien festgemacht. „Die Vorstellung, Hexen könnten auf einem Besen herumreiten, ist ja völliger Unsinn und nicht beweisbar“, nennt sie ein Beispiel.
Vom Volksglauben gestützt, konnten Menschen sich beispielsweise an bestimmten Personen rächen. Christina Boßhammer könnte vorgeworfen worden sein, eine Kuh verhext, die Ernte durch Zauberhand zerstört oder einen Mann impotent gemacht zu haben – ob als Vorwand für eine persönliche Abrechnung oder aus verblendeter Gottesfurcht, lässt sich nicht sagen. „Da steckte schon eine Masse an Menschen dahinter. Viel Logik sehe ich darin nicht“, erklärt Rünger: „Man glaubte an Gott und fürchtete den Teufel.“
Nadelprobe und Geständnisse unter Folter
Nach Rüngers Angaben war die Nadelprobe die am stärksten verbreitete Methode im Rheinland, um zu überprüfen, ob jemand eine Hexe oder ein Hexer sei. „Die angeklagte Person bekommt die Augen verbunden und man sticht in Hautmale hinein. Wenn es nicht blutet und kein Schmerz empfunden wird, ist das ein Beweis, dass man der Hexerei schuldig ist.“ Grundsätzlich sollte die Nadelprobe vom Scharfrichter ausgeübt werden, Gabriele Rünger spricht aber von Berichten, nach denen häufig auch andere Beteiligte des Prozesses auf die verdächtigte Person eingestochen haben.
Diese Probe gehörte noch nicht zur Folter. Das Perfide an der Folter: „Man hört dann alles, was man hören möchte“, so Gabriele Rünger. Damit wurden etwa unter Schmerzen Indizien wie die Teilnahme am Hexensabbat eingeräumt. „Nach der Folter konnte man widerrufen“, sagt die Historikerin: „Wenn man dreimal nach der Folter widerrufen hatte, musste man freigesprochen werden – aber wer hält das durch?“ Derartige Fälle sind der Historikerin nur als vereinzelte Ausnahmen untergekommen.
Populistische Anschuldigungen suchen auch die Neuzeit heim
Geläufige Hexenklischees der Neuzeit wie die rote Haarfarbe oder die Walpurgisnacht sind laut Gabriele Rünger Vorstellungen aus dem 20. Jahrhundert. Zur Zeit der Hexenprozesse sollen sie keine Rolle gespielt haben.
Eine Fortführung darin, Menschen ohne Beweise zu verurteilen, sieht die Expertin allerdings im gegenwärtigen Populismus. Früher seien Menschen unter nicht nachprüfbaren Indizien als Hexen verurteilt worden, heute treffe dies andere Gruppen, die als Sündenböcke für komplexere Zusammenhänge herhalten müssten.


