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ProblemviertelDas sagen Stadt und Anwohner über das Viehplätzchen in Euskirchen

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Das Bild zeigt Vertreter der Stadt Euskirchen, von Feder und Anwohner, die die Bischofstraße entlang gehen.

Zahlreiche Institutionen und Anwohner haben sich des Viehplätzchens angenommen – und werden es auch weiterhin tun.

Im Euskirchener Viehplätzchenviertel wächst ein neues Miteinander: Anwohner, Stadt und Ehrenamt schaffen gemeinsam mehr Sicherheit und Gemeinschaft.

Drogen, Dealer und Ruhestörungen durch allabendliche Trinkgelage auf der einen Seite. Anwohner, die mithilfe der Polizei sowie des Ordnungsamts und vor allem mit viel Engagement versuchen, den Ruf des Viehplätzchenviertels wieder herzustellen, auf der anderen. „Ich fühle mich hier wohl. Hier ist Leben, hier gibt es eine gewisse Solidarität, hier gibt es gelebte Nachbarschaft“, sagt Dr. Rose Haferkamp.

Sie lebt seit mehr als 30 Jahren an der Hochstraße und damit auch im Viehplätzchenviertel. Das Quartier habe sich in den Jahren natürlich verändert. Nicht immer zum Positiven. Aber in der jüngeren Vergangenheit habe sich viel getan. Man sei auf dem richtigen Weg, aber es gebe auch noch viel zu tun, sagt Haferkamp. Die Euskirchenerin hat mit einigen weiteren Anwohnern vor fünf Jahren eine Initiative rund ums Viehplätzchen ins Leben gerufen.

Hier gibt es Solidarität. Man hilft sich, spricht miteinander, achtet aufeinander – das ist echte Stadtgemeinschaft.
Dr. Rose Haferkamp, Anwohnerin des Viehplätzchenviertels

Die „Viehplätzchengruppe – besser leben im Quartier“ trifft sich regelmäßig freitags, organisiert Feste, Pflanzaktionen und Nachbarschaftstreffen. „Hier gibt es Solidarität. Man hilft sich, spricht miteinander, achtet aufeinander – das ist echte Stadtgemeinschaft“, so Haferkamp.

Nun hat die Initiative mit dem neuen Quartiersmanager und dem Verein Forum Ehrenamt der Euskirchener Region (Feder) eine eigene kleine Heimat im Viehplätzchen erhalten. Im neuen Quartiersbüro an der Bischofstraße 1 kommen Ehrenamtliche, Nachbarn und Fachstellen regelmäßig zusammen. Die Stadt hat die Räumlichkeiten für die Dauer von fünf Jahren gemietet.

Stadt Euskirchen sieht eine positive Veränderung des Viertels

Alfred Jaax, Erster Beigeordneter der Stadt Euskirchen und Dezernent für Soziales und Ordnung, sagt, dass die Stadt in den vergangenen Jahren viel in das Quartier investiert habe – von Sanierungsmaßnahmen über soziale Projekte bis hin zum Aufbau stabiler Nachbarschaftsstrukturen. „Wir sehen Veränderungen. Es ist noch ein weiter Weg, aber die Initiative zeigt Wirkung. Immer mehr Menschen sind bereit, sich zu beteiligen“, so Jaax.

Das problembehaftete Viertel habe sich sichtbar verändert, so Jaax. Polizei und Ordnungsbehörde haben laut dem Ersten Beigeordneten ihre Präsenz verstärkt, vermehrt Kontrollen durchgeführt und gemeinsam mit dem Team „AnKE“ (Anlaufstelle Konfliktmanagement Euskirchen) verlässliche Präsenz im Alltag gezeigt. Mit dem „Runden Tisch Viehplätzchenquartier“ sei zudem ein fester Rahmen geschaffen worden, in dem Stadtverwaltung, Polizei, Caritas und engagierte Bürgerinnen und Bürger regelmäßig zusammenkommen.

Das Bild zeigt einige Gebäude im Viehplätzchenviertel.

Das Haus an der Bischofstraße ist bereits seit einigen Monaten versiegelt. Was damit passiert, ist offen.

Das Bild zeigt einen ehemaligen landwirtschaftlich genutzten Betrieb an der Bischofstraße in Euskirchen. Er ist ziemlich heruntergekommen.

Die bauliche Substanz im Viehplätzchenviertel lässt an einigen Stellen zu wünschen übrig.

Themen wie Stadtgestaltung, Verkehrssituation, öffentlicher Alkoholkonsum, Sauberkeit, Begrünung und das soziale Miteinander stehen laut Jaax in den Runden auf der Agenda. „Gemeinsam werden Probleme angesprochen und Lösungen entwickelt – mit Erfolg“, sagt er.

Feder-Vorsitzender Harald Nöttel und Geschäftsführerin Gabi Eschweiler betonen, wie wichtig der Standort mitten in der Innenstadt sei: „In den alten Räumen am Stadtrand war kaum Laufkundschaft. Hier sind wir sichtbar und mitten im Geschehen“, so Nöttel. Feder vermittelt Ehrenamtliche an Organisationen und Projekte und bietet dienstags eine offene Sprechstunde an.

Julian Lohmar leitet das Quartiersmanagement

Ein weiterer Baustein im Netzwerk ist das Quartiersmanagement, das von Julian Lohmar geleitet wird. Sein Team ist Teil des städtischen Konfliktmanagements und versteht sich als „Scharnier“ zwischen Verwaltung und Bürgerschaft. „Wir kennen viele der Menschen hier persönlich. Präsenz vor Ort wirkt – oft beruhigt sich die Lage schon, wenn wir einfach da sind“, erklärt Lohmar, der im Quartiersbüro ebenfalls eine Anlaufstelle für alle Anwohner, die sich informieren oder selbst aktiv einbringen möchten, hat.

Doch trotz aller Fortschritte bleiben Herausforderungen. Themen wie Obdachlosigkeit und der Zustand mancher Gebäude beschäftigen die Verantwortlichen weiterhin. „Wir haben ein abgestuftes System, um wohnungslosen Menschen zu helfen – von Unterkünften über Notschlafstellen und sogenannte Iglus für Menschen, die im Winter sämtliche Unterbringungsmöglichkeiten ablehnen. Niemand muss auf der Straße schlafen“, sagt Jaax.

Dennoch sei die Problematik sichtbar – auch im Bereich des Viehplätzchenviertels. „Viele Anwohner tun mehr als mancher Sozialarbeiter“, sagt Haferkamp, die sagt, dass sich auch die Gaststätte „Bei Alex“ und die Begegnungsstätte „Simons Glück“ positiv aufs Veedel ausgewirkt hätten.

Das Büro ist ein Glücksfall für die Stadt.
Alfred Jaax, Erster Beigeordneter der Stadt Euskirchen

Bei der Aktivierung von Eigentümern oder beim Erwerb sanierungsbedürftiger Gebäude stoße die Verwaltung an Grenzen – nicht zuletzt durch Denkmalschutz und begrenzte Mittel, so Jaax. Aber man tue im Rahmen von städtischen Möglichkeiten alles, um auch da Druck vom Kessel zu bekommen.

Trotzdem seien die positiven Veränderungen im Stadtbild nicht zu übersehen, sagt der Erste Beigeordnete. Der Rüdesheimer Platz und das kleine Luisenplätzchen seien umgestaltet und neu möbliert worden. „Man spürt den Wandel“, betont auch Quartiersmanager Lohmar: „Die Quartierbewohner erzählen von einer deutlich friedlicheren Stimmung im öffentlichen Raum im Vergleich zu früher.“ Dieses Bild bestätigen auch Polizei und Ordnungsamt.

Ein Wunsch der Anwohner wird wohl unerfüllt bleiben

Für Dr. Haferkamp bleibt das Viehplätzchen trotz mancher Baustellen ein besonderer Ort: „Es gibt hier ein soziales Leben auf der Straße, Nachbarschaft, Nähe. Das macht das Viertel aus.“ Sie wünscht sich dennoch mehr Angebote für Kinder und Jugendliche: „Ein Spielplatz für ältere Kinder fehlt hier. Familien brauchen wohnortnahe Freiflächen“, sagt die Anwohnerin. Ein Wunsch, der trotz des bevorstehenden Weihnachtsfests, wohl unerfüllt bleibt.

Die Stadt verweist auf bestehende Anlagen in der Umgebung, will das Thema aber weiter beobachten. „Wir haben im Bereich des Annaturmplatzes einen tollen Spielplatz“, so Jaax, der sich schon jetzt vom Quartiersbüro als Anlaufpunkt begeistert zeigt. „Das Büro ist ein Glücksfall für die Stadt“, sagt er: „Hier wird sichtbar, wie bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamt und Verwaltung gemeinsam etwas bewegen können.“

Für die Stadt sei das Projekt ein Modell mit Signalwirkung: „Wir wollen zeigen, dass Veränderung gelingt, wenn Menschen in ihrem Quartier Verantwortung übernehmen – und wir sie dabei unterstützen“, sagt der Erste Beigeordnete im Gespräch mit dieser Zeitung.


Projekte und Maßnahmen im Euskirchener Viehplätzchenviertel

  1. 2007: Beauftragung der vorbereitenden Untersuchungen für eine Sanierung des Viertels zwischen Hochstraße und Kommerner Straße.
  2. Januar 2008: Der Planungsausschuss der Stadt Euskirchen beauftragt die Erarbeitung eines integrierten Handlungskonzepts.
  3. November 2008: Erster Sanierungsworkshop fürs Veedel und Eröffnung des Stadtteilbüros an der Kapellenstraße.
  4. Februar 2009: Abstimmung mit der Bezirksregierung zur Aufnahme in das Programm Soziale Stadt.
  5. Mai 2009: Kunstaktion „Grüner wird's nicht“ mit Studierenden der RWTH Aachen.
  6. Januar 2010: Kommunaler Erwerb eines Schlüsselgrundstücks zum Neubau einer Kita mit Wohnungsbau und Gastronomie sowie zur Erweiterung der historischen Wallanlage.
  7. April 2010: Ausstellung „Schulen stellen aus“ in leerstehenden Ladenlokalen durch umliegende Schulen.
  8. Mai 2010: Graffiti-Aktion mit den benachbarten Schulen unter Anleitung von zwei Künstlern.
  9. Juni 2010: Veranstaltung der Viehplätzchen-Fußball-WM.
  10. Februar 2013: Musikprojekt zum Viehplätzchen der Musikschule.
  11. Mai 2015: Abschluss des Projekts „Soziale Stadt – Viehplätzchenviertel“.
  12. Oktober 2019: Von den ehemals drei Gaststätten auf der Kapellenstraße ist eine bereits zu Wohnraum umgebaut worden, eine steht leer, die dritte ist abgerissen. Mittlerweile steht dort ein Wohnhaus.
  13. Juni 2022: Mehr als 100 Beamte sind bei einer Razzia im Einsatz.
  14. Juli 2023: Die Stadt Euskirchen errichtet auf dem Rüdesheimerplatz mehrere Spielgeräte. Auch die Caritas und einige Anwohner bringen sich ein und veranstalten verschiedene Feste.
  15. September 2025: Der Zoll führt eine Razzia in einem Kiosk am Viehplätzchen durch.