Steuersenkungen in enormem Ausmaß sollen den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken und die Konjunktur ankurbeln. So stellt es sich die schwarz-rote Regierung vor. Ein Schlüsselelement sind schnellere Abschreibungen.
Rundschau-Debatte des TagesWas taugt der „Wachstumsbooster“ für die deutsche Wirtschaft?

Die Abschreibungsregeln sollen dafür sorgen, dass Unternehmen moderne Maschinen anschaffen. (Symbolbild)
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Milliardenschwere Steuerentlastungen sollen der deutschen Wirtschaft aus ihrer Krise helfen. Der Bundestag hat ein Gesetz beschlossen, das unter anderem erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten für Maschinen bereits zum 1. Juli vorsieht. Das soll dafür sorgen, dass Firmen wieder mehr investieren.
„Das ist das, was diese Regierung sich vorgenommen hat: Die wirtschaftliche Stärke, das Wachstum, die Sicherung von Arbeitsplätzen nach ganz vorne zu stellen“, sagte Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) in der Bundestagsdebatte. Für die schwarz-rote Koalition ist die Ankurbelung der schwachen Wirtschaft eins der dringendsten Themen, denn Deutschland droht das dritte Jahr in Folge ohne Wirtschaftswachstum. Die Steuerentlastungen werden für den Staat allerdings teuer.
Was verspricht sich die Bundesregierung von dem neuen Gesetz?
Üblicherweise schreiben Firmen ihre neuen Maschinen, Geräte und Fahrzeuge über die Jahre ihrer Nutzung linear ab. Dies soll nun von 2025 bis 2027 deutlich schneller möglich sein. Vorgesehen ist die Möglichkeit einer degressiven AfA („Absetzung für Abnutzung“) von jährlich je 30 Prozent, sodass die Anschaffung schon binnen drei Jahren steuerlich weitgehend abgeschrieben ist. So sinkt direkt nach der Anschaffung der buchhalterische Gewinn und damit die Steuerlast. Der Effekt ist allerdings befristet: Anfangs sind die Abschreibungen höher, dann sinken sie mit den Jahren.
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Wenn dieser sogenannte „Booster“ ausgelaufen ist, soll ab dem Jahr 2028 schrittweise die Körperschaftsteuer sinken – also der Steuer auf Einkommen juristischer Personen wie Kapitalgesellschaften und Genossenschaften. Sie beträgt derzeit 15 Prozent. Geplant ist, dass sie ab 2028 um jeweils einen Prozentpunkt bis 2032 auf dann zehn Prozent abgesenkt wird. Die Gesamtsteuerbelastung für die Firmen soll dann knapp 25 statt aktuell knapp 30 Prozent betragen. Der AfD kommt das viel zu spät. Einen echten Wachstumsimpuls für die Wirtschaft werde es deshalb nicht geben, sagte der Abgeordnete Christian Douglas.

Unternehmen sollen bald Vorteile bekommen, wenn sie sich ein betrieblich genutztes Elektroauto zulegen. (Archivfoto)
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Außerdem soll der Kauf eines reinen Elektroautos für Unternehmen steuerlich attraktiver werden. Wer sich ein neues betrieblich genutztes E-Auto anschafft, soll bereits im Kaufjahr 75 Prozent der Kosten steuerlich abschreiben können. So sollen sich auch kleine Betriebe wie etwa Handwerker neue E-Autos leisten können und der schwächelnden deutschen Autoindustrie einen Schub geben. Die Preisgrenze für die besondere steuerliche Förderung soll von derzeit 70.000 auf 100.000 Euro angehoben werden. Die Maßnahmen sollen für alle E-Fahrzeuge gelten, die zwischen Ende Juni dieses Jahres und Ende 2027 neu angeschafft werden.
Um Investitionen in Forschung und Entwicklung anzukurbeln, soll zudem die sogenannte Forschungszulage ausgebaut werden. So ist vorgesehen, die Obergrenze zur Bemessung der Zulage von zehn auf zwölf Millionen Euro anzuheben – von 2026 bis 2030. Die Zulage soll außerdem auf zusätzliche Gemein- und sonstige Betriebskosten ausgeweitet werden.
Wie soll der „Wachstumsbooster“ den Firmen konkret helfen?
Nach Ansicht von Experten investieren deutsche Unternehmen zu wenig in ihre Zukunft – dabei könnten modernere Maschinen helfen, mehr und besser zu produzieren. Die degressive Abschreibung entlastet nun vor allem in der unmittelbaren Phase nach einer Investition. Firmen hätten dadurch sehr schnell wieder Geld zur Verfügung und könnten neu investieren, erläuterte Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU). Das Gesetz sei deshalb „genau der richtige Schritt, die deutsche Wirtschaft endlich wieder im dritten Jahr der Rezession in Fahrt zu bringen“.
Das Problem: Die Maßnahme funktioniert nur bei Unternehmen, die initial ausreichend Geld für den Kauf von Maschinen und Geräten haben. Außerdem zögern viele Unternehmen beim Investieren auch wegen der volatilen internationalen Lage und der erratischen Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump – das dürfte sich kaum ändern.
Die Grünen-Finanzexpertin Katharina Beck betonte zudem, neue Abschreibungsregeln seien allein keine Investitionsgarantie. Das Geld könne beispielsweise auch an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Auch der Linken-Abgeordnete Christian Görke zweifelte an, dass Steuersenkungen tatsächlich zu mehr Investitionen führen.
Warum gab es im Vorfeld Streit mit den Ländern um das neue Gesetz?
Steuersenkungen führen auf der anderen Seite beim Staat zu weniger Einnahmen. Beim „Wachstumsbooster“ geht es um rund 48 Milliarden Euro, um die die Unternehmen entlastet werden sollen – und die sich als Minus in den öffentlichen Haushalten wiederfinden. Das sollte ursprünglich zu großen Teilen auch von Ländern und Kommunen getragen werden. Konkreter: Den Kommunen drohten Einnahmeverluste von 13,5 Milliarden Euro, den Ländern von 16,6 Milliarden, der Bund sollte 18,3 Milliarden Euro schultern.
Die Länder verlangten deshalb einen finanziellen Ausgleich, vor allem für die teils hoch verschuldeten Kommunen. Sie drohten, das Paket bei der finalen Abstimmung am 11. Juli im Bundesrat scheitern zu lassen.
Welche Lösung wurde am Ende mit den Ländern gefunden?
Der Bund übernimmt die Steuerausfälle der Kommunen nun vollständig – befristet bis zum Jahr 2029. Weil die Bundesregierung aber nicht einfach Geld an die Länder überweisen darf, passiert das über einen veränderten Schlüssel für die Verteilung der Einnahmen aus der Mehrwertsteuer.
Um die Länder zu entlasten, investiert der Bund zudem zwischen 2026 und 2029 zusätzliche acht Milliarden Euro in Kitas, andere Bildungseinrichtungen und moderne Krankenhäuser. Damit wird auf einem Umweg etwa die Hälfte der Steuerausfälle der Länder abgefedert. Nun wird damit gerechnet, dass das Gesetz nach dem Bundestag auch den Bundesrat ohne größere Probleme passiert. (dpa/mit afp)