Jugendliche zeigen bei der Bornheimer Gedenkveranstaltung ihre Projekte, um Erinnerungen lebendig zu halten und Demokratie zu fördern.
„Erinnern für heute und morgen“Pogromgedenken in Bornheim mit Beiträgen von Schülern

Durch modernes Theaterspiel lassen sich Erinnerungen wachhalten.
Copyright: Frank Engel-Strebel
Stolpersteine erinnern an verfolgte Juden und andere Opfer der Nationalsozialisten, so auch der Gedenkstein an der Neußer Straße 4, der an das Schicksal des Roisdorfers Alfons Feldmann erinnert. Dort trafen sich am Montagabend anlässlich des Pogromgedenkens der Stadt Bornheim zahlreiche Bürger um an die Zerstörung der jüdischen Synagoge von Bornheim durch Nazi-Schergen 1938 zu gedenken.
Schülerinnen und Schüler der Bornheimer Verbundschule in Uedorf gingen noch einen Schritt weiter mit eine Neuinterpretation der Stolpersteine des Berliner Aktionskünstlers Gunter Demnig: „Brauchen wir nicht auch einen Stolperstein, der an den Tod der ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik erinnert, die von 1919 bis zur Machtergreifung Hitlers 1933 dauerte?“
Die Jugendlichen wagten einen provokanten, aber auch mahnenden Blick in die Zukunft und projizierten in ihrer Videoanimation „Vom Verlust der Demokratie“ eine kleine Goldfolie auf die Leinwand im Sitzungssaal des Bornheimer Rathauses mit der Aufschrift: „Bundesrepublik Deutschland, geboren: 1949. Gestorben: ???“
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Gedenkveranstaltung mit Beiträgen Bornheimer Schüler
Die Aktion war Teil der gut zweistündigen Gedenkveranstaltung „Erinnern für heute und morgen“ mit der die Stadt traditionell am 10. November ein Zeichen gegen Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenhass setzt. Junge Menschen aus den weiterführenden Bornheimer Schulen oder den örtlichen Jugendeinrichtungen setzten sich mit wertvollen Beiträgen mit den Themen auseinander und brachten gleichzeitig auch ihre Sorgen zum Ausdruck, wie es um ihre Zukunft bestellt ist, falls rassistische, antidemokratische und populistische Strömungen mehrheitsfähig werden sollten.
87 Jahre ist es mittlerweile her, dass am 10. November 1938 auch in der Bornheimer Königstraße die Synagoge brannte. Der Zweite Weltkrieg endete vor 80 Jahren. Daran erinnerte Bornheims neuer Bürgermeister Christian Mandt in seiner bewegenden und nachdenklichen Rede. Er fand eindringliche Worte: „Wir sollten uns davor hüten, uns heute sicherer zu fühlen. Auch damals konnten die Menschen die Ereignisse im Vorfeld nicht in ihrem ganzen schrecklichen Ausmaß deuten. Daher sollten die Zeichen der aktuellen Zeit der Gegenwart uns ernsthaft zu denken geben.“
Es habe sich ein politisches Klima etabliert, indem leichtfertig mit der historischen Verantwortung gespielt werde: „Was bringt Menschen dazu, denjenigen ihr Vertrauen zu schenken, die sich in Spitzenfunktionen unseres Staates mit der NS-Ideologie identifizieren, die Fundamente unseres demokratischen Staates unterwandern? Wir haben es hier in Bornheim in der Hand, wie wir unser Miteinander gestalten wollen.“

87 Jahre ist es her, dass am 10. November 1938 auch in der Bornheimer Königstraße die Synagoge brannte.
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Als Bürgermeister stehe er ein für die demokratischen Grundwerte Freiheit und Sicherheit: „Zusammenhalt für unsere Zukunft ist mir eine Herzensangelegenheit.“ Dann wurde Mandt persönlich und erinnerte an seine Urgroßeltern, Johann und Gudula Claßen aus Brenig, nach der in dem Ort auch ein Platz benannt ist: „Sie hatten ihr Herz am rechten Fleck und retteten einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die aus Köln ins Vorgebirge geflohen waren, unter Todesangst ihr Leben.“
O-Töne von Zeitzeugen, nachgesprochen von Schülern eines Geschichtskurses des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums, in einem Podcast zeigten, dass es Vorgebirgler gab, die sich den Nazis widersetzten und halfen, doch es gab auch die anderen, wie ein damals 14-jähriger Berufsschüler schilderte: „Wir hörten das Klirren von Schaufensterscheiben, etwa 50 Leute schauten zu. Reaktionen der Zuschauer stellte ich nicht fest. Ich hatte Herzklopfen, als ich sah, wie die Synagoge in der Königstraße brannte, der Dachstuhl war schon abgebrannt. Die Feuerwehr schützte die Nachbarhäuser, viele Zuschauer waren zusammengekommen, unterhielten sich, besondere Reaktionen habe ich nicht in Erinnerung.“
Erinnerungen an Gräueltaten jungen Menschen näherbringen
Wie gelingt es aber die Erinnerung an die Gräueltaten von damals heute jungen Menschen näher zu bringen? Darauf gab es am Montagabend viele gute Ideen – nicht zuletzt anhand moderner Medienformate. Ein Beispiel zeigten Mädchen und Jungen aus dem Bornheimer JugendTreff anhand des beliebten Computerspiels „Fortnite“, in dem es auch eine Art virtuelles Museum, „Voices of the Forgotten“ („Stimmen der Vergessenen“), gibt, das sich dem Schicksal der Holocaust-Opfer widmet.
Die Idee, Geschichte auf Kanälen wie diesen Jugendlichen näherzubringen, kommt bei der Zielgruppe durchaus an: „Viele gehen nicht gerne ins Museum, für manche ist es zu langweilig, ein Spiel wie Fortnite ist daher eine gute Gelegenheit, ernste Themen näherzubringen, damit wir uns damit auseinandersetzen können“, meinte ein Jugendlicher.

Mädchen und Jungen des Kunstleistungskurses Q1 der Europaschule zeigten ihre Animationsfilm „Pogrome erinnern“.
Copyright: Frank Engel-Strebel
Auch selbstgedrehte Kurz-Clips wie sie auf Social-Media-Portalen wie TikTok oder Instagram laufen, eignen sich, historische Themen aufzuarbeiten, wie der Beitrag der 9. Klasse der Heinrich-Böll-Gesamtschule aus Merten mit dem Film „YOUmedia Nachrichtendienst – Spezialausgabe zum 9. November“ zeigte. In knapp drei Minuten umriss der Beitrag die Ereignisse der Reichspogromnacht, aber auch den Fall der Berliner Mauer 1989: „Der 9. November zeigt, dass Geschichte nicht nur Vergangenheit ist. Bleibt neugierig“, betonte Schüler Filippos Karakiozidis.
Mädchen und Jungen des Kunstleistungskurses Q1 der Europaschule zeigten in ihrem Animationsfilm in schwarz-weiß gehaltenen Bildern „Pogrome erinnern“, wie es aussehen könnte, wenn heute Nazi-Schergen Straßen und Geschäfte Bornheims und Roisdorfs verwüsten und Menschen deportieren würden.

Der Jugendchor der Evangelischen Kirchengemeinde Vorgebirge sang bei der Gedenkveranstaltung jüdischen Lieder.
Copyright: Frank Engel-Strebel
Durch modernes Theaterspiel lassen sich Erinnerungen wachhalten, aber auch davor warnen, populistischen Rattenfängern auf den Leim zu gehen. Dies zeigten Jugendliche und Erwachsene des Theaterprojekts „Demokratie“ unter der Leitung der Alfterer Theaterpädagogin Monika Timme: „Wir widmen uns dem Thema Demokratie aus dem Blickwinkel von 2025. Viele Jugendliche fühlen sich von der Erwachsenenwelt nicht gehört und verstanden“, bedauerte Timme.
Am Ende des Schauspiels nahmen sich alle Akteure generationenübergreifend an die Hand und appellierten an die Zuschauer in dem bis auf den letzten Platz besetzten Ratssaal: „Schaut nicht weg, die Welt wird nicht besser, wenn man jemanden hasst, steht füreinander ein, nur gemeinsam werden wir Gewinner sein, alle Farben müssen mit eingeschlossen sein.“ Musikalisch sorgten der Jugendchor der Evangelischen Kirchengemeinde Vorgebirge unter der Leitung von Marie-Susann Rothschild mit jüdischen Liedern und das Kölner Trio „hexagram“ mit Klezmermelodien für einen stimmungsvollen Rahmen.
Im Anschluss an die Gedenkfeier hatten Besucher noch die Gelegenheit in der Bürgerhalle des Rathauses miteinander ins Gespräch zu kommen, bei Aktionen mitzumachen und eigene Statements im Rahmen eines sogenannten „Audiomosaiks“ abzugeben. Für die technische Leitung zeichneten Achim Stommel vom Kulturraum Sechtem und für die Gesamtleitung Stadtarchivar Simon Oelgemöller und Katja Cîmpean von der städtischen Jugendförderung verantwortlich.
