Rundschau-Debatte des TagesWie sollen die Verbraucher das bezahlen?
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Extreme Energiepreise, die Pandemie und ein Krieg in Europa: Das wird teuer.
Während Wirtschaftsminister Habeck an Entlastungen feilt, legt Finanzminister Lindner einen Etatplan vor – allerdings unter Vorbehalt.
Berlin – Nach nicht einmal 100 Tagen im Amt legt Finanzminister Christian Lindner seinen ersten Bundeshaushalt vor –doch es ist ein Haushalt unter Vorbehalt. Wenn das Zahlenwerk am Mittwoch im Kabinett beschlossen wird, ist schon klar: Am Ende wird es nicht so kommen. Wahrscheinlich braucht die Bundesregierung wegen des Ukraine-Kriegs deutlich mehr Geld, womöglich deutlich mehr Schulden, als der FDP-Politiker jetzt erst einmal eingeplant hat.
Der Plan
Der erste Aufschlag für den Etat 2022 stammt noch vom früheren Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Der heutige Kanzler hatte mit 99,7 Milliarden Euro Schulden geplant – vor der Omikron-Corona-Welle und vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Lindner hatte sich trotzdem zum Ziel gesetzt, Scholz' Kreditrahmen einzuhalten. So verlautete am Montag aus dem Ministerium, er werde dem Kabinett genau diese 99,7 Milliarden Schulden für den Kernhaushalt 2022 vorschlagen.
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Das wichtige Detail
Wichtig ist dabei das Wort „Kernhaushalt“. Denn dazu könnten 100 Milliarden Euro Schulden für die geplante Finanzspritze in der Verteidigungspolitik kommen. Außerdem arbeitet das Ministerium schon an einem Ergänzungshaushalt, einer Art Update während des Verfahrens. Lindners Haushälter wollen neue Zahlen vorlegen, noch bevor der Bundestag die alten beschlossen hat.
Der Ergänzungshaushalt soll abbilden, was derzeit politisch zwar heiß diskutiert wird, aber noch nicht spruchreif ist: Wie und zu welchen Kosten sichert man angesichts des Kriegs in der Ukraine die Energieversorgung? Wie muss man die Bürger angesichts der hohen Energiepreise weiter entlasten? Ebenfalls unsicher ist, wie sich die Wirtschaft angesichts des Kriegs entwickelt.
Welche Vorschläge zur Entlastung diskutiert werden
Angesichts der steigenden Preise für Energie wegen des Ukraine-Kriegs will die Bundesregierung die höheren Kosten für Verbraucher rasch mit Entlastungsmaßnahmen abfedern – über die Ausgestaltung wird noch diskutiert, ebenso über ein mögliches Boykott von russischem Gas, was jedoch die bereits vor Kriegsausbruch steigenden Endpreise für Verbraucher nochmals treiben würden. Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner kündigte am Montag an, dass nun „in sehr kurzer Zeit ein wirksames und effektives Paket“ abgestimmt werden solle; laut SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert soll das Paket noch in dieser Woche geschnürt werden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits am Sonntagabend ein weiteres Entlastungspaket für Verbraucher angekündigt. Konkrete Maßnahmen sollten die „verschiedenen Energieträger“ in den Blick nehmen, sagte er. Derweil kündigte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) an, Autofahrer mit einem Spritpreis-Rabatt entlasten zu wollen. Die „Bild“-Zeitung hatte zuvor berichtet, Lindner wolle erreichen, dass Autofahrer beim Bezahlen an der Tankstelle den Rabatt erhalten; den Tankstellenbetreibern solle der Rabattbetrag anschließend vom Bund erstattet werden. Die konkrete Höhe des Rabattbetrages stehe aber noch nicht fest. Er könne womöglich bei 20 Cent je Liter liegen, möglicherweise auch darüber.(afp)
Das Timing
Dem Etat liegt noch die Januar-Prognose zugrunde – also eine Vorkriegs-Prognose. Derzeit lasse sich einfach nicht verlässlich abschätzen, ob und in welcher Höhe weitere Schulden nötig seien, heißt es im Finanzministerium. „Da fahren wir auf Sicht.“ Warum legt Lindner seine vorläufigen Zahlen dann jetzt überhaupt vor? Vor allem, weil die Zeit drängt. Der Haushalt wird wegen der Bundestagswahl im vergangenen Herbst ohnehin viel später beschlossen als üblich. Weitere Verzögerungen will man vermeiden, um den Ministerien Sicherheit zu geben, was sie ausgeben dürfen.
Die Rechenkünstler
Lindners Haushälter schaffen es, die von Scholz vorgelegten 99,7 Milliarden einzuhalten, obwohl seitdem einige neue Ausgaben beschlossen wurden. Eingerechnet ist zum Beispiel das Entlastungspaket für die Bürger mit veränderten Abschreibungsregeln für die Wirtschaft, Coronazuschuss für Leistungsempfänger, Heizkostenzuschuss für Bedürftige und Kindersofortzuschlag. Für Gasreserven sind 1,5 Milliarden eingeplant, außerdem humanitäre Hilfe im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.
Finanzierbar wird das durch höhere Steuereinnahmen, aber auch, weil Corona-Fördermittel weniger genutzt wurden als gedacht. Die letzten zwei Milliarden Euro holen die Haushälter raus, indem sie die „globale Minderausgabe“ von sechs auf acht Milliarden erhöhen. Das sind nicht näher bezifferte Sparvorgaben, man setzt also darauf, dass die Ressorts weniger Geld brauchen werden.
Die Schulden
Im kommenden Jahr soll und muss die Schuldenbremse aus Lindners Sicht dann wieder eingehalten werden. „Der Haushalt 2022 ist aus heutiger Sicht der letzte Pandemie-Haushalt“, heißt es im Ministerium. Das bedeutet auch, dass man danach keine Ausnahme von der Schuldenbremse mehr machen darf. Die Regelung im Grundgesetz erlaubt so etwas nur in Notlagen. Für den Etat 2023 plant Lindner daher mit 7,5 Milliarden Euro Schulden – genau soviel, wie nach Grundgesetz erlaubt ist. (dpa)