Michael ButheAuch das Schäbige geadelt

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REMAGEN. „Rosa-Orange, waröm nit? Kei Problem, Em Räänboore ess jede Färv jenehm“, singt Wolfgang Niedecken in seinem Song „Novembermorje“ als Nachruf auf den früh verstorbenen Freund Michael Buthe (1944-1994). Und charakterisiert damit das schimmernde Lebenswerk des Künstlerfreundes. „Er war immer mitten drin, Werk und Vita waren nicht zu trennen, er war immer auf Sendung, immer auf Empfang und so ist er einfach an einer Überdosis Lebensfreude gestorben“, fügte der Frontmann von BAP, der selbst bildender Künstler ist, gestern auf der Pressekonferenz im Arp Museum hinzu.

Während Buthes „lebensgesättigte“ Aktionskunst mit ihrem Schöpfer verschwand, haben die Zeichnungen, Collagen und Objekte nichts von ihrer Frische verloren, wie eine Ausstellung mit rund 60 Arbeiten im alten Bahnhof Rolandseck zeigt - unter dem Titel „Der Engel und sein Schatten“ nach einem Bild von 1974. Indem man der chronologischen Hängung folgt, bewegt man sich weg von der anfänglichen Arte Povera (Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre) mit zerschlissenen Stoffen und kargen Formen, hin zu harmonischen Farben und schwebender Schwerelosigkeit, die - besonders in dieser Inszenierung - in einer Apotheose enden.

Es waren die Reisen in den Süden, in die Länder aus 1001 Nacht, die den märchenhaften Zauber mit sich brachten, dem der in Sonthofen geborene Künstler „mit Leib und Seele“ erlag. Die Mythen faszinierten ihn, wie auch das Handwerk in marokkanischen Stofffärbereien oder Teppichknüpfereien. Der intensive Materialbezug, der das Tafelbild schon von Anfang an zum dreidimensionalen Objekt machte, ist selbst beim dünnsten Packpapier noch zu erkennen.

Zugleich wird das Material mehr und mehr nobilitiert, besonders schön an einem verkohlten Brett zu sehen, wo der schwarze Glanz in ein geheimnisvolles Schillern übergeht und in dünnes silbernes Staniolpapier ausläuft. Und da sind die „Türen zum Paradies“: Es sind durchaus alte schäbige Holztüren mit abgeblättertem Lack, aber sie sind schnell aus der Hand mit Palmen bemalt. Man sieht die engen Gassen in den Dörfern Marokkos vor sich, nach außen verschlossen und abweisend, doch blühende Gärten sind dahinter verborgen.

Er konnte den

Kitsch verwandeln

Orient und Okzident begegnen sich, als der Künstler nach einem Villa-Romana-Aufenthalt in Florenz zu seinen Ikarus-Bildern findet, aus denen die großen Engelbilder werden. Schwebend, fast an Michelangelos Fresken in der Sixtina erinnernd, ziehen die Figuren durch den Raum. Sternenhaftes, gold- und silberdurchwirktes Gesprenkel bricht auf, bisweilen auf tiefblauem Grund (an Yves Klein erinnernd). Da gibt es Fetische, die mit Kunstrosen bestückt sind wie die „Spanische Tänzerin“ (1986) oder eine „Rosensonne“ mit wachsüberzogenen Rosenblättern und einem kleinen Madonnenbildchen in der Mitte. Und der Kitsch ist kein Kitsch mehr, wenn der Magier Michael Buthe ihn irgendwie mit spiritueller Energie auflädt. Diese „Ästhetik der Globalisierung“, als Brücke zwischen Orient und Okzident, lässt das Werk von Michael Buthe heute so wegweisend erscheinen.

Am 11. September um 19.30 wird Wolfgang Niedecken mit BAP das „Novembermorje“ für den Freund beim Konzert auf dem Roncalliplatz aufführen.

Hans-Arp-Allee 1, Ausstellung bis zum 29. November. Di-So und an Feiertagen 11-18 Uhr, Katalog 28 Euro.

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