Der US-Präsident hat sich lobend über die Ukraine geäußert und eine Drohung Richtung Kreml geschickt. Beobachter sind allerdings zurückhaltend.
„Bis zum nächsten Anruf Putins“Trump macht Kehrtwende bei Selenskyj-Besuch – und löst Skepsis aus

US-Präsident Donald Trump trifft den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 23. September in New York.
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Nur wenige Stunden nach seiner bemerkenswerten Rede vor der UN hat Trump beim Ukraine-Thema eine Kehrtwende hingelegt: Der US-Präsident lobte das angegriffene Land für seinen Abwehrkampf und ermutigte Kiew sogar, russisches Gebiet zurückzuerobern. Trumps Äußerungen fielen im Rahmen eines Gesprächs mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Rande der UN-Vollversammlung in New York.
In seiner Rede war Trumps Kritik an Russland noch knapp ausgefallen. Der Krieg gegen die Ukraine lasse Moskau „nicht gut aussehen“, sagte der 79-Jährige vor dem Plenum. Auch schärfere Sanktionen wurden von ihm erneut mit Forderungen an die europäischen Länder verknüpft. Das bekannte Problem dabei: Ausgerechnet die engen US-Partner Ungarn und die Türkei halten sich nicht an Trumps Aufruf, die russischen Öl-Importe zu drosseln.
Trump: Ukraine sollte Gebiete zurückgewinnen
Nach seinem Treffen mit Selenskyj klang dies allerdings ganz anders, Trump schrieb auf seiner Plattform Truth Social: „Nachdem ich die militärische und wirtschaftliche Lage zwischen der Ukraine und Russland kennengelernt und vollständig verstanden habe und gesehen habe, welche wirtschaftlichen Probleme sie Russland bereitet, denke ich, dass die Ukraine mit Unterstützung der Europäischen Union in der Lage ist, zu kämpfen und die gesamte Ukraine in ihrer ursprünglichen Form zurückzugewinnen“, so Trump.
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Trump bezeichnete Russland zudem als einen „Papiertiger“, der wirtschaftlich in Not sei. Zum Auftakt des Gesprächs hatte Trump bereits gesagt, er habe „großen Respekt vor dem Kampf der Ukraine. Das ist wirklich beeindruckend.“
In der US-Öffentlichkeit wurden diese scharfen Worte als Botschaft an den russischen Präsidenten Wladimir Putin gewertet, zurück an den Verhandlungstisch zu kehren und den US-Präsidenten, der sich einen Friedensschluss zwischen Russland und der Ukraine bereits im US-Wahlkampf auf die Fahnen geschrieben hatte, nicht länger hinzuhalten.
Rubio: Trumps Geduld ist nicht unendlich
Selenskyj selbst sprach nach dem Gespräch mit Trump von einer „großen Kehrtwende“. Er dankte Trump zudem für dessen „persönliche Bemühungen, den Krieg zu beenden“, und pflichtete dem US-Präsidenten in der Forderung bei, dass die europäischen Staaten den Import russischen Öls sofort beenden sollten.
Trumps Außenminister Marco Rubio erklärte Trumps neuen Ton mit Russlands Verschleppung eines Friedensprozesses. Der US-Präsident habe „außerordentliche Geduld“ bewiesen und auf einen diplomatischen Durchbruch zur Beendigung des Ukraine-Kriegs gehofft. Doch nach einer Phase der Stagnation sei nun „eine Phase potenzieller Eskalation eingetreten“. „In den letzten Nächten und davor gab es die historisch höchste Zahl an Angriffen“, sagte Rubio. Zudem beobachteten die USA, dass Lufträume verletzt werden und Drohnen und Flugzeuge ins Hoheitsgebiet benachbarter Länder eindringen.
Wie lange hält Trumps Unterstützung der Ukraine an?
Beobachter sehen sich von Trumps zumindest verbaler Kehrtwende in ihrer Auffassung bestätigt, dass der US-Präsident sich häufig die Meinung des Gesprächspartners zu eigen machen, den er zuletzt getroffen hat. Auch die Reaktionen von europäischen Vertretern auf die jüngsten Äußerungen Trumps fielen nach einem Bericht von „Politico“ verhalten aus. Trump sei „immer nur einen Anruf von Putin entfernt davon, etwas zu tun, was nicht so toll ist“, wird ein spöttischer EU-Vertreter zitiert.
Dies spielt darauf an, dass Trumps Verhalten besonders dann problematisch wird, wenn er mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Kontakt tritt. Nach der im Vorfeld mit Spannung erwarteter Zusammenkunft mit Putin in Alaska war von Trumps vollmundig angekündigten Russland-Sanktionen wenig übrig geblieben. Auch von einem Waffenstillstand im Krieg mit der Ukraine war nicht mehr die Rede.
Dies führt zu einem Schlingerkurs in Trumps Ukraine-Politik. Auch die von Selenskyj nun in New York ausdrücklich begrüßten Statements von Trump dürften in der Ukraine nicht dazu führen, in Jubelstürme auszubrechen oder auf eine wirkliche Wende zu hoffen. Das Misstrauen ist groß, auch wenn die jüngsten Entwicklungen positiv aufgenommen wurden. Vergessen dürfte in Kiew nicht das desaströse Treffen im Weißen Haus vom Februar sein, als Selenskyj vor laufenden Kameras von Trump gedemütigt wurde. (mit afp, dpa)