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Geflüchtete UkrainerBetreiber ohne Erfahrung für Unterkunft in Marmagen

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Eifelhöhen-Klinik

Nun sollen Ende Juni die ersten Geflüchteten in der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik in Marmagen untergebracht werden.  

Nettersheim-Marmagen – Erst Ende April, dann Ende Mai, nun Ende Juni – wenn denn alles so klappt, wie sich das die Bezirksregierung Köln und der neue Betreiber vorstellen, geht die sogenannte Puffereinrichtung für Geflüchtete aus der Ukraine mit deutlicher Verzögerung an den Start. Immerhin ist mittlerweile ein Betreiber gefunden.

Die BOS 112 Risc-Management GmbH mit Sitz in Bernburg und einer Dependance in Leichlingen hat den Zuschlag für die ehemalige Eifelhöhen-Klinik erhalten.

BOS112 hat noch keine große Flüchtlingsunterkunft geleitet

BOS ist die Abkürzung für Behörden und Organisationen, die mit Sicherheitsaufgaben betraut sind. 112 ist die Notfallnummer für Rettungsdienst und Feuerwehr. Und genau damit wirbt das Unternehmen auf der eigenen Website. „Wir sind Feuer und Flamme für Ihre Sicherheit“ steht dort zu lesen.

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In den vergangenen Monaten leitete BOS 112 zahlreiche Impfstellen und Corona-Testzentren. Eine große Flüchtlingsunterkunft – nach Angaben der Bezirksregierung sollen bis zu 756 Geflüchtete aus der Ukraine in der ehemaligen Reha-Klinik unterkommen – hat das Unternehmen aber noch nicht geleitet.

Unternehmen sucht nun Mitarbeiter für Marmagen

Und BOS 112 sucht Mitarbeiter für Marmagen: vom Hausmeister über Betreuer sowie Rettungshelfer bis hin zum Einrichtungsleiter. All diese Stellen sind auf der Unternehmensseite ausgeschrieben. „Wir freuen uns auf die kommenden Aufgaben“, sagt Tim Balz, Chief Operating Officer bei BOS 112. Mehr könne und dürfe er aber nicht sagen, da die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in diesem Falle bei der Bezirksregierung liege.

Mindestens sechs Monate läuft laut Vanessa Nolte, Pressesprecherin der Bezirksregierung, der Vertrag mit BOS 112. Darüber hinaus gebe es die Option, den Vertrag bei Bedarf zu verlängern.

Im Verfahren die höchste Punktzahl erreicht

BOS 112 habe den Zuschlag für den Betreuungs- und Sicherheitsdienst in der Unterkunft Marmagen erhalten, weil das Unternehmen anhand der Auswahlkriterien im Vergabeverfahren am höchsten bewertet worden sei, erklärt Nolte: „Punkte wurden unter anderem für das eingereichte Gesamtkonzept vergeben – inklusive vielschichtiger weiterer Bausteine wie für die Sanitätsstation, die Kinderspielstube oder die Freizeitgestaltung.“

Dass nun mit BOS 112 ein Unternehmen den Zuschlag erhalten hat, das bisher kaum bis keine Erfahrungen im Bereich Flüchtlingsbetreuung vorweisen kann, und eine erfahrene Hilfsorganisation wie das Deutsche Rote Kreuz in die Röhre guckt, fällt wohl in die Kategorie „Freie Marktwirtschaft“. So begründet auch die Bezirksregierung ihre Entscheidung. „Für die Auswahl des Betreuungs- und Sicherheitsdienstes ist die Bepunktung im Vergabeverfahren ausschlaggebend. Nicht berücksichtigt wird dabei aus Gründen des fairen Wettbewerbs, wie viel Erfahrung das sich bewerbende Unternehmen vorweisen kann“, sagt Nolte auf Nachfrage.

Unklar, wie viele Geflüchtete nach Marmagen kommen

Wie viele Geflüchtete nach Marmagen kommen werden, ist aktuell offen. Dazu könne die Bezirksregierung Köln keine valide Aussage treffen, berichtet die Pressesprecherin: „Die Entscheidung obliegt der Asylkoordination, die zentral für das Land NRW bei der Bezirksregierung Arnsberg angesiedelt ist. Die Bezirksregierung Köln hat keinen Einfluss auf die Verteilung der Geflüchteten.“

Über insgesamt 364 Betten verfügte die Klinik einst, bis sie im Jahr 2020 geschlossen wurde. Mit mehr als doppelt so vielen Geflüchteten kalkuliert die Bezirksregierung im Ernstfall. „Möglich wird das durch die geplante Ausstattung mit Doppelstockbetten“, erklärte Thomas Metz, Immobilienexperte der Bezirksregierung bei einem Vororttermin Anfang April.

DRK schaute bei der Ausschreibung in die Röhre

Laut Bezirksregierung hatten sich zunächst jeweils drei Sicherheitsdienstleister und Betreuungsdienstleister auf die Ausschreibung beworben. Ein Bewerber im Bereich Betreuungsdienst habe seine Bewerbung dann aber zurückgezogen, so Nolte. Es war letztlich also ein Duell zwischen BOS 112 und dem DRK.

„Wir wussten, dass es mehrere Bewerber gibt. Dass wir nicht den Zuschlag erhalten haben, ist schade. Wir hätten das gerne gemacht, und ich glaube, wir hätten das auch gut gemacht“, sagt Rolf Klöcker, Kreis-Geschäftsführer des DRK. Man habe ein „solide kalkuliertes Angebot“ abgegeben. „Wir haben keine horrenden Preise veranschlagt, haben aber natürlich die Risiken eingepreist, die sich im Rahmen einer solchen Laufzeit einstellen können“, so Klöcker. Man habe eben auch einen gewissen Anspruch an die Betreuung.

DRK-Chef Klöcker: "Preis darf nicht das entscheidende Kriterium sein.“

Der Kreis-Geschäftsführer ergänzt: „Ich finde es absolut in Ordnung, eine gewöhnliche Dienstleistung auszuschreiben. Wenn man dann verliert, weil man nicht der günstigste Anbieter war, kann man das nur sportlich sehen. Aber wenn es um die Versorgung und die Betreuung von Menschen geht, dann sollte man besonderes Augenmerk darauf legen, wer den Zuschlag erhält. Da darf der Preis nicht das entscheidende Kriterium sein.“

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Bevor die Unterkunft nun voraussichtlich Ende Juni an den Start gehen wird, gibt es nach Bekunden von Pressesprecherin Nolte zuvor einen Termin mit potenziellen ehrenamtlichen Helfern und örtlich ansässigen Vereinen.

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