Auf dem Lebenshof Anna verbringen alten und kranken Tieren ihren Lebensabend. In Wachtberg-Holzem sind das Schafe, Ziegen und Minischweine.
Auch an den FeiertagenDer Lebenshof Anna kümmert sich in Wachtberg um alte und kranke Tiere

Ziegen, Schafe und Hühner teilen sich die Weidewiese des Lebenshof Anna in Wachtberg-Holzem.
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Kriemhild humpelt und Siegfried hat einen schiefen Hals, nach einem Hundebiss sind die Nervenenden falsch zusammengewachsen. Trotz seines Handicaps ist der Schafbock nun gesund – und auf der Weide in Wachtberg-Holzem der Chef seiner Herde. Dazu gehört auch Kriemhild. Ihre Vorbesitzer haben die Klauenpflege vernachlässigt, deshalb das Humpeln. In ihrem neuen Zuhause, dem Lebenshof Anna, bekommt die Schaf-Oma alle zwei bis drei Wochen eine Pediküre „und damit geht es ihr richtig gut“, sagt Lisa Othman, 2. Vorsitzende des Vereins.
Der Lebenshof Anna bietet alten und kranken Tieren, die nicht mehr gewollt sind und keine Vermittlungschancen haben, eine neue Heimat, wo sie ihren Lebensabend genießen dürfen. Die Tiere werden von Privatpersonen abgegeben, die diese als Hobby angeschafft hatten und schlussendlich überfordert waren, manche wurden aus schlechter Haltung gerettet und andere sind Fundtiere, die ausgesetzt wurden.

Wollschaf Kriemhild (l.) und Schwarzkopfschaf Heidi.
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Gegen ihre Atemwegsbeschwerden inhaliert Schaf Heidi regelmäßig. Zwar gebe es für Ziegen und Schafe kein Inhalationsgerät, aber für Pferde. „Und weil Heidi ziemlich groß ist, passt das“, sagt Othman. Wenn die 32-Jährige nicht ehrenamtlich mit Schafen inhaliert, arbeitet sie im Büro der Wachtberger Großtierärztin Friederike Jäger, die auch den Lebenshof Anna betreut. Rund 30 Ehrenamtliche gehören zum Lebenshof Anna, Angestellte gibt es keine
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Immer mit dabei, wenn Othman sich um die Weidetiere kümmert: die Hündin Kiki. Inzwischen wohnt sie nicht mehr auf dem Lebenshof, sondern bei der Remagenerin. Schenkt diese den Schafen und Ziegen zu viel Aufmerksamkeit, macht Kiki sich bemerkbar, will gestreichelt werden und tollt herum wie ein Welpe. „Du bist 16!“, erinnert Othman sie. Auf die Weide darf Kiki nicht, sie würde die Schafe und Ziegen erschrecken. Besonders, weil Siegfried ja eine Vorgeschichte mit Hunden hat.
Aus Gnadenhof wurde Lebenshof
2025 wurde der „Gnadenhof“ in Lebenshof umbenannt, so soll ein respektvoller Umgang mit den Tieren betont werden. „Für uns ist es keine Gnade, die Tiere aufzunehmen“, erklärt Othman: „Wir können nicht alle retten, das ist uns bewusst. Aber die, die wir retten können, sollen ihr bestmögliches Leben haben.“ Auch weil im Zuge eines Kastrationsprojektes viele junge Katzen aufgenommen wurden, erschien der Begriff „Gnadenhof“ dem Verein nicht mehr zeitgemäß.

Wer die Weidewiese des Lebenshof Anna in Wachtberg-Holzem besucht, wird schon am Zaun von den Bewohnern neugierig begrüßt.
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Los ging es 2008 in Rheinbach-Neukirchen. Dort nahm Heike Schneider alte und kranke Tiere privat auf. „Ihr wurden immer mehr gebracht“, erzählt Lisa Othman: „Weil sie sich alleine nicht mehr um die vielen Tiere kümmern konnte, gründete Heike Schneider mit einigen Freundinnen und Freunden den Lebenshof, beziehungsweise damals noch Gnadenhof.“ Benannt ist dieser nach Schneiders Oma Anna.
Als der Rheinbacher Hof zu klein wurde, mussten weitere Standorte her. In Bonn entstanden Außen- und Pflegestellen, wo sich freiwillige Helferinnen und Helfer um die Tiere kümmern. Bevor 2020 die Wiese in Wachtberg-Holzem für Ziegen, Schafe, Schweine und auch Hühner gepachtet werden konnte, kamen Weidetiere in Bonn-Lannesdorf unter. 2024 kam der Standort Bonn hinzu, der Vereinshauptsitz wurde. Hier leben Katzen, Hühner, Truthähne und Gänse, die vor zwei Jahren Martinsgänse werden sollten. Auf dem Gründungshof in Rheinbach leben Hunde, Katzen, Hühner und Laufenten.
Gründerin Heike Schneider und die aktuell 1. Vorsitzende Lena Stamm lernten sich beim Tierarzt kennen, wo Stamm ständig Rechnungen abbezahlte, weil sie sich schon damals im Tierschutz engagierte. Heute pflege das Lebenshof-Team um die 300, vielleicht auch 350 Tiere. Othman: „So genau können wir das nicht sagen, denn an mehreren Stellen kümmern wir uns um größere Populationen verwilderter Hauskatzen.“
Die Flutkatastrophe 2021 hat den Lebenshof schwer getroffen: Am Standort Neukirchen sind Tiere gestorben. Der Wiederaufbau hat fast zwei Jahre gedauert, die Tiere wurden in Pflegestellen untergebracht. Einige Hunde waren aber so schwer traumatisiert, dass sie nicht zurückkehren konnten“, erzählt Othman.
Aus dem Schweinestall kommt lautes Quieken. „Die streiten um einen Schlafplatz“, weiß Lisa Othman und schlichtet. „Paul“, ruft sie. Praktisch, dass gleich zwei von drei Minischweinen Paul heißen. Den Namen hatten beide schon, als sie zum Lebenshof kamen.
Selbstgekochtes für die tierischen Bewohner
Neugierig – und auch augenblicklich still – gucken Paul und Paul aus ihrem Verschlag. Sie hoffen auf Futter, das gibt es aber erst in einer halben Stunde: selbstgekochte Suppe aus Kartoffeln, Karotte, Paprika, Fenchel und Mais.
Aufpassen muss das Lebenshof-Team beim Füttern auf die Dritte im Bunde: Minischwein Bärbel ist blind und taub, weil sie lange falsch gefüttert wurde. Das ist auf dem Lebenshof zwar anders, allerdings fressen Paul eins und zwei ihr manchmal die Suppe weg. „Wir haben das im Blick. Dann bekommt sie später einfach noch einmal eine Portion.“ Alle Tiere kriegen Selbstgekochtes von den Ehrenamtlichen. Kartoffeln und Karotten schmecken den Lebenshof-Bewohnern besonders gut. Die Hühner hatten ihre Suppe an diesem Tag schon, für den nächsten Tag ist bereits vorgekocht.

Hühner picken Mehlwürmer unter ihrem eigenen kleinen Weihnachtsbaum.
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Ob der Lärm der Tiere die Nachbarn stört? „Nein, die sind ja selbst ehrenamtlich mit dabei“, sagt Othman: „Gegenüber ist ein Pferdehof, die haben auch Hühner.“ Eigentlich haben die Hühner einen abgetrennten Bereich für sich, interpretieren das aber eher frei und laufen zwischen Ziegen und Schafen über die Weidewiese. Normalerweise werde ein Masthuhn 30 bis 42 Tage alt, bevor es geschlachtet wird. In Holzem feiern die Masthühner im Februar ihren ersten Geburtstag. Hier leben sie zusammen mit Hennen, die der Verein „Rettet das Huhn“ aus einer Legebatterie befreit und zum Lebenshof Anna gebracht hat.
Mehlwürmer unter dem Weihnachtsbaum
Die weihnachtliche Stimmung ist auch auf dem Lebenshof angekommen: Die Hühner picken getrocknete Mehlwürmer unter ihrem eigenen kleinen Weihnachtbaum, der Zaun hängt voller Weihnachtskugeln.
„Wir finanzieren uns allein über Spenden“, sagt Othman. Vieles komme bei den Weihnachtsaktionen zusammen, die aktuell wieder in zwei Tierfutter-Filialen laufen – in Bonn-Friesdorf und in Rheinbach. „Weihnachten ist die Hauptspendenzeit, von der wir lange zehren.“ Trotzdem: Nicht immer könnten Spenden die Ausgaben decken. 10.000 Euro und mehr fielen jedes Jahr allein an Tierarztkosten an. „Dann arbeiten wir mit Stiftungen zusammen.“ Eine davon sei „Aninova“, die verschiedene Lebenshöfe unterstütze. „Tierschutz lebt von Netzwerk“, weiß Othman.

Lisa Othman, 2. Vorsitzende des Vereins Lebenshof Anna, mit Hahn Strolch.
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Wer den Lebenshof Anna unterstützen möchte, kann das mit sowohl mit Geld- als auch mit Sachspenden tun. Freiwillige, die mithelfen möchten, seien immer gern gesehen. Vorkenntnisse brauche es dafür keine. „Allerdings müssen sich alle an gewisse Verhaltensregeln für den Umgang mit Tieren halten.“ Patenschaften für das Lieblingstier sind ab einem Betrag von fünf Euro im Monat möglich. Auf die letzte Minute „ein sehr schönes Weihnachtsgeschenk“, findet Othman.
Die Tiere an ihrem Lebensabend begleiten zu dürfen, empfindet Lisa Othman als Privileg. Deshalb macht es der 32-Jährigen auch nichts aus, dass sie die Weihnachtsfeiertage und Silvester auf der Weidewiese verbringen wird, schließlich brauchen die Tiere an jedem Tag Pflege. „Es muss jemand da sein, der die Tiere beruhigt – zu Silvester mit den Knallern. Das sind alles Fluchttiere“, sagt Othman, während sie sich auf der Weide umguckt.
„Wenn sie dann panisch rumlaufen, versuchen wir mit Futter abzulenken.“ Das sei kein Job für eine Person allein, also sind mehrere Ehrenamtliche vor Ort. „Es gibt wahrscheinlich kaum etwas Schöneres, als Silvester mit denen zu verbringen, die man gerne mag.“ Ganz gleich, ob Mensch oder Tier.
