Bauen für TiereWie der Kölner Zoo seine Bewohner glücklich macht

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Einen natürlichen Wasserzugang hat das   Löwengehege. 

Köln – Kindergärten bauen, das ist leicht. Und nicht sein Ding. Wolfgang Brass baut Tiergehege. Die größten, die die Stadt zu bieten hat. Den Elefantenpark zum Beispiel. Und den Hippodom. „Bauen für Tiere, das ist viel Versuch und Irrtum. Man denkt nach, plant, spricht mit Kollegen. Am Ende zeigen uns die Tiere, was geht. Und ganz schnell, was nicht.“

Die Bedürfnisse der Tierarten kennen

Tiefe Türklinken, abgerundete Ecken – Vorgaben wie diese haben sich bei Bauten für Kinder bewährt. „Solche Richtlinien gibt es auch für Gehege. Aber jede einzelne Tierart hat spezielle Bedürfnisse, die in den Haltungsrichtlinien gar nicht alle erfasst sein können“, sagt Brass. Er ist technischer Leiter im Kölner Zoo, in dem 850 Arten von Säugetieren, Fischen, Vögeln und Reptilien leben.

Extremwetter und Klimaschutz

50 Jahre und älter sind die Gelände der meisten Zoos. Die Überprüfung der Grundleitungen sowie Nachdenken über Rückhaltebecken und Flächenentsiegelung steht aktuell vielerorts an.

Energetisch ein Grauen seien Anlagen mit 35, 40 Grad Innentemperatur. Und die gebe es in allen Zoos, so Christine Gerner vom Tierpark Hellabrunn. Zoobauten gelten als Ställe. Deshalb müssten die Richtlinien der Energiesparverordnung nicht eingehalten werden, brauche man keine wärmegedämmten Fenster. „Die bauen Zoos aber meist trotzdem ein, denn die Energiebilanz ist für alle ein Thema“, so Gerner.

Erneuerbare Energien sollen den Bedarf der Meranti-Halle, die in Münster entsteht, decken. Die Halle für Tiere Südamerikas wird mittels Geothermie, Wärmespeicherung und Photovoltaik beheizt. Photovoltaik ist auch für das Dach des neuen Verwaltungsgebäudes des Zoos geplant. Der verzichtet mit Blick auf den Klimaschutz auf die im alten Masterplan vorgesehene Klimarktis – statt Eisbären und Co. sollen jetzt Tiere der Alpenregion gezeigt werden. (bos)

Dazu kommt: Tiere sind lernfähig und sehr individuell in ihrem Verhalten. „Einer unserer Elefantenbullen hat eine Strom-Verteilerdose abgerissen – die saß in sieben Metern Höhe“, schildert Dirk Heese, Technischer Leiter des Allwetterzoos Münster. „Eigentlich undenkbar. Er muss sich auf die Hinterbeine gestellt und unglaublich gestreckt haben.“

Austausch mit Kollegen anderer Länder

Weil Tiere auf immer neue Ideen kommen und fast jedes Stallgebäude ein Unikat ist, treffen sich die technischen Leiter von Zoos in Österreich, der Schweiz und Deutschland einmal im Jahr zum Kolloquium, zuletzt im Kölner Zoo. „Der persönliche Austausch ist wichtig. Wir wollen ja alle nicht, dass Kollegen die Fehler machen, die wir gemacht haben“, sagt Christine Gerner, Leiterin der technischen Abteilung des Münchener Tierparks Hellabrunn. Bei ihr war es die Hydraulik. Rückblicken muss sie drüber schmunzeln. „Wir haben in unserer betonierten Elefantenhalle eine Sandfläche angelegt.

Da hat sich eine sehr alte Elefantenkuh zum ersten Mal hingelegt. Das zu sehen, hat uns alle sehr gerührt“, erinnert sie sich. Durch den höheren Staubgehalt in der Halle litt allerdings die Hydraulik der schweren Sicherheitstore. Die muss jetzt häufiger gewartet werden. „Viel häufiger“, sagt Gerner. „Egal. Jetzt ist die Haltung artgerechter.“ „Gute Tierhaltung unter einen Hut zu bringen mit Sicherheit und Technik, das ist sehr anspruchsvoll“, weiß Brass. Nicht zuletzt müssen die Anlagen leicht zu reinigen sein, die Tiere publikumswirksam präsentiert werden.

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Genau richtig rau muss der Boden im Hippodom sein, damit die Flusspferde auch im Wasser Halt finden, aber sich nicht verletzten. 

„Wo Zoodirektoren einen Urwald sehen, überlegen wir, wo wie die Wartungswege unterkriegen“, skizziert Heese. Auch im kürzlich eröffneten Arnulf-und-Elisabeth-Reichert-Haus sollen die Bäume mal bis an die Luftkissendecke wachsen – und müssen dann von einem Hubwagen aus beschnitten werden. Der befahrbare Weg in der Halle ist mit Erde und Pflanzen getarnt, um das Naturerlebnis der Besucher nicht schmälern. Die technische Umgestaltung des Hauses ließen sich kürzlich sogar Zoo-Architekten aus Brasilien von Wolfgang Brass erklären.

Wichtige Grundlage: Die Tiere genau in ihrem Alltag studieren

Wichtig ist aber auch die kleinteilige Arbeit im Alltag der Zootechniker. Etwa, wenn Tiere in ein neues Gehege umziehen. Dann beobachten ihre Pfleger und Pflegerinnen sie über Stunden, um schnell auf Probleme reagieren zu können. „Für einen unserer Tapire war der Wassergraben zu steil, er kam nicht wieder raus. Mit ein paar montierten Plastikleisten am Graben war dann alles gut“, sagt Brass.

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Zoo-Architekten aus Brasilien lassen sich von Wolfgang Brass den Elefantenpark erklären.  

Ausbrüche verhindern – auch dafür müssen die Techniker gerade stehen. Deshalb hat Gerner die neue Gorilla-Außenanlage des Tierparks zwei Tage lang von einem Freikletterer checken lassen. Der war mit Matratze als Fallschutz angereist. „Zwei Stellen hat er gefunden, wo die Gorillas herausgekommen wären“, erinnert sich Gerner. Im Team mit den Pflegern tüfteln die Techniker auch Beschäftigungsmöglichkeiten aus. So vergnügen sich die Kölner Elefanten mit großen Hartgummibällen, die für die Reinigung von Pipelines hergestellt wurden. Andere Zoos haben die Idee übernommen. Dafür profitiert Wolfgang Brass jetzt von den Erfahrung seiner Münchener Kollegin. Hier kamen die Giraffen mit einem Bodenbelag nicht zurecht, obwohl die Testfläche erstmal gut angenommen worden war. Für das neue Giraffenhaus setzt Brass deshalb auf Naturboden. „In einer Ummantelung, die ihn vorm Auskühlen schützt.“ Der entspricht auch dem Trend zur naturnahen Haltung der Tiere.

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Trotz Vernetzung und Teamarbeit haben die Tiere den Technikern eines voraus. Zeit. „Unsere Orang Utans haben zugeschaut, wie die Hydraulikplatten gewartet wurden“, erzählt Gerner. „Am nächsten Morgen saßen sie da, jeder mit einer Hand voll Schrauben. Die hatten sie im Laufe der Nacht abgedreht.“ Das nahm die Technik-Chefin sportlich. Und fing an, zu tauschen: Banane gegen Schraube, Banane, Schraube, Banane...

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