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Fischkutter gebrochenMindestens 43 tote Migranten nach Bootsunglück in Süditalien

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Patrouillenboot fährt mit dem Boot der Migranten in den Hafen ein.

Vor der italienischen Küste ist es zu einem Bootsunglück mit Migranten gekommen sein. (Symbolbild)

Die Leichen sollen an einem Strand in Kalabrien und im Meer entdeckt worden sein.

Überlebende verharren in Decken gehüllt am Ufer, Rettungskräfte bergen Leichen aus dem Ionischen Meer: Erste Fotos zeigen das Ausmaß des Bootsunglücks vor der süditalienischen Küste.

Medienberichten zufolge sind dabei mindestens 43 Migranten ums Leben gekommen. Die Leichen seien am Strand Steccato di Cutro in der Provinz Crotone in Kalabrien und im Meer entdeckt worden, meldeten die italienische Nachrichtenagentur Ansa und der Fernsehsender RAI.

Bootsunglück vor Süditalien: Opferzahl könne noch deutlich steigen

Woher die Menschen kamen und wo sie in See gestochen waren, war zunächst noch nicht bekannt. Laut Ansa handelte es sich bei dem Unglücksboot um einen Fischkutter, dagegen sprach die italienische Finanzpolizei von einem Holzboot vom Typ Gulet. Darunter versteht man einen meist zweimastigen Motor-Segler.

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Die Feuerwehr hatte zunächst 28 geborgene Leichen betätigt. Die Küstenwache bezifferte die Zahl laut Ansa auf 43. Die Opferzahl könne noch deutlich steigen, weil viele Leichen noch nicht aus dem Meer geborgen seien, hieß es. Es gebe 80 Überlebende, von denen 21 ins Krankenhaus gebracht worden seien, meldete Ansa. Diese hätten von mindestens 250 Menschen an Bord berichtet. Laut Ansa waren auch viele Kinder und Frauen unter den Opfern. Ein Teil der Toten trieb auf dem Meer, andere seien am Strand gefunden worden.

Steccato di Cutro ist ein Seebad in der Gemeinde Cutro am Zeh des italienischen Stiefels. Dort gib es verschiedene größere Hotels.

Hilfsorganisationen zeigten sich entsetzt. „Es ist menschlich inakzeptabel und unverständlich, warum wir immer wieder solche vermeidbare Tragödien erleben müssen. Es ist ein Faustschlag in den Magen“, schrieb Sergio Di Dato, Projektleiter bei Ärzte ohne Grenzen auf Twitter.

„Dies ist ein böses Erwachen, das die Gemeinschaft aufwecken muss, damit ähnliche Tragödien nicht passieren“, schrieb der Präsident des italienischen Roten Kreuzes, Rosario Valastro, auf Twitter.

Matteo Piantedosi fordert schärferes Vorgehen gegen Schleuser

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zeigte sich am Sonntag entsetzt über das Unglück. „Es ist kriminell, ein kaum 20 Meter langes Boot mit gut und gern 200 Personen an Bord bei schlechten Wettervorhersagen aufs Meer zu schicken“, schrieb sie. Ihre Regierung bemühe sich zu verhindern, dass solche Boote überhaupt ablegten. Sie fordere dabei ein Maximum an Kooperationsbereitschaft der Ausgangs- und Herkunftsländer. Ähnlich äußerte sich ihr Innenminister Matteo Piantedosi. „Dies ungeheure Tragödie zeigt, wie es absolut notwendig ist, mit Härte gegen die Netze der irregulären Einwanderung vorzugehen, in denen skrupellose Schlepper operieren“, schrieb er.

Papst betet für Opfer und Überlebende

Papst Franziskus sagte nach dem Angelusgebet auf dem Petersplatz in Rom, er bete für die Opfer, die Vermissten und die Überlebenden.

Jedes Jahr versuchen Tausende Migranten auf oft wenig seetauglichen Booten aus Nordafrika nach Italien und damit nach Europa zu gelangen. Viele versuchen auch aus Griechenland über das Ionische Meer Italien zu erreichen. Nach einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2014 mehr als 25.000 Menschen beim Versuch, auf der Mittelmeerroute nach Europa zu kommen.

April 2015: Schweres Unglück vor libyscher Küste mit 800 bis 900 Toten

Bei einer der schwersten Flüchtlingskatastrophen kamen im April 2015 vor der libyschen Küste zwischen 800 und 900 Menschen um. Das vollkommen überfüllte Schiff war gesunken, weil die Menschen an Bord in Panik geraten waren, als ein anderes Schiff zur Rettung nahte. Das Wrack wurde vom Meeresgrund geborgen, ein Schlepper Ende 2016 in Catania (Sizilien) zu 18 Jahren Haft verurteilt.

Ein Dekret der Regierung Meloni, das mit der Verabschiedung durch den Senat vergangene Woche Gesetz wurde, erschwert die Arbeit ziviler Seenotretter erheblich. So müssen sie nun schon nach der ersten Rettungsaktion einen italienischen Hafen ansteuern, anstatt womöglich mehrere Rettungen durchzuführen. Zudem werden ihnen oft Häfen zugewiesen, die weit vom Einsatzgebiet im zentralen Mittelmeer entfernt liegen, womit sie tagelang unterwegs sind. Allerdings kommt nur ein kleiner Teil der Migranten mit Rettungsschiffen wie der „Ocean Viking“ oder der „Geo Barents“ nach Italien. Der Großteil erreicht das italienische Festland und die Inseln ohne fremde Hilfe.

Nach Angaben des italienischen Innenministeriums sind in diesem Jahr bis einschließlich Donnerstag schon 13.067 Migranten auf dem Seeweg ins Land gekommen, weit mehr als doppelt so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum (5273). Ein neues Gesetz der rechten Regierung von Giorgia Meloni, das in der vorigen Woche vom Senat verabschiedet wurde, erschwert zudem die Arbeit ziviler Seenotretter. Der Großteil der Migranten gelangt allerdings mit eigenen Schiffen und Booten nach Italien. (dpa, red)

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