Abo

ÖPNV in Rhein-SiegWenn der Bahnstreik Haltestellen leer fegt

Lesezeit 6 Minuten
16.03.2023 Bornheim-Roisdorf: Nichts los an der Haltestelle der Stadtbahnlinie 18 in Bornheim-Roisdorf.

Nichts los an der Haltestelle der Stadtbahnlinie 18 in Bornheim-Roisdorf.

Für Pendler kann der Warnstreik im ÖPNV am Montag und Dienstag zu einer Herausforderung werden. Wie bereiten sie sich auf den Warnstreik am Montag und Dienstag vor? Und welche Alternativen gibt es? Die Rundschau hat nachgefragt.

Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit, Schule oder Freizeitaktivitäten unterwegs ist, muss sich für den kommenden Montag und Dienstag möglicherweise Alternativen überlegen. Tarifbeschäftigte verschiedener Verkehrsbetriebe, unter anderem die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), treten am 20. März in einen 48-stündigen Warnstreik. In den vergangenen Wochen fanden bereits Streiks statt, nun ruft die Gewerkschaft Verdi erneut dazu auf, die Arbeit niederzulegen. Ende März könnte es die Nutzer des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) noch härter treffen: Am 27. März droht ein flächendeckender Warnstreik im Verkehrsbereich, sollte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) gemeinsam mit Verdi auf die Straße gehen (siehe Kasten).

Auch ich bin von dem Streik betroffen: Normalerweise fahre ich von Bonn mit der Stadtbahnlinie 18, die gemeinsam von den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB) und der Stadtwerke Bonn Verkehrs-GmbH (SWB) betrieben wird, zur Redaktion. Die Fahrt dauert in der Regel sechs Minuten. Für den Streik zu Beginn der kommenden Woche muss ich mir etwas anderes einfallen lassen, um zur Arbeit zu kommen. So wie mir geht es vielen anderen Pendlern, die täglich mit dem ÖPNV durch die Region unterwegs sind. Wie bereiten sie sich darauf vor? Welche Alternativen gibt es zu öffentlichen Verkehrsmitteln? Und inwieweit herrscht Verständnis für die Streikenden?

Alternative: Laufschuhe auspacken

An der Haltestelle der Linie 18 in Roisdorf wartet Christian Zensen auf die nächste Stadtbahn. „Ich pendele zwei- bis dreimal pro Woche mit der Bahn“, sagt Zensen. Er arbeitet als Autolackierer in Bornheim und wohnt in Bonn. „Wenn es das Wetter zulässt, fahre ich mit dem Fahrrad“, erklärt der Bonner. Daher habe er die Streiks nur im Herbst und Winter mitbekommen. „Der letzte Streik war ärgerlich, weil er für mich überraschend kam“, so Zensen. „Ich stand am Bahnhof und habe erst auf der Anzeige gesehen, dass keine Bahnen fahren.“ Wenn die Stadtbahnen der KVB und SWB streiken, weiche er auf die Deutsche Bahn aus. So werde er es auch am Montag und Dienstag machen. „Wenn Ende März weder die Bahn noch die Linie 18 fahren, nehme ich entweder das Rad oder packe meine Laufschuhe aus“, erzählt Zensen schmunzelnd. „Ärgerlich ist, wenn beides ausfällt. Aber Verständnis für die Streikenden ist da, auch wenn man sich in der Situation darüber aufregt.“

Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe

Das Fahrrad ist ein gutes Stichwort. Gerade für verhältnismäßig kurze Strecken bietet das Gefährt eine flexible Alternative zur Bahn – sofern es fahrtüchtig ist. Da das nach dem Winter für mein Rad nicht gilt, habe ich es vor Tagen in die Werkstatt gebracht – in der Hoffnung, dass es bis Montag wieder einsatzbereit ist.

„Ich bin eigentlich ein Fan der Bahn“

Auch Peter Mutschke nutzt sein Rad mehrmals in der Woche, um von seinem Wohnort Alfter nach Bornheim zu fahren, von wo aus er den Zug zum Kölner Hauptbahnhof nimmt. „Wenn alles fluppt, dauert es eine knappe Stunde“, so Mutschke. „Ich bin eigentlich ein Fan der Bahn“, erklärt er. Das Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei umweltschonend und effizienter, als mit dem Auto nach Köln zu fahren. „Die Unplanbarkeit ist ein Problem. Man guckt jeden Morgen, wie viel Verspätung die Bahn hat. Das sind die Probleme, mit denen man tagtäglich zu tun hat“, schildert Mutschke seine Erfahrungen. Wenn auf seiner Strecke gestreikt wird, steige er auf die Stadtbahn 18 um. Alternativ habe er die Möglichkeit, Homeoffice zu machen, sofern er keine Termine hat. „Ich habe Verständnis für die Streikenden“, erklärt der Alfterer.

„Dass die Bahn und die 18 beide nicht fahren, habe ich noch nie erlebt. Dann würde ich mit dem Fahrrad fahren, das fährt immer“, sagt Stefan Jung, der vom Roisdorfer Bahnhof auf dem Weg nach Hause ist. Und so abwegig ist es gar nicht, dass sowohl die Bahn als auch die Stadtbahn nicht fahren: Am 27. März könnte es dazu kommen, wenn die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG wirklich gemeinsam mit Verdi auf Straßen, Flughäfen und auf der Schiene streikt. Stefan Jung wohnt in Bornheim-Roisdorf und pendelt mit dem Zug zu seiner Arbeitsstelle nach Bonn. „Mit der Bahn dauert es 20 Minuten, mit der 18 viel länger. Auch mit dem Fahrrad wäre ich eine Stunde unterwegs.“ Das Auto sei keine Alternative, darauf würde er auch nicht umsteigen, wenn keine öffentlichen Verkehrsmittel führen. „Für die Forderungen der Gewerkschaft, die im Raum stehen, habe ich kein Verständnis. Ja, es muss einen vernünftigen Ausgleich geben, aber da finde ich 10,5 Prozent absurd. Bund und Kommunen haben nicht ohne Ende Geld“, erklärt Jung seinen Standpunkt.

Die befragten Pendler steigen also auf andere öffentliche Verkehrsmittel um, machen Homeoffice oder nutzen das Fahrrad, um ihrer Arbeit auch während eines Streiks nachgehen zu können. Mit dem Fahrrad bräuchte ich 20 Minuten zur Redaktion. Das ist zwar länger, als die sechs Minuten mit der Stadtbahn, aber dennoch eine gute Alternative. Vorausgesetzt, mein Gefährt ist rechtzeitig fertig repariert. Es bleibt spannend. Ansonsten könnte ich es freilich wie Pendler Christian Zensen halten und meine Laufschuhe auspacken. In welcher Verfassung ich dann aber bei der Arbeit ankomme, ist eine ganz andere Frage.


Warnstreiks am Montag und Dienstag

Auch die Stadtbahnlinien 16 und 18 sind vom Warnstreik der Gewerkschaft Verdi betroffen. Sie rollen regulär von Köln nach Bonn durch den linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis. Beide Stadtbahnen werden an den Streiktagen Montag und Dienstag nicht fahren, teilte die KVB mit. Nicht betroffen sind laut KVB die Deutsche Bahn und andere Eisenbahnverkehrsunternehmen. Auch das Linienangebot der Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) werde nicht bestreikt.

Alternative zum ÖPNV können Leihfahrräder der RVK sein. Wer sein Fahrrad nach dem Winter noch nicht wieder fahrtauglich gemacht hat, oder gar keins besitzt, kann auf andere Möglichkeiten zurückgreifen. Im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis stehen beispielsweise an Verleihstationen wie am Roisdorfer Bahnhof (Foto) E-Bikes der Regionalverkehr Köln GmbH (RVK). Die Leihräder können an den Verleihstationen ausgeliehen und (wahlweise auch an anderen Stationen) zurückgegeben werden. Vor der ersten Fahrt ist eine Anmeldung an der Verleihstation via App oder online notwendig. Die RVK-Räder können in Alfter, Bornheim, Meckenheim, Rheinbach, Swisttal und Wachtberg ausgeliehen werden. Die ersten 30 Minuten sind kostenlos, dann kostet jede weitere halbe Stunde einen Euro.

Für den 27. März droht möglicherweise ein flächendeckender Streik in der Region. Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ und der „Süddeutschen Zeitung“ bereitet die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gemeinsam mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) einen eintägigen Warnstreik vor. Offiziell bestätigt wurde der Streik bislang noch nicht.

Weitere Informationen zu einzelnen Linien finden sich auf den Webseiten der Verkehrsbetriebe www.kvb.koeln, www.swb-busundbahn.de und www.rvk.de.

Rundschau abonnieren