Kölns Baumeister gehtEinsturz des Stadtarchivs „eins der schlimmsten Erlebnisse“

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Über den Häusern der Stadt, die er maßgeblich mitgeprägt hat: Gerd Neweling.

Über den Häusern der Stadt, die er maßgeblich mitgeprägt hat: Gerd Neweling.

In privaten Büros oder großen Baufirmen lässt sich heute als Ingenieur weit mehr Geld verdienen als bei der Stadt. Was würden Sie einem Absolventen sagen, warum es sich dennoch lohnt, bei der Kölner Stadtverwaltung anzufangen?

Man hat sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten. Köln ist groß, es gibt sehr viele interessante Projekte. Rheinbrücken zum Beispiel – damit hat man auch nicht in allen Städten zu tun. Familienfreundlichkeit und Weiterbildung wird bei uns ganz groß geschrieben. Es bestehen Aufstiegsmöglichkeiten.

Wenn Sie im Februar in den Ruhestand gehen, werden Sie auf 33 Jahre Dienstzeit zurückschauen. Welche sind die Projekte, auf die Sie mit einem besonderen Stolz zurückblicken?

Das ist schon eine Reihe: Der U-Bahnbau in Mülheim, die Verlängerung der Linie 1 zur Fußball-WM 2006 oder auch die Planung des Hochwasserschutzes. Und dann der Bau der Domtreppe, rechtzeitig zum Weltjugendtag (2005; Anm. d. Red.). Der fand unter ganz besonderen Bedingungen statt.

Was war so besonders?

Es musste unbedingt der Aufzug funktionieren, weil der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble als Gast erwartet wurde (Schäuble sitzt seit einem Attentat im Jahr 1990 im Rollstuhl; Anm. d. Red.)

Doch das sah noch 14 Tage vorher gar nicht danach aus. Wir hatten kaum noch Hoffnung und haben Blut und Wasser geschwitzt. Es war wie ein Krimi. Letzenden Endes haben wir es aber noch hinbekommen.

Fehlt noch etwas?

Oh ja, die Planung der Nord-Süd-Stadtbahn.

Schon zu Beginn der Bauarbeiten hatte die KVB das Projekt ganz übernommen. Aber die Planung für diesen Abschnitt hatte noch die Stadt durchgeführt.

Ja. Mir schoss nach dem Einsturz des Stadtarchivs am Waidmarkt 2009 direkt durch den Kopf: Hast du da etwas verkehrt gemacht? Ich hatte schlaflose Nächte. Das war eines der schlimmsten Erlebnisse meines Berufslebens.

Als Ingenieur hat mir das Unglück klar Grenzen aufgezeigt. (Laut eines Urteils des Landgerichtes Köln geht das Unglück auf einen Fehler bei der Bauausführung zurück; Anm. d. Redaktion).

Auch im nunmehr elften Jahr nach dem Unglück arbeitet der Gutachter immer noch in der Baugrube an der Unglücksstelle. Glauben Sie, wir werden es noch erleben, dass unter dem Waidmarkt eine Stadtbahn fährt?

Es laufen zurzeit intensive Gespräche mit der Arge (Die zusammengeschlossenen Baufirmen für diesen Bauabschnitt; Anm. d. Redaktion), damit es weiter geht. Die Gespräche laufen ganz konstruktiv, wir sitzen regelmäßig mit der Arge zusammen und bringen die Planung für die Sanierung, also beispielsweise Ausräumung der nach dem Einsturz in Eile eingebrachten Betonmassen und Sicherung der Baugrube sowie den anschließenden Weiterbau des Gleiswechselbauwerks Waidmarkt voran.

An diesen Gesprächen bin ich beteiligt. Unabhängig davon, dass wir mit der Arge im Rechtsstreit darüber liegen, wer die Kosten des Unglücks zu tragen hat. Wir können das gut trennen, denn es muss ja dort endlich einmal weitergehen. Wichtig dabei ist: Es geht dabei nicht um eine außergerichtliche Einigung. Wir trennen also strikt den Weiterbau des Gleiswechselbauwerks als letztes fehlendes Glied im Verlauf der Nord-Süd Stadtbahn im Sinne des durchgehenden Verkehrswerts einerseits und dem Streit um die Kosten andererseits. Wir gehen von einem Abschluss der Planungen in 2020 aus.

Welches ist das größte Projekt, das für Köln in den kommenden Jahren ansteht?

Das ist klar die Ost-West-Achse (Die Ertüchtigung der Stadtbahnlinie zwischen Weiden West und Bensberg; Anm. d. Red.). Ob der Tunnelbau kommt, ist zwar noch nicht klar, aber er muss schon geplant werden. Auf jeden Fall müssen über 35 Bahnsteige so umgerüstet und zum Teil umgebaut werden, dass dort Langzüge halten können. Das muss in einem engen Straßenraum passieren, das ist nicht trivial.

Der Tunnel ist im Stadtrat umstritten. Sie halten ihn fachlich für sinnvoll?

Ich bin auf jeden Fall für die Tunnellösung. Nur die hilft uns bei den künftigen Herausforderungen. Die Bahnen sind voll und die Fahrgastzahlen steigen. Nur mit einem Tunnel können wir die nötigen Kapazitäten und Sicherheiten für den Betrieb schaffen.

Gibt es noch ein Projekt, das sie vielleicht noch gerne durchgeführt hätten?

Die angedachten Radfahrer- und Fußgängerbrücken über den Rhein.

Da ist aber noch nichts entschieden.

Nein, aber es sieht ganz gut aus. Die Machbarkeitsstudie liegt vor. Ich sag’ mal so: Wenn das Geld bereit gestellt wird, kann das laufen. Ein absolutes Highlight im Leben eines Ingenieurs.

Es hat den Anschein, Bauzeitverzögerungen und gesprengte Kostenrahmen sind heutzutage üblich. Ist bauen heute schwieriger als noch vor 20 Jahren?

Erst einmal muss ich sagen, wenn auf einer Baustelle nicht alles klappt, ist das eine große Nachricht. Aber wenn mal alles glatt läuft, gibt es dazu nur eine Randnotiz. Bauen im Bestand, wie wir das ja zumeist bei Brücken und Tunneln machen, ist immer die ganz hohe Schule mit manchmal ungewissem Ausgang. Aber unabhängig davon muss ich sagen: Es ist schwieriger geworden. Die Bürokratie hat deutlich zugenommen. Zudem: Früher war das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Baufirma fairer, kooperativer.

Heute belauert man sich regelrecht. Gerade bei den großen Firmen gibt es Ingenieure, Kaufleute und Juristen, die jede Ausschreibung daraufhin durchleuchten, wo Potenziale für Nachträge bestehen. Das hat bei uns dazu geführt, dass wir wiederum Juristen beauftragen, die unsere Ausschreibungen auf Herz und Nieren prüfen, damit wir Auftragnehmern nicht solche Chancen zur Gewinnsteigerung bieten. Das alles bindet Mitarbeiter und führt zu Verzögerungen.

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