Im Besitz eines OligarchenWelche Folgen hat der Ukraine-Krieg für den Nürburgring?

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Nürburgring 24h-Rennen (1)

Der Nürburgring gehört einem russischen Oligarchen.

  • Der russische Oligarch Viktor Wladimirowitsch Charitonin gilt als der „Herr der Rings“.
  • Der Milliardär und Autosammler hält aktuell 99 Prozent der Anteile des Nürburgrings.
  • Während Geschäftspartner wie Roman Abramowitsch bereits hart sanktioniert wurden, blieb Charitonin bislang verschont. Aber wie lange noch?

Nürburgring – Seit Oktober 2014 ist der russische Milliardär Viktor Wladimirowitsch Charitonin (Kharitonin) der „Herr des Rings“: Der als leidenschaftlicher Autosammler und Oldtimer-Fan bekannte Industrielle trat als Besitzer des Nürburgrings die Nachfolge des damals in wirtschaftliche Schieflage geratenen Düsseldorfer Automobilzulieferers Capricorn an. Charitonin hält aktuell 99 Prozent der Nürburgring-Anteile, ein Prozent ist im Besitz der am Nürburgring ansässigen Motorsportfirma Getspeed. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wirft jetzt jedoch die Frage auf, ob der 49-Jährige zu den russischen Personen zählt, die auf Sanktionslisten geführt werden. Doch dort findet man ihn bisher nicht.

Allein die Liste der Europäischen Kommission, die auch Einzelpersonen treffen soll, umfasst 877 Personen – davon mehr als 30 russische Oligarchen. Zielgerichtet soll so gegen Mitglieder der gesamten russischen Regierung und ihre Angehörigen, Geschäftsleute, sowie gegen Akteure der führenden Wirtschaftssektoren Russlands vorgegangen werden, die Putins militärische Aggressionen unterstützten. Sanktioniert wird beispielsweise auch der russische Oligarch Roman Abramowitsch, Noch-Besitzer des englischen Premier-League-Clubs Chelsea FC.

Nürburgring: Oligarch Viktor Charitonin zurück im Blickfeld

Und damit rückt auch Charitonin acht Jahre nach der Übernahme des für die Eifelregion wichtigen Nürburgrings wieder ins Blickfeld. Der 49-Jährige ist Großaktionär und Aufsichtsratschef des russischen Arzneimittelherstellers Pharmstandard. Das Unternehmen hat Charitonin 2003 zusammen mit Abramowitsch gegründet.

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Während Abramowitsch sanktioniert wird und Berichten zufolge seine Rechnungen nicht mehr zahlen kann, ist der Name Charitonin nicht auf der Sanktionsliste der EU aufgeführt. Allerdings findet er sich auf der „Putin-Liste“ (CAATSA Report), die 2018 vom US-Finanzministerium veröffentlicht wurde, als die US-Regierung im Zuge der Manipulationsvorwürfe gegen Russland bei der Präsidentschaftswahl 2016 und dem damaligen russischen Vorgehen gegen die Ukraine und der Annexion der Krim vorbereitete. Die Liste ist aber keine Sanktionsliste.

EU-Kommission und Auswärtiges Amt äußern sich nicht zu möglichen Sanktionen

Damit stellt sich trotzdem die Frage, ob auch der Nürburgring-Besitzer noch auf einer Sanktionsliste der Europäischen Union auftauchen könnte, wenn es im Zuge des Ukraine-Kriegs zu einer Ausweitung der Sanktionen kommen sollte. Dabei lassen sich die Verantwortlichen aber nicht in die Karten schauen.

Die Pressestelle der EU-Kommission machte zu einer möglichen Erweiterung der Sanktionsliste gegen Oligarchen auf Anfrage der Redaktion keine Angaben. „Zu Personen, die nicht auf der Liste stehen, können wir keinen Kommentar abgeben, ebenso wenig äußern wir uns grundsätzlich nicht zu vertraulichen internen Dokumenten (in diesem Fall des Rats der EU). Es gelten allein die veröffentlichten Versionen“, teilte ein Kommissionssprecher mit.

In einer Mitteilung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Inhalt des vorgeschlagenen 5. Sanktionspakets heißt es: „Wir arbeiten an weiteren Sanktionen, einschließlich in Bezug auf Erdöleinfuhren, und wir stellen Überlegungen zu einigen der von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Ideen an, beispielsweise zu Steuern auf bestimmte Zahlungskanäle wie Treuhandkonten.“

Grundsätzlich gilt, dass der Europäische Auswärtige Dienst und die Mitgliedsstaaten Personen vorschlagen, die mit Individualsanktionen belegt werden sollen. Doch das wird hinter verschlossenen Türen vorbereitet. So machte auch das Auswärtige Amt auf die Frage der Redaktion, ob mit der Aufnahme Charitonins zu rechnen sei, keine Angaben.

Keine Folgen für den Nürburgring? „Rock am Ring“ soll stattfinden

Derweil hat am Nürburgring der auch durch die Corona-Pandemie beschränkte Saisonbetrieb wieder Fahrt aufgenommen. Sowohl die Rennsportveranstaltungen wie das 24-Stunden-Rennen vom 26. bis zum 29. Mai, das zum 50. Mal durchgeführt wird, als auch Großevents wie „Rock am Ring“ finden sich im Veranstaltungsprogramm für 2022.

Die Betreiber gehen davon aus, dass ihnen der Ukraine-Krieg keinen Strich durch die Rechnung macht. „Das uneingeschränkte Bekenntnis zur Location und zum Standort in der Eifel sowie die getätigten Investitionen in Infrastruktur und Rennstrecke haben den Nürburgring, der 2012 noch unter der Insolvenz der einstigen Betreibergesellschaft litt, zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Standort gemacht“, sagt Nürburgring-Sprecher Alexander Gerhard. „Es gibt aktuell keinen Anlass, uns Sorgen zu machen: Der Betrieb läuft ganz normal weiter“, bekräftigt Gerhard im Gespräch mit dieser Zeitung.

Opposition in Rheinland-Pfalz hält Lage des Nürburgrings für ungeklärt

Als ungeklärt sieht hingegen die Opposition im Mainzer Landtag die aktuelle Lage des Nürburgrings an: „Auf Nachfrage der CDU-Landtagsfraktion im vergangenen Innenausschuss blieb die Landesregierung konkrete Antworten schuldig, ob die Sanktionen gegen russische Oligarchen auch Auswirkungen auf den Nürburgring, den Fahr- oder Rennbetrieb haben“, berichtet CDU-Sprecher Tobias Diem.

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„Es liegt uns bis zum heutigen Tag keine Information dazu vor, ob [sich] der russische Unternehmer Charitonin, in dessen Besitz sich der Nürburgring befindet, auf einer der Sanktionslisten wiederfindet. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine werden wir die Lage parlamentarisch erneut ansprechen müssen.“

Die Landesregierung hatte im Innenausschuss erklärt, nicht zuständig zu sein: „Der Flughafen Hahn und der Nürburgring gehören seit Jahren nicht mehr dem Land Rheinland-Pfalz, daher verbieten sich Spekulationen“, sagte Randolf Stich, Staatssekretär im Innenministerium, dem SWR.

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