Das Smartphone weiß, wo wir uns befinden, wann wir schlafen gehen und manchmal sogar, welche sexuelle Orientierung wir haben und welcher Religion wir angehören. Düsseldorfer Anwälte erheben den schweren Vorwurf, dass Google persönliche Daten von Android-Handys abgreift.
Umgang mit privaten Handy-DatenAnwälte wollen Google verklagen
Alex Petrasincu und seine Kolleginnen und Kollegen von der Düsseldorfer Kanzlei Hausfeld haben bereits zahlreiche Verfahren gegen Google begleitet und dabei vor allem Verlage erfolgreich vertreten. Zuletzt waren Anwälte im Verfahren gegen Google Shopping beteiligt. Vor einigen Tagen hatte der Europäische Gerichtshof die bereits im Jahr 2017 verhängte Kartellbuße gegen Google in Höhe von 2,4 Milliarden Euro endgültig bestätigt.
Die aktuelle Auseinandersetzung dreht sich nicht um Marktbeherrschung, sondern Datenmissbrauch. Schätzungen zufolge sind allein in Deutschland 30 bis 40 Millionen Menschen betroffen, die Smartphones mit dem Betriebssystem Android nutzen. Anhaltspunkte, dass der Datenmissbrauch auch Geräte des Herstellers Apple betreffen, gebe es bislang nicht, heißt es.
Google reagiert nicht auf Anfrage
Anwalt Petrasincu findet drastische Worte. „Es geht Google unserer Meinung nach nichts an, was die Menschen im Privaten mit ihren Handys machen. Aus unserer Sicht verstößt die Verarbeitung der persönlichen Daten der Android-Nutzer in dem aktuellen Umfang gegen die Datenschutz-Grundverordnung.“ Eine Anfrage unserer Redaktion bei Google zu den erhobenen Vorwürfen blieb bislang unbeantwortet.
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Die Kanzlei Hausfeld beruft sich auf ein Expertengutachten. Es komme zu dem Schluss, dass es für den Umfang der Datensammlung und -verarbeitung durch Google „in einigen Fällen keine Rechtsgrundlage“ gebe und dass der Konzern gegen europäisches Datenschutzrecht verstößt. „Es werden nach dem erstellten Expertengutachten jeden Tag große Mengen Daten der Handynutzer an Google geschickt. Was der Konzern mit den Daten tut, wissen wir nicht“, so Petrasincu.
Dem Gutachten zufolge saugt Google Daten ab, die bei der Verwendung von Apps aus dem Google Play Store anfallen und dem jeweiligen Handynutzer zugeordnet werden können. So ließen sich beim Herunterladen etwa einer Bibel-App, einer Schwangerschafts-App oder einer Dating-App Rückschlüsse auf die Religionszugehörigkeit, den Gesundheitszustand oder die sexuelle Orientierung der Nutzer ziehen.
Sogar Persönlichkeitsprofile lassen sich erstellen
Eine Gefahr sehen Experten insbesondere in Handyfunktionen, die Rückschlüsse auf den Aufenthaltsort des Nutzers zulassen. „Moderne Smartphones verfügen über eine Vielzahl von Sensoren, zum Beispiel Rotations- oder Beschleunigungssensoren. Mit Hilfe dieser und weiterer Sensoren lässt sich ermitteln, ob der Nutzer des Handys gerade geht, joggt, steht oder mit der Bahn fährt“, erklärt Petrasincu. Auch diese Informationen würden zum Teil an Google übermittelt. Der Anwalt warnt davor, dass sich aus dieser Vielzahl von Daten „Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellen“ lassen.
In welchem Umfang der Konzern absaugen kann, hängt freilich von den Datenschutzeinstellungen ab, die Nutzer an ihren Geräten vornehmen. „Aber diese Einstellungen sind häufig schwer zu finden“, so Patrasincu. Die mehr als 70 DIN-A4-Seiten umfassende Datenschutzerklärung von Google sei zudem schwer nachzuvollziehen.
Gegen das Gebaren von Google wollen Hausfeld und das Experten-Netzwerk Privacy ReClaim deshalb nun vorgehen. Um den Verbrauchern individuelle Klagen zu ersparen, haben beide Partner ein Verfahren entwickelt. „Privacy ReClaim sammelt die Ansprüche und wird diese dann gebündelt durchsetzen“, sagt Petrasincu. „Natürlich werden wir versuchen, mit Google eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Gibt es die nicht, wird Privacy ReClaim klagen.“
Android-Nutzer haben ab sofort die Möglichkeit, ihre möglichen Schadensersatzansprüche an die Plattform abzutreten. Dafür erhalten sie sofort pauschal 40 Euro. Mit dem Betrag seien die finanziellen Ansprüche dann abgegolten, auch wenn Google am Ende eine höhere Summe ausschütten sollte. „Das Geld für den Ankauf der möglichen Schadensersatzansprüche darf der Nutzer unabhängig vom Ausgang des Verfahrens behalten“, erklärt Privacy ReClaim und weist darauf hin, dass Verbraucher auch selbst klagen können.