Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

TagesklinikMehr Platz für die Therapie

Lesezeit 3 Minuten

.Ein Mauerdurchbruch hat den Raum für Basteln und Spielen deutlich vergrößert, erläuterte Chefärztin Dr. Judith Sinzig.  

Euskirchen – Nach 13 Jahren Kinder- und Jugendtherapie im ehemaligen Schwesternwohnheim am Marien-Hospital ist fast alles neu: die Patienten natürlich und endlich auch die Räume – lediglich der Personalstamm hat sich kaum verändert. Das freut vor allem Andrea Linnenbaum, die seit Anbeginn die Station leitet. Viele Fälle hat sie in all den Jahren erlebt, ein jeder anders, und trotzdem kann sie sagen: „In der Regel gehen die Patienten besser heraus, als sie zu uns gekommen sind. Nur manche haben Angst, sie könnten den Schulabschluss nicht gleichzeitig vorbereiten und brechen vorzeitig ab.“

Im letzten Gebäudeflügel an der Gottfried Disse-Straße, der die Hausnummer 38e trägt, stehen neuerdings zwei Etagen für die Arbeit mit den meist sechs Kindern und sechs Jugendlichen zur Verfügung – eine mehr als früher. Mit Spiel und Gemeinschaftsaufgaben wird hier bereits vieles korrigiert, was krankheitsbedingt oder unter widrigen sozialen Verhältnissen aus dem Lot gekommen ist. „Schulangst ist das Harmloseste, Magersucht und Psychosen können hier in der Stabilisierungsphase nach einer stationären Behandlung ebenfalls therapiert werden“, erklärt Linnenbaum.

In der Tagesklinik Euskirchen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Landschaftverbands Rheinland

(LVR) arbeiten vier Pfleger und Erzieher, vier Fachtherapeuten (Heilpädagoge,  Ergotherapeut, Bewegungstherapie und Milieu-Sozio-Therapie), zwei Ärztinnen, ein Psychologe sowie eine Sekretärin.

Der Umbau hat nicht nur das Platzangebot verdoppelt, sondern vor allem mehr mehr Freiraum geschaffen. Es gibt viel Platz zum Spielen, Basteln, Kochen und Turnen. Dies gilt auch für die Diagnose oder einfach zum Ausruhen.

Ohne Lernen geht es nicht, und darum sieht es in zwei Zimmern auch etwas nach Schule aus. Ein Lehrer kümmert sich um die Kinder und Jugendlichen. Ein zweiter, so Chefärztin Judith Sinzig, soll in Kürze hinzukommen. (mfr)

Im Prinzip sind die zwölf Therapieplätze, die den gesamten Bedarf aus dem Kreis Euskirchen abdecken müssen, immer belegt. „Ein bisschen hängt das von der Saison ab“, sagt Chefärztin Dr. Judith Sinzig: „Kurz vor den Schulzeugnissen und im Winter, wenn hyperaktive Kinder nicht raus können, gibt es auch schon mal Wartezeiten von mehr als sechs Wochen.“

Im Durchschnitt werden Kinder und Jugendliche acht bis zwölf Wochen behandelt. Dazu reiche in zwei Dritteln der Fälle die reine Therapie aus. Lediglich ein Drittel werde mit Medikamenten behandelt.

Manche Fälle könnten auch in der Ambulanz behandelt werden, die sich im gleichen Haus befindet. Sinzig ist Stolz auf die Gruppe für Eltern von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit oder hyperaktiven Störungen. (ADHS) sowie die Gruppe für Kinder psychisch kranker Eltern. Denn häufig seien Kinder psychisch kranker Eltern betroffen. Armut, getrennte Eltern und hohe intellektuelle Fähigkeiten sind ebenfalls typische Risikofaktoren. Dr. Sinzig hat einen Anstieg der Zahl von behandlungsbedürftigen Kindern beobachtet. „Für ein Zehntel aller Kinder wird laut Diagnosen eine Behandlung empfohlen. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein.“ In der Hälfte aller Fälle kämen Eltern ohne Anregung durch Hausarzt oder Schule direkt zur Ambulanz, weil ihr Kind auffällig wurde. „Fast immer ist dann auch eine Behandlung notwendig“, sagt Sinzig. Es werde genau geschaut, ob nicht krankheitsbedingte Faktoren für die Auffälligkeiten verantwortlich sind, etwa ein kleiner Tumor. So beginne jede Behandlung mit einer dreiwöchigen Diagnostik. Mit Medikamenten ist die Tagesklinik in Euskirchen sehr zurückhaltend. Dies war auch ein Thema für den Gastredner, Prof. Dr. Gerd Lehmkuhl von der Uni Köln. Er behandele kaum Süchtige mit Medikamenten und plädiert für altersgerechte Therapie.

Kinder, die durch Hyperaktivität, Aggression oder Magersucht auffallen, können von ihren Eltern unmittelbar bei der Ambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie des LVR vorgestellt werden. Gottfried-Disse-Straße 38e, Tel. (0 22 51) 98 71-0. Montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 14 Uhr.

www.klinik-bonn.lvr.de