Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Prozess in Bonn37-Jähriger muss nach Bissattacke auf Bornheimer Erdbeerfeld in Psychiatrie

Lesezeit 3 Minuten
Auf einem Erdbeerfeld wie diesem hatte es im August 2024 eine Attacke auf einen Pflücker gegeben.

Auf einem Erdbeerfeld wie diesem hatte es im August 2024 eine Attacke auf einen Pflücker gegeben. 

Das Bonner Landgericht schickt einen 37-jährigen Schizophrenen nach einer Bissattacke auf einem Erdbeerfeld in Bornheim in die Psychiatrie.

„Ich bin schuldfähig“, erklärte der 37-Jährige mit Nachdruck auf der Anklagebank. Es war sein letztes Wort und auch der einzige Satz, den der Mann während des Prozesses gesagt hat. Im August 2024 hatte er unter anderem einen ihm fremden Erdbeerpflücker angegriffen und so grausam zugerichtet, dass sein Gesicht trotz zahlreicher Operationen entstellt bleibt.

Das Bonner Landgericht geht bei dem Vorfall von einer „akuten Episode einer paranoiden Schizophrenie“ aus und hat – wie schon von der Staatsanwältin beantragt – für den 37-Jährigen die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik angeordnet. Von dem Mann, der fraglos schuldunfähig sei, seien weitere Straftaten zu erwarten. Er sei eine Gefahr für seine Mitmenschen, so die Kammervorsitzende Anke Klatte im Urteil.

Der Erdbeerpflücker hatte dem 37-Jährigen Hilfe angeboten

Vor 17 Jahren war die Psychose bei dem Abiturienten ausgebrochen, es gab zwar Klinikaufenthalte, aber seine Wahnwelt hatte sich nie gegen andere gerichtet, bis zu diesem Augusttag. Am Nachmittag wollte der 37-Jährige zum Friseur, verlor jedoch die Orientierung und landete in dem fast schon abgeernteten Obstfeld am Uedorfer Weg, wo er auf den Pflücker traf.

Der 66-Jährige spürte, dass der junge Mann verwirrt war und bot ihm an, ihn später mitzunehmen; zuerst jedoch wolle er noch zu Ende pflücken. Von diesem Moment an – der wirkliche Auslöser bleibt ein Rätsel – drehte der 37-Jährige durch: Er schlug den Pflücker derart, dass er rücklings über seinen Erdbeerkorb fiel und zu Boden ging. Damit nicht genug: Der Angreifer stach ihm mit zwei Fingern tief in beide Augen und biss ihm regelrecht die Nase ab. Dann nahm er den Erdbeerkorb an sich und flüchtete zur Straße. Der 66-Jährige – schwer blutend – ihm hinterher.

Im Bus 842 verteilte der Angreifer Erdbeeren

Aber der 37-Jährige stoppte ein Auto: Ein Polizeibeamter im Ruhestand ließ ihn einsteigen und fuhr los, ohne sich weiter um den Schwerverletzten zu kümmern, der schreiend auf dem Feld gestanden haben soll. Die seltsame Gestalt mit dem Erdbeerkorb, die ihn immer mit den roten Früchten füttern wollte, ließ der Chauffeur an einer Bushaltestelle raus. Hier bestieg der Angreifer die Linie 842, wo er sich ebenfalls auffällig benahm: Bei jeder Haltestelle – so zeigen es später die Überwachungskameras – stoppte er den Bus, stieg hinten aus und vorne wieder ein. Auch im Bus verteilte er Erdbeeren an die Mitfahrenden. Eine Frau bekam es mit der Angst, sie rief ihren Bruder an, dass er sie an der Bushaltestelle abholen sollte.

Das machte der Bruder auch. Der 37-Jährige jedoch verfolgte die Geschwister bis zum Haus der Frau. Dann brüllte er: „Es ist soweit, die Zeit ist gekommen“ und stürzte sich auf den Bruder, den er ebenfalls zu Boden brachte. Auch ihm stach er in die Augen und versuchte wiederholt die Nase abzubeißen, was ihm diesmal nicht gelang. Bald darauf konnte der 37-Jährige von der Polizei fixiert und festgenommen werden, seitdem ist er vorläufig in der Psychiatrie untergebracht, wo er medikamentös behandelt wird.

Der Verteidiger möchte das Urteil anfechten

Verteidiger Michael Kurth hat angekündigt, das Urteil anzufechten. Er hatte gegen die endgültige Unterbringung seines Mandanten plädiert. Ob der Ausraster auf dem Erdbeerfeld mit der Erkrankung zu tun habe, so sein Argument gegen das „Wegsperren“, das sei nicht sicher. Immerhin sei sein Mandant seit 17 Jahren an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt, und nie sei etwas passiert: „Alle Prognosen sind reine Kaffeesatz-Leserei“, erklärte er nach dem Urteil.

Die Sachverständige jedoch hatte unmissverständlich erklärt, wenn der Mann weiterhin unbehandelt bleibe, werde die Problematik mit den Jahren noch zunehmen. Nicht zuletzt – so auch die Begründung der 11. Großen Strafkammer – weil der Mann auf der Anklagebank keinerlei Krankheits-Einsicht hat und eine freiwillige Einnahme von Medikamenten verweigert. Aus Angst, vergiftet zu werden.