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Trump-Forderung zur Verteidigung„Jenseits von Gut und Böse“ – SPD-Politiker über Wadephul-Ankündigung

Lesezeit 7 Minuten
Außenminister Johann Wadephul (CDU) will die Ausgaben für die Verteidigung erhöhen (Symbolbild von Bundeswehrsoldaten).

Außenminister Johann Wadephul (CDU) will die Ausgaben für die Verteidigung erhöhen (Symbolbild).

Die USA fordern fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung. Der Außenminister hat nun zugestimmt. Das kommt nicht bei allen gut an.

Deutschland stellt sich hinter die Forderung von US-Präsident Donald Trump nach einer massiven Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten auf jeweils fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung. Man folge Trumps Einschätzung, dass dies notwendig sei, sagte Außenminister Johann Wadephul (CDU) bei einem Nato-Treffen in der Türkei. Zuvor hatte er dort erstmals seit Amtsantritt seinen US-Amtskollegen Marco Rubio getroffen.

Wadephuls Ankündigung löste Überraschung bei Beobachtern aus. Aus der SPD kam vereinzelt Kritik, ein Streit über die Verteidigungsausgaben innerhalb der Koalition deutet sich an. Heftig fielen die Reaktionen bei Linken und BSW aus. 

Derzeit sieht das Nato-Ziel für die Verteidigungsausgaben jährliche Ausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor - es wird von diversen EU-Ländern und auch Kanada bislang nicht erreicht. Deutschland lag zuletzt bei einer Quote von etwas mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung.

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Fünf Prozent für Verteidigung - Was würde Deutschland das kosten?

Nach Angaben von Kanzler Friedrich Merz (CDU) würde jeder Prozentpunkt mehr für Deutschland derzeit ungefähr ein Plus von 45 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben bedeuten. Bei fünf Prozent wären derzeit Ausgaben in Höhe von 225 Milliarden Euro pro Jahr notwendig. Zur Einordnung: Die gesamten Ausgaben des Bundeshaushalts beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund 466 Milliarden Euro.

Wie eine solche Summe erreicht werden soll, ist bislang völlig unklar, da es wegen der vorgezogenen Bundestagswahl im vergangenen Februar bislang nicht einmal einen Haushalt für das laufende Jahr gibt. Als mögliche Frist für die Erfüllung eines neuen Ziels für die Verteidigungsausgaben gilt das Jahr 2032.

Verteidigungsausgaben: Rutte-Plan lässt Hintertür offen

Bei der Finanzierung könnte der neuen Bundesregierung helfen, dass im Zuge einer Einigung auf eine neue Nato-Zielvorgabe auch die Definition von Verteidigungsausgaben erweitert werden könnte.

Nato-Generalsekretär Mark Rutte schlägt vor, dass klassische Verteidigungsausgaben in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausreichend sein könnten, sofern gleichzeitig auch noch 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für militärisch nutzbare Infrastruktur ausgegeben werden. Das könnten etwa Investitionen in Bahnstrecken, Brücken oder Häfen sein.

15.05.2025, Türkei, Belek: Johann Wadephul (CDU, r), Bundesaußenminister, und Marco Rubio, Außenminister der Vereinigten Staaten, nehmen an einem Gespräch im Rahmen eines informellen Treffens der Nato-Außenminister teil. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Johann Wadephul (CDU, r.), Bundesaußenminister, und Marco Rubio, Außenminister der Vereinigten Staaten, am Donnerstag (15. Mai) in der Türkei.

Deutschland sei „entschlossen, dieses Bündnis stärker zu machen. Wir müssen eng zusammenstehen, gerade in dieser Krisenzeit“, sagte Wadephul im Badeort Belek in der Nähe von Antalya. Nachdem man die Verfassung geändert habe, könne man für Verteidigung ausgeben, was nötig sei. Die Bundesregierung unterstütze den Rutte-Vorschlag vollständig.

Sondertopf und Schuldenbremse – Wo das Geld herkommen könnte

In Deutschland war im Frühjahr - vor der Bildung der neuen schwarz-roten Koalition - beschlossen worden, einen bis zu 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf einzurichten, mit dem die Instandsetzung maroder Infrastruktur angegangen werden soll. Mit der zeitgleich beschlossenen Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gibt es zudem zumindest eine Grundlage für eine deutlich höhere BIP-Quote.

Wie stark ist die Nato auf Trump angewiesen?

Die Nato will unbedingt verhindern, dass sich die USA unter dem als unberechenbar geltenden Trump aus dem transatlantischen Verteidigungsbündnis zurückziehen. Denn ohne den atomaren Schutzschirm der USA und ohne die konventionellen militärischen Fähigkeiten des größten Verbündeten gilt das Bündnis derzeit nur als bedingt verteidigungsbereit.

Trump hatte schon in seiner ersten Amtszeit immer wieder die aus seiner Sicht unzureichenden Verteidigungsausgaben der europäischen Alliierten kritisiert und diesen vorgeworfen, sich zu sehr auf den Schutz der USA zu verlassen. Mehrfach drohte er dabei sogar mit einem Nato-Austritt der USA.

Rubio: Keine schwachen Glieder mehr

Trump will nun, dass sein Fünf-Prozent-Ziel im Juni beim Nato-Gipfel in Den Haag beschlossen wird. Von US-Seite wurde intern zuletzt damit gedroht, dass er ansonsten möglicherweise gar nicht anreisen könnte.

US-Außenminister Marco Rubio warnte bei dem Treffen in der Türkei, das Bündnis sei nur so stark wie sein schwächstes Glied. Deswegen bemühe man sich, keine schwachen Glieder mehr im Bündnis zu haben.

Das Rutte-Konzept greift diesen Gedanken jetzt auf, hilft aber auch jenen Staaten, die klassische Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent für nicht erreichbar oder erwünscht erachten. Zu ihnen gehören insbesondere Länder, die wie Italien, Spanien, Belgien und Luxemburg bis zuletzt BIP-Quoten von unter 1,5 Prozent hatten.

Der USA zeigen sich zuletzt offen für die Rutte-Lösung. Der amerikanische Nato-Botschafter Matthew Whitaker sagte kurz vor dem Ministertreffen in der Türkei, es sei ganz klar, dass es um mehr als nur Raketen, Panzer und Haubitzen, sondern auch um Dinge wie militärische Mobilität, notwendige Infrastruktur und Cybersicherheit gehe. Die Neudefinition von Verteidigungsausgaben würde auch den USA helfen, selbst auf die fünf Prozent zu kommen. Sie lagen bei den klassischen Verteidigungsausgaben zuletzt bei etwa 3,4 Prozent des BIP.

Gemischte Reaktionen auf Wadephul-Aussage – BSW mit drastischen Worten

Die Ankündigung Wadephuls zu den von Trump geforderten fünf Prozent kam für viele Beobachter in Deutschland überraschend, denn Deutschland erreicht das jetzige Nato-Ziel von mindestens zwei Prozent des BIP nur gerade so. Selbst unter Berücksichtigung des Rutte-Plans stellt die Äußerung einen Kurswechsel in der deutschen Sicherheitspolitik dar. 

Zwar hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Mittwoch (14. Mai) erklärt, die Bundeswehr solle die „konventionell stärkste Armee Europas“ werden. Konkrete Zahlen hatte er jedoch nicht genannt, sondern war mit seinen Ausführungen zur Verteidigungsfähigkeit Deutschlands im Allgemeinen geblieben – wohl auch, um beim Koalitionspartner SPD nicht direkt Störgeräusche hervorzurufen.

Nach Wadephuls Äußerungen kamen nun auch kritische Stimmen aus der SPD. Der Außenpolitiker Adis Ahmetovic warnte Wadephul im „Stern“ vor vorschnellen Festlegungen. Er sagte: „Der Etat wird gemeinsam im Bündnis zu klären sein. Zudem möchte ich den Außenminister Wadephul an den Koalitionsvertrag erinnern – dort sind die außenpolitischen Fragen umfangreich geklärt.“

Auch Bundesfinanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil verwies auf den Koalitionsvertrag. Dort ist vereinbart, die Verteidigungsausgaben „bis zum Ende der Legislaturperiode deutlich und stringent“ zu steigern. Klingbeil sagte, man wollte den Nato-Gipfel Ende Juni in Den Haag abwarten, bevor man sich festlege. 

Selbst Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der während der Ampel lange Zeit mehr Geld für sein Haus gefordert hatte, äußerte sich vorsichtig. Eine Prozentzahl sei nicht so entscheidend. Zudem werde der Verteidigungsetat in seinem Haus gemacht und nicht im Außenministerium, teilte Pistorius eine kleine Spitze in Richtung Wadephul aus.

Wadephul-Ankündigung: Stegner kritisch, Linke ablehnend

Erwartungsgemäß kommentierte Ralf Stegner vom linken Flügel der SPD Wadephuls Ankündigung ablehnend. „Solche milliardenschweren Aufrüstungsdimensionen, wie das Donald Trump einfordert, sind allerdings jenseits von Gut und Böse“, sagte Stegner dem „Handelsblatt“. Stegner vertritt seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eine zurückhaltende Position zu Waffenlieferungen nach Kiew und warnte häufig vor einem angeblichen Wettrüsten. Zu einem früheren Zeitpunkt, als die SPD noch nicht zusammen mit der Union regierte, hatte Stegner von einem „völligen Irrsinn“ angesichts der fünf Prozent gesprochen.

Während aus der SPD jedoch nur vorsichtig kritische Stimmen zu hören sind, fallen die Reaktionen der Opposition ablehnend aus. Deborah Düring, außenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, kritisierte den Vorstoß Wadephuls im „Spiegel“. „Sicherheit im Bündnis entsteht nicht durch das Erfüllen starrer Quoten, sondern durch verlässliche Beiträge, die sich am tatsächlichen Bedarf orientieren“, sagte sie.

Die Linke zeigte sich noch weniger begeistert. Fraktionschef Sören Pellmann teilte mit: „Es ist ein verheerender Einstieg von Außenminister Wadephul, die bereits exorbitanten Militärausgaben noch weiter erhöhen zu wollen.“ Der aktuelle Haushalt reiche aus, um die Landesverteidigung sicherzustellen. Deutschland habe bereits jetzt den viertgrößten Rüstungshaushalt der Welt. Stattdessen brauche es dringend Entlastungen für mittlere und kleine Einkommen.

Parteichefin Ines Schwerdtner schrieb in Richtung Regierung: „Sie wollen die stärkste Armee Europas finanzieren, aber sie können nicht sagen, wie man den sozialen Wohnungsbau finanziert.“

BSW wählt drastische Worte in Richtung Wadephul

Noch empörter auf den Wadephul-Vorstoß reagierte das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die Partei, die inzwischen nicht mehr im Bundestag vertreten ist, wählte in den sozialen Medien drastische Worte.

Parteigründerin Wagenknecht schrieb auf der Plattform X, es sei „Wahnsinn“, dass sich Wadephul und die neue Regierung Trump  „beugen“ wollten. Zugleich unterstellte Wagenknecht, dass „brachiale Kürzungen bei Rente, Gesundheit und Bildung“ dafür geplant würden. „Wir brauchen keinen Außenminister, der die Steuerzahler für eine selbstzerstörerische Vasallentreue zu den USA bluten lassen will“, stänkerte Wagenknecht.

Auch ihre Parteikollegin Sevim Dağdelen nutzte den Kampfbegriff „Vasallentreue“. Der „soziale Kahlschlag“ sei „vorprogrammiert“, sagte auch sie voraus. Es brauche „soziale Sicherheit statt Militarismus“, so Dağdelen, die in der Vergangenheit immer wieder durch antiamerikanische Äußerungen aufgefallen ist.

Friedrich Merz schwächt Aussagen zum Verteidigungsetat ab

Am Donnerstagabend kamen von Bundeskanzler Merz beschwichtigende Töne. Die Debatte über den Anteil der Verteidigungsausgaben sollte nicht überbewertet werden. „Diese Diskussion um Prozentzahlen vom BIP, das ist eine Hilfskonstruktion, um mal Richterwerte zu haben, in welche Richtung wir denn mit der Aufrüstung der Streitkräfte gehen“, sagte Merz in der ZDF-Talksendung „Maybrit Illner“.

Stattdessen sollte es seiner Meinung nach mehr um die konkreten militärischen Fähigkeiten gehen. „Wir müssen die Fähigkeit entwickeln, den europäischen Kontinent aus eigener Kraft heraus verteidigen zu können“, sagte der CDU-Vorsitzende. „Da sind viele Dinge aufzuholen, die wir in den letzten Jahren gemeinsam versäumt haben - und daran orientieren wir uns.“ (cme/dpa)