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Pistorius mit klaren Worten„Wir werden uns nicht in Putins Falle der Eskalation locken lassen“

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Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, spricht am Montag (29. September) beim Warschauer Sicherheitsforum

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, spricht am Montag (29. September) beim Warschauer Sicherheitsforum

Boris Pistorius hat bei einem Treffen in Warschau bekräftigt, dass Putin in keiner Weise an einem Frieden interessiert sei.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenminister Johann Wadephul haben bei Treffen mit mehreren europäischen Kollegen in Warschau zu einer entschlossenen und zugleich besonnenen Reaktion auf mutmaßliche russische Provokationen aufgerufen.

Die jüngsten Luftraumverletzungen in mehreren EU-Ländern hätten gezeigt, „dass Russland zunehmend zu einer Bedrohung für die Nato wird“, sagte Pistorius am Montag beim Warschauer Sicherheitsforum. Wadephul warnte vor Russlands „hybrider Aggression“ und mahnte wie Pistorius dazu, einen „kühlen Kopf“ zu bewahren. Pistorius sagte zu, dass Deutschland zur kollektiven Verteidigung des Nato-Luftraums beitragen werde.

Moskau teste die Nato-Verbündeten „mit zunehmender Häufigkeit und Intensität“, sagte Pistorius, der beim Sicherheitsforum in Warschau mit seinen Kollegen aus den Niederlanden und Estland auf der Bühne saß. Der russische Präsident Wladimir Putin versuche bewusst, „die europäische Sicherheit und die territoriale Integrität der europäischen Nationen zu untergraben“. Der Kreml-Chef werde aber keinen Erfolg damit haben.

„Das Bündnis hat auf die Provokation Russlands mit Klarheit, Einigkeit, Entschlossenheit und Besonnenheit reagiert“, betonte Pistorius. „Wir werden uns nicht in Putins Falle der kontinuierlichen Eskalation locken lassen. Wir behalten einen kühlen Kopf und bleiben standhaft und entschlossen.“ 

Pistorius: „Zweifellos“ will Putin den Krieg nicht beenden

Pistorius sagte weiter, „zweifellos“ wolle Putin den Krieg nicht beenden. Es sei an den Europäern, dafür zu sorgen, dass die Ukraine verteidigungsfähig bleibe. Weitere Gespräche über Friedensabkommen seien größtenteils Wunschdenken, da diplomatische Bemühungen keinen bedeutenden Durchbruch herbeigeführt hätten, so Pistorius.

Der Verteidigungsminister wählte klare Worte: „All dies lässt keinen Zweifel daran, dass Wladimir Putin keinen Waffenstillstand und keinen Frieden für die Ukraine will.“ Bevor es sinnvolle Verhandlungen über einen dauerhaften Frieden geben könne, müsse das angegriffene Land in eine Position der Stärke gebracht werden. 

Pistorius: Nato muss europäischer werden

Mit seinen Worten richtete sich Pistorius indirekt an die USA und erteilte den Gesprächsversuchen von US-Präsident Donald Trump, der sich im August sogar mit Putin in Alaska getroffen hatte, eine Absage. Europa müsse sich unabhängiger von den USA machen, so der Tenor des SPD-Politikers. „Wir müssen und werden mehr für die Verteidigung Europas tun. Die Nato muss europäischer werden, um ihre transatlantische Präsenz zu bewahren“, sagte Pistorius in Warschau.

Weite Teile Europa, so auch Deutschland, hätten nach der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 zu lange die Augen vor der Bedrohung verschlossen. Es brauche einen Mentalitätswandel, auch in der Bevölkerung. „Wir müssen uns klarmachen, dass es darum geht, unsere Lebensweise zu verteidigen“, sagt er.

Russland provoziert Nato mit Drohnen

In den vergangenen Wochen hatten die Nato-Länder Polen, Estland und Rumänien das Eindringen russischer Drohnen oder Militärflugzeuge in ihren Luftraum gemeldet. Die Nato wertete dies als gezielte Provokationen Moskaus, der Kreml wies die Vorwürfe zurück. In Dänemark führten mehrere Drohnen-Vorfälle zur vorübergehenden Schließung von Flughäfen. In der Nacht zum Freitag waren laut Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) „Drohnen-Schwärme über Schleswig-Holstein festgestellt“ worden.

Der Verteidigungskommissar der Europäischen Union, Andrius Kubilius, plädierte in Warschau erneut für die Errichtung eines „Drohnenwalls“ und sagte, man müsse die Ukraine bitten, der EU zu helfen. Denn sie habe auf dem Gebiet der Drohnenabwehr mehr Expertise. Der niederländische Verteidigungsminister Ruben Brekelmans sagte ebenfalls: „Wir können von der Ukraine lernen.“

Pistorius äußert sich zu russischen Drohnen über Deutschland

Verteidigungsminister Pistorius zeigte sich dagegen eher skeptisch, was die Umsetzung eines solchen „Drohnenwalls“ angeht. Er begrüße die Idee sehr, aber man sollte die Erwartungen dämpfen. „Wir sprechen hier nicht über ein Konzept, das in den nächsten drei oder vier Jahren umgesetzt werden kann“, sagte er bei der Podiumsdiskussion.

Von einem ukrainischen Journalisten wurde Pistorius gefragt, ob Deutschland russische Drohnen abschießen würde, die den Luftraum verletzten. Ein Clip der Pistorius-Antwort verbreitete sich in den sozialen Medien. Der Verteidigungsminister reagiert ausweichend, dies hänge von den Umständen und der Bedrohungslage ab. „Wenn eine Bedrohung besteht, würden wir sie natürlich abschießen, aber das hängt ganz von der Situation ab“, so Pistorius.

Außenminister Wadephul traf sich in Warschau mit dem polnischen Außenminister Radosław Sikorski und dem französischen Außenminister Jean-Noël Barrot zu Beratungen im Format des Weimarer Dreiecks. Später stieß der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha zu der Gesprächsrunde hinzu. Wadephul verurteilte die jüngste „Welle hybrider Angriffe“ auf Nato-Staaten. „Diese Aktionen sind kein Zufall, sondern Teil eines Musters, das unsere Lufträume, unsere kritische Infrastruktur, insgesamt unsere Verteidigungsbereitschaft ins Visier nimmt“, sagte er. „Russland will unsere Entschlossenheit testen, will Unruhe auslösen. Das ist gefährlich und muss klar und geeint beantwortet werden.“

Wadephul: „Nato ist jederzeit handlungsfähig“

Die Nato sei „jederzeit wachsam, sie ist jederzeit handlungsfähig und sie schützt jeden Zentimeter unseres Bündnisgebietes“, sagte Wadephul. Kein Mitgliedstaat werde mit diesen Bedrohungen allein gelassen. Die Botschaft an Moskau laute: „Europa und die Nato handeln geeint. Wir lassen uns nicht spalten. Wir lassen uns nicht einschüchtern.“

Wadephul mahnte einen besseren Schutz vor Drohnen an. „Gerade bei der Abwehr von Drohnen, darüber haben wir heute intensiv gesprochen, müssen wir unsere Fähigkeiten weiterentwickeln, schneller reagieren und unsere Systeme noch enger vernetzen.“ In der vergangenen Woche hatten acht an Russland oder die Ukraine angrenzende EU-Mitgliedstaaten sowie Dänemark und die Ukraine erstmals über Pläne für einen gemeinsamen Verteidigungswall gegen Drohnen beraten.

EU-Gipfel soll gegen Drohnen geschützt werden

Der Bundesaußenminister nahm ebenfalls am Warschauer Sicherheitsforum teil. Für den Nachmittag war zudem ein Gespräch unter vier Augen Sikorski angesetzt. Dabei sollte es insbesondere um die bilaterale Sicherheitszusammenarbeit gehen.

Am Mittwoch kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem informellen Gipfel in Kopenhagen zusammen, am Donnerstag folgt dort ein Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft. Frankreich erklärte am Montag, zur Drohnenabwehr während des zweitägigen Treffens 35 Soldaten, einen Hubschrauber und Gerät entsandt zu haben. Auch Deutschland und Schweden hatten ihre Unterstützung zur Absicherung des Gipfels zugesichert. (mit afp)