In Rekordzeit geplantZwei weitere 217 Meter hohe Windräder sollen in Dahlem kommen

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Zwei Windräder stehen im Wald bei Dahlem

Zwei weitere Anlagen wie hier im Windpark Dahlem IV sollen nahe des Naturschutzgebiets Kalktriften gebaut werden.

Jeweils 217 Meter sollen die Windräder werden, die ein Aachener Unternehmen nahe der Kalktriften bei Dahlem bauen will. Nach einem vereinfachten Genehmigungsverfahren sollen sie 2025 ans Netz gehen.

Die Aachener Stawag Energie GmbH will zwei jeweils 217 Meter hohe Windkraftanlagen nahe des Naturschutzgebietes Kalktriften zwischen Dahlem und Baasem bauen. Und das in Rekordzeit. Doch das sorgt auch für Irritationen. 

Er fühle sich schlicht überrumpelt, sagte Reinhold Müller. Der Altbürgermeister von Dahlem ist im Naturschutzbeirat des Kreises Euskirchen als Vertreter der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) vertreten – und wirkte in der jüngsten Sitzung des Gremiums fassungslos.

Was ihn so erstaunte, ist die Absicht der Stawag Energie, einer 100-prozentigen Tochter der Stadtwerke Aachen, in der Gemarkung „im Leger“ oberhalb der B51 zwei neue Anlagen mit einer Nennleistung von jeweils 4200 kW zu bauen. Schon 2025 sollen sie ans Netz gehen. Die entsprechenden Gestattungsverträge mit den Landwirten, denen der Baugrund gehört, sind geschlossen.

Vereinfachtes Verfahren zur Genehmigung

Das mittlerweile mögliche vereinfachte Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, so Tobias Küpper, Leiter Projektentwicklung Windkraftenergie und Photovoltaik bei der Stawag Energie, soll umgehend begonnen werden. Es sieht keine öffentliche Auslegung der Planunterlagen vor, auch die anzuhörenden Träger öffentlicher Belange wie der Naturschutzbeirat müssen ihre Bedenken nicht öffentlich machen. Die nötigen Unterlagen für den Bau legte Küpper in der Sitzung des Naturschutzbeirates vor, eine FFH-Prüfung soll nachgereicht werden.

Das Tempo überraschte die Ausschussmitglieder, zumal gerade in der Gemeinde Dahlem gegen Windkraftanlagen eher bis zum Oberverwaltungsgericht geklagt werde, so Müller. Er sowie der Freilinger Landwirt Stefan Hermeling oder auch Franz-Josef Henkenmeier für die Landesarbeitsgemeinschaft Natur und Umwelt (LNU) waren skeptisch – doch es kann gut sein, dass der Investor die stärkeren Argumente hat.

Eine Gefahr für Rotmilan, Schwarzstorch und Uhu?

Der landschaftspflegerische Begleitplan und die artenschutzrechtliche Vorprüfung haben demnach keine unüberwindbaren Hindernisse für den Bau der beiden 217-Meter-Türme ergeben. Für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes will die Stawag 269.080 Euro als Kompensation zahlen. Die Beeinträchtigung des Naturhaushaltes muss mit 15.025 Punkten ausgeglichen werden.

Mehr ist im Prinzip für das Bauvorhaben mit 14 Naturschutzgebieten in einem Umkreis von rund drei Kilometern nicht zu beachten, so der Eindruck, den auch Jürgen Prell, Gutachter für die   naturschutzrechtlichen Prüfungen, vermittelte.

Auf dieser Wiese soll eines der Windräder gebaut werden.

Auf dieser Wiese oberhalb der Kalktriften soll eines der beiden Windräder gebaut werden.

Im Einzelnen führten die Kritiker vor allem die Gefährdung von Rotmilanen – ein bebrüteter Horst wurde im kritischen Umkreis nicht entdeckt –, anderen Greifvögeln, Schwarzstorch und des Uhus, der in einem nahen Steinbruch brütet, ins Feld. Zudem bestehe die Tötungsgefahr von Zugvögeln, da ein Überflugkorridor die Gemarkung kreuzt. Prell versuchte die Bedenken zu widerlegen. Die Rotorentürme würden mit einer Abschaltautomatik und einem Fledermauswarnsystem ausgestattet.

Der Überflugkorridor für Zugvögel spielt keine Rolle

Vor einer Mahd werde der Landwirt, der die Felder bewirtschaftet, den Betreiber informieren und die Anlagen abgeschaltet. Das funktioniere an einem weiteren Standort der Stawag bei Schöneseiffen seit zwei Jahren sehr gut, so Küpper.

Ein Schwarzstorch sei im Untersuchungszeitraum 2021 beobachtet worden. Den Uhu lasse eine Windkraftanlage eher kalt, das habe Uhu-Experte Stefan Brücher bestätigt. Ein Überflugkorridor für Zugvögel wiederum müsse seit 2017 nicht mehr für eine artenschutzrechtliche Prüfung berücksichtigt werden, so Bernd Scheipers von der Abteilung Umwelt und Planung bei der Kreisverwaltung.

Probleme bereitet dem Investor anderes: Die Richtwerte für die Dauer des Schattenwurfs der drehenden Rotorblätter werden überschritten. Um die Anlieger zu schützen, sind zusätzliche Abschaltzeiten einzuhalten.

Gemeinde Dahlem kann den Bau nicht verhindern

Ändern wird das am Vorhaben nichts, so Küpper – auch nicht, dass die Gemeinde Dahlem   ihr Einvernehmen verweigert: „Der Fall tritt immer wieder mal ein.“ Die Ansage   sorgte für einige Wortwechsel. Wie es denn sein könne, dass der Landschaftsschutz – die zwei Standorte liegen im Landschaftsschutzgebiet – nicht mehr gültig sei, wollte Elmar Schmidt vom NABU wissen.

Das Gremium nahm den Vortrag nur zur Kenntnis, ein Beschluss erfolgte nicht. Stattdessen soll die Kreisverwaltung begründen, warum und ob das Vorhaben im Landschaftsschutzgebiet so einfach umzusetzen ist. Die Gemeinde Dahlem kann es nicht verhindern. Sie hat im Flächennutzungsplan keine Windkraftkonzentrationszone ausweisen lassen. Daher gilt das Baugesetzbuch: Paragraf 35 weist dann im Außenbereich dem Bau von Windkraftanlagen eine privilegierte Bedeutung zu.


Dahlemer Gemeinderat tagt am 19. Dezember

Der Gemeinderat in Dahlem befasst sich am 19. Dezember mit dem Thema. Doch Erwin Bungartz, Allgemeiner Vertreter von Bürgermeister Jan Lembach, hat bereits eingeräumt, dass der Gemeinderat das Stawag-Projekt nicht verhindern kann. Es ist keine Windkraftkonzentrationszone im Flächennutzungsplan der Gemeinde eingetragen. Das habe trotz mehrerer Gespräche mit der Bezirksregierung nicht geklappt, so Bungartz.

Sein Einvernehmen zu den Stawag-Plänen kann der Gemeinderat zwar verweigern, letztlich entscheidet der Kreis Euskirchen. Da man so möglicherweise auch andere Investoren animiert, es den Aachenern gleich zu tun, schlägt Bungartz vor, im Nachhinein das Areal des Windparks Dahlem I bis V im Schmidtheimer und Berker Wald als Konzentrationszone eintragen zu lassen. So, hofft Bungartz, „würden wir den Deckel auf das Thema machen.“ (sli)

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