Trump zeigt sich nach Moskaus Rekordangriff „bereit“ für Druck, ein Ex-Nato-Chef will mehr als das und Kanzler Merz bekommt eine Erinnerung.
Entsetzen nach Putins Eskalation„Wir haben die Mittel, russische Fabriken anzugreifen – worauf warten wir noch?“

Feuerwehrleute kämpfen gegen einen Brand in einem Wohnhaus, der nach dem erneuten russischen Rekordangriff auf Kyjiw entstanden ist. (Archivbild)
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Es ist fast schon ein trauriges Ritual geworden: Während im Westen derzeit vor allem über die Absicherung eines möglichen Friedens in der Ukraine nachgedacht wird, stellt Russland mit neuen Rekordangriffen klar, dass es diesen Frieden nicht geben wird – und offenbar auch nicht geben soll.
Mehr als 800 Drohnen und Raketen waren es diesmal, die auf die ukrainische Hauptstadt Kyjiw niederprasselten. Auch der Regierungssitz wurde erstmals getroffen und fing Feuer. Ob es sich um gezielten Beschuss handelte oder der Brand durch Trümmer ausgelöst wurde, blieb zunächst jedoch unklar.
Rekordangriff: Russische Drohne tötet Mutter und Baby
Schlimmer noch: Erneut schlug eine von Putins Drohnen in einem Apartment ein. Eine 32-Jährige und ihr nur wenige Monate altes Baby wurden durch die Wucht der Explosion getötet. Und erneut herrscht im Westen nun Empörung und Entsetzen – wie schon nach dem letzten russischen Rekordangriff und dem davor. Und dem davor.
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„Jedes Mal, wenn jemand das Wort Frieden ausspricht, antwortet Russland mit noch mehr Terror“, stellte Maxime Prevot, Vizepremierminister von Belgien, am Sonntag fest. „Die letzte Nacht war eine beispiellose Eskalation“, fügte er auf X hinzu.
Wut im Westen: „Kreml verspottet die Diplomatie“
„Einmal mehr verspottet der Kreml die Diplomatie, tritt das Völkerrecht mit Füßen und tötet wahllos Menschen“, schrieb auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei X und versicherte, wie andere europäische Staatschefs auch, Europa werde weiterhin voll und ganz hinter der Ukraine stehen.
„Wir stärken die ukrainischen Streitkräfte, schaffen dauerhafte Sicherheitsgarantien und verschärfen die Sanktionen, um den Druck auf Russland zu erhöhen“, erklärte von der Leyen zudem.
Waffenstillstand erzwingen: „Wir haben alle Instrumente“
„Russland verstrickt sich immer tiefer in die Logik von Krieg und Terror“, hieß es derweil von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Frankreich hingegen werde sich weiterhin „mit der Ukraine und unseren Partnern“ für Frieden einsetzen, kündigte Macron an.

Flammen schlagen aus dem ukrainischen Regierungssitz in Kyjiw nach einem russischen Angriff auf die Hauptstadt. (Archivbild)
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Polens Ministerpräsident Donald Tusk fand deutlichere Worte. Es ergebe keinen Sinn, eine „entschlossene Reaktion gegen Putin weiter hinauszuzögern und zu versuchen, ihn zu beschwichtigen“, schrieb Tusk bei X. Die USA und Europa müssten Russland nun gemeinsam zu einem sofortigen Waffenstillstand zwingen. „Wir haben alle Instrumente dazu“, fügte Tusk an.
Trump bleibt vage: US-Präsident bereit für neue Phase
Auch US-Präsident Donald Trump reagierte am Sonntag auf das deutliche Signal aus Moskau, blieb dabei jedoch vage. Ob er bereit sei, die „zweite Phase“ bei Sanktionen gegen Russland einzuleiten, wurde Trump von einem Reporter gefragt. „Ja, bin ich“, lautete die knappe Antwort.
Was eine „zweite Phase“ konkret bedeuten könnte, blieb offen. Trump hatte bereits auf frühere russische Rekordangriffe mit Kritik an Putin und Drohungen reagiert, seinen Kurs gegenüber Moskau tatsächlich verschärft hat der US-Präsident seit seinem Amtsantritt jedoch nie.
Trump ergreift bisher keine Maßnahmen gegen Moskau
Im Gegenteil: Trump setzt bisher auf einen freundlichen Kurs und wirtschaftliche Annäherung an Moskau. Zuletzt importierten die USA etwa erstmals seit 1992 wieder Hühnereier aus Russland. „Sehr bald“ wolle er nun mit Wladimir Putin sprechen, kündigte Trump an.
Den Kremlchef können Trumps Annäherungsversuche jedoch offenbar nicht von seinem imperialistischen Kriegskurs abbringen. Immer wieder bekräftigte der Kreml in den letzten Wochen seine Bedingungen, immer noch kommen die einer ukrainischen Kapitulation gleich.
US-Minister: „Zusammenbruch“ Russlands ist erreichbar
Nun verschärfen Trump und sein Kabinett den Ton erneut. Die USA seien „darauf vorbereitet“, den Druck auf Russland zu erhöhen, erklärte US-Finanzminister Scott Bessent der „New York Times“ am Sonntag. Dafür sei jedoch die „Unterstützung unserer europäischen Partner“ notwendig, heiß es weiter.

Eine junge Ukrainerin sitzt vor einem Apartmentgebäude, nachdem eine russische Drohne das Haus getroffen hatte. Zwei Menschen starben bei dem Angriff. (Archivbild)
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Neue Sanktionen und Zölle gegen Länder, die russisches Öl kaufen, könnten, wenn die USA und Europa sie verhängen würden, für einen „vollständigen Zusammenbruch“ der russischen Wirtschaft sorgen, drohte Bessent. Dann würde Putin an den Verhandlungstisch kommen, so der US-Finanzminister.
„Es ist Zeit, diesem Mörder das Handwerk zu legen“
Auch bei Bessent blieb jedoch unklar, ob Washington entsprechende Schritte nun auch tatsächlich gehen will oder – wie bereits mehrfach zuvor – lediglich damit droht. Kritik an der bisherigen Zurückhaltung der US-Regierung wird indessen mittlerweile auch in den USA laut, und kommt durchaus auch von Parteikollegen.
„Präsident Trump traf sich vor drei Wochen mit Putin. Seitdem hat Putin sich mit seinen autoritären Kollegen getroffen, um gegen die USA zu konspirieren. Anschließend kehrte er nach Moskau zurück, um den größten Luftangriff auf die Ukraine seit Beginn seiner illegalen Invasion zu genehmigen“, stellte etwa der republikanische Senator Thom Tillis ernüchtert bei X fest und fügte an: „Es ist Zeit, diesem Lügner und Mörder das Handwerk zu legen.“
Ex-US-Botschafterin kritisiert Trumps Beschwichtigung
Noch direktere Kritik am US-Präsidenten kam derweil von der ehemaligen US-Botschafterin in der Ukraine, Bridget Brink. „Was passiert, wenn man einen Aggressor beschwichtigt? Mehr Krieg“, schrieb sie bei X und dürfte damit auf Trumps Kurs abgezielt haben.

Russland hat bei seinem jüngsten Rekordangriff erneut zivile Ziele wie Wohnhäuser attackiert. (Archivbild)
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„Wir müssen jetzt die Sanktionen verschärfen und russische Vermögenswerte im Wert von 300 Milliarden Dollar in Europa einsetzen, um die Ukraine aufzurüsten“, forderte Brink zudem. Eine amerikanische Führungsrolle sei dafür „wichtig“, fügte die Diplomatin an.
Ukraine: „Wir müssen Druck durch Sanktionen verstärken“
Auch in der Ukraine fand man deutliche Worte. Kyjiws Bürgermeister Vitali Klitschko sprach nach dem Angriff auf den Regierungssitz von einer „roten Linie“, die Putin überschritten habe. Der Kremlchef, das zeige der Angriff, sei „zu keiner diplomatischen Lösung bereit“, erklärte Klitschko. „Je öfter man Putin die Hand schüttelt, desto schießwütiger wird er“, stellte auch der ukrainische Diplomat Olexander Scherba fest.
Die ukrainische Regierungschefin Julija Swyrydenko zeigte derweil die Trümmer im Regierungssitz in einer Aufnahme in den sozialen Netzwerken. Die Welt dürfe „auf diese Zerstörung nicht nur mit Worten reagieren, sondern mit Taten“, forderte Swyrydenko. „Wir müssen den Druck durch Sanktionen verstärken, vor allem gegen das russische Öl und Gas“, fügte sie an. Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach sich am Sonntag für neue Sanktionen aus.
Ex-Nato-Chef Rasmussen: „Europa muss handeln“
Anders Fogh Rasmussen, ehemaliger dänischer Premierminister und Nato-Generalsekretär, ging derweil noch weiter als die amtierenden europäischen Politiker – und brachte mehr als bloß neue Sanktionen als Antwort ins Spiel. „Der Angriff auf Regierungsgebäude in der Ukraine zeigt, dass Europa jetzt handeln muss“, schrieb Rasmussen am Sonntag bei X.
Putin könne ungestraft weiter angreifen, während der Westen „sich in Beratungen verliert“, kritisierte der mittlerweile als Berater tätige dänische Politiker und brachte schließlich sogar ein militärisches Eingreifen ins Spiel: „Wir haben die Mittel, russische Drohnen abzuschießen und ihre Fabriken anzugreifen – worauf warten wir noch?“
Taurus: Strack-Zimmermann erinnert Merz an „Versprechen“
FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann erinnerte Bundeskanzler Friedrich Merz unterdessen an die deutschen Taurus-Marschflugkörper, die der Ukraine Angriffe tief in Russland ermöglichen würden.
Um die Zivilbevölkerung in der Ukraine zu schützen sei „die Unterstützung der Produktion von Drohnen in der Ukraine“ ebenso notwendig, wie die „sofortige Lieferung der Taurus-Marschflugkörper und damit die Einhaltung Merz’ Versprechens, wenn er Kanzler werde, würde er das auf den Weg bringen“, zitierte die Funke Mediengruppe die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament.
Merz, der sich vor seiner Wahl offen für eine Taurus-Lieferung gezeigt hatte, äußerte sich am Sonntag unterdessen nicht zum russischen Rekordangriff. (mit afp)