AboAbonnieren

Cum-Ex-AffäreOlearius-Prozess in Bonn steht vor der Einstellung

Lesezeit 3 Minuten
Bonn: Der angeklagte Bankier Christian Olearius (r) steht neben seinem Anwalt Rudolf Hübner im Gerichtssaal des Bonner Landgerichts.

Bonn: Der angeklagte Bankier Christian Olearius (r) steht neben seinem Anwalt Rudolf Hübner im Gerichtssaal des Bonner Landgerichts. (Archivbild)

Der Steuerstrafprozess vor dem Bonner Landgericht gegen den Hamburger Banker Christian Olearius wird wahrscheinlich vorzeitig beendet.

Dem Angeklagten geht es nicht gut. Zu Beginn des Prozesses gegen ihn wegen schwerer Steuerhinterziehung in 15 Fällen vor der 13. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts am 13. September 2023 wirkte Christian Olearius so, wie man sich einen Banker aus Hamburg vorstellt: dezenter blauer Anzug, farblich passende Krawatte, die weißen Haare exakt gescheitelt, Brille. Doch mehr als ein halbes Jahr später muss der ehemalige Chef der Hamburger Privatbank M. M. Warburg dem Alter und der Gesundheit Tribut zollen. Er ist mittlerweile 82 Jahre alt, hat schwere Blutdruckprobleme, sodass er zuletzt den Verhandlungen nur höchstens 45 Minuten folgen konnte. Manchmal saß ein Arzt des Rettungsdienstes der Stadt Bonn vorsichtshalber im Gerichtssaal.

Gutachten bestätigt Krankheit von Olearius

Ein Gutachten der Rechtsmedizin der Universität zu Köln hat nun bestätigt, dass der frühere persönlich haftende Gesellschafter und nachmalige Aufsichtsratschef der Warburg-Bank nicht gesund ist. Und Krankheit ist ein Prozesshindernis.

Deshalb haben am Freitag Staatsanwaltschaft und Verteidigung die sofortige Beendigung des Strafverfahrens beantragt, aber in den Formulierungen mit unterschiedlichen Akzenten. Die Anklage will ein Einstellungsurteil wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit von Olearius, zudem sollen von ihm 43 Millionen Euro an Erträgen aus Cum-Ex-Geschäften eingezogen werden. Die vier Verteidiger, darunter der CSU-Politiker Peter Gauweiler, drängen auf Freispruch, da gravierende Verfahrenshindernisse wie „schwere Verstöße der staatlichen Seite gegen das Recht auf ein faires Verfahren“ vorlägen.

Die Verteidigerriege hatte bereits zuvor die Vorwürfe der von der Staatsanwaltschaft Köln vertretenen Anklage zurückgewiesen. Sie habe „an der öffentlichen Vorverurteilung“ des Angeklagten teilgenommen. Olearius werde zu Unrecht der schweren Steuerhinterziehung beschuldigt.

Anklage geht von Schaden in Höhe von 280 Millionen Euro aus

Die Anklage geht davon aus, dass dem Staat durch ihn ein Schaden von 280 Millionen Euro entstanden sei; die Steuerhinterziehungen sollen zwischen 2006 und 2019 begangen worden sein. Olearius habe sich detailliert in die Cum-Ex-Materie eingearbeitet und Strategien mitentwickelt oder erarbeiten lassen, um das Ding zu organisieren. Dabei geht es darum, dass Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenansprüchen an bestimmten Stichtagen zwischen Käufern und Verkäufern hin- und hergeschoben werden, bis das Finanzamt in diesem Karussell nicht mehr durchblickt und den Beteiligten des Deals unwissentlich Kapitalertragssteuern erstattet, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Fiskus sollen durch diesen größten Steuerskandal der deutschen Geschichte zehn Milliarden Euro durch die Lappen gegangen sein. Insgesamt wird gegen 1700 Beschuldigte ermittelt; zahlreiche Verfahren finden vor dem Landgericht Bonn statt, das deswegen auf Betreiben seines Präsidenten Stefan Weismann ein eigenes Prozessgebäude mit mehreren Sitzungssälen in Siegburg errichten lässt.

Cum-Ex: Prozess sollte schon im März enden

Die Wirtschaftsstrafkammer unter Vorsitz von Marion Slota-Haaf hat am Freitag noch nicht über die Anträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung entschieden; sie hält noch zwei Sitzungstermine, am 19. und 24. Juni, für erforderlich. Der Prozess sollte ursprünglich nach 28 Verhandlungstagen im März zu Ende gehen, pausierte aber wegen der angeschlagenen Gesundheit des Angeklagten bis Mitte Juni. Hinzu kamen Verfahrensgeplänkel: Die Verteidigung stellte 52 Anträge, es fanden mehrere Rechtsgespräche zwischen den Beteiligten statt.

In der 370 Seiten starken Anklage wird auch der Name von Bundeskanzler Olaf Scholz erwähnt. Der damalige Hamburger Erste Bürgermeister soll sich 2016 zweimal und 2017 noch einmal mit Olearius getroffen haben. Die Warburg-Bank wollte seinerzeit politische Kontakte nutzen, um eine angedrohte Steuernachzahlung zu verhindern.

Scholz sagte in der Affäre zweimal vor einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft zum Cum-Ex-Skandal aus. Wie die Frankfurter Allgemeine berichtet hat, soll er ein drittes Mal befragt werden, diesmal im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften der früheren staatseigenen HSH Nordbank.