Freie Schule EifelIst Lernen ohne Stundenplan und Noten möglich?

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Die Umbauarbeiten im ehemaligen Wasserinfozentrum in Heimbach schreiten voran. Verena Bauer, Gründerin der Freien Schule Eifel, betrachtet begeistert die Fortschritte.

Die Umbauarbeiten im ehemaligen Wasserinfozentrum in Heimbach schreiten voran. Verena Bauer, Gründerin der Freien Schule Eifel, betrachtet begeistert die Fortschritte.

  • Die Freie Schule Eifel in Heimbach nimmt weiter Gestalt an.
  • Doch noch fehlt die Genehmigung.
  • Wie kann man sich das Konzept der neuen Schulform vorstellen?

Heimbach – Schatzkammer, Malkasten, Forscherstation: Das Konzept der Freien Schule Eifel klingt mehr nach Abenteuerspielplatz als nach Bildungseinrichtung. Und im Prinzip ist das auch Absicht. „Wir wollen die eigene Neugier der Kinder erhalten“, sagt Verena Bauer, Gründerin der Schule. Die Geografin wollte ihren Sohn unbedingt auf eine Freie Schule schicken – und da die nächstgelegene erst in Köln ist, hat sie kurzerhand selbst eine gegründet. „Mein Mann wollte in die Eifel zurück, da habe ich gesagt: Okay, dann musst Du mir den Rücken frei halten, dann gründe ich eine Schule.“

Eingerichtet wird die Schule in der einstigen Heimbacher Volksschule, in der viele Jahre das Wasserinfozentrum (Wize) war. Das Gebäude eigne sich perfekt, schwärmt Bauer. Sie sitzt am derzeit einzige verbliebenen Tisch im Haus. In diesem Raum soll ab August das Schul-Bistro sein. Schon jetzt stehen an der Wand Getränke und Snacks – die sind allerdings für die Bauarbeiter. Denn noch ist die Freie Schule vor allem eins: eine Baustelle. In der künftigen Küche fehlt der Boden, manche Wände stehen noch nicht, in vielen Ecken liegt Material. Es bedarf einiger Fantasie, sich dort Lernstationen, Spielecke oder eine Bibliothek vorzustellen.

Appell an den Wissensdurst der Kinder

Stundenpläne, Noten und klassischen Unterricht wird es an der Freien Schule Eifel nicht geben. Stattdessen darf sich jedes Kind jeden Tag selbst aussuchen, was es gerne machen möchte. Andere Freie Schulen zeigten, dass das Konzept funktioniere, sagt Bauer. Jedes Kind trage einen gewissen Wissensdurst in sich. Sie erzähle, so Bauer, an dieser Stelle gerne das Beispiel eines Jungen, dessen Eltern sehr besorgt waren, weil er im zweiten Schuljahr noch nicht lesen und schreiben konnte. Er habe einfach lieber Mathematik gemacht. Schließlich habe er nach anderthalb Jahren das Rechenheft beiseitegelegt und Lesen gelernt. Das Konzept lehre Kinder früh, eigene Entscheidungen zu treffen. Und das sei schließlich auch eine wichtige Kompetenz, sagt Bauer.

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Noch drei Plätze frei

Wer von dem etwas anderen Konzept der Freien Schule Eifel überzeugt ist und sein Kind ab August nach Heimbach schicken möchte, hat noch die Chance dazu. „Wir haben noch drei freie Plätze“, berichtet Verena Bauer, Gründerin der Schule. 19 Anmeldungen seien bereits für die kommende erste Klasse eingegangen. Und pro Klasse sollen es nicht mehr als 22 Schüler sein – so will es das Konzept.

Die Freie Schule Eifel ist zunächst als Grundschule mit Offener Ganztagsschule angelegt. Pro Jahrgang soll es nur eine Klasse geben. Maximal werden also in vier Jahren 88 Kinder die Schule besuchen. Dafür sei im ehemaligen Wasserinfozentrum genug Platz, sagt Bauer.

Sie plant allerdings schon weiter. Aus der Freien Schule Eifel soll eine Gesamtschule werden, an der Unterricht von der ersten Klasse bis zum Abitur möglich ist. An den Konzepten dafür arbeitet Bauer derzeit. Der nächste Informationsabend für Eltern, Lehrer und Interessierte findet am 27. Mai ab 19 Uhr im Schulgebäude statt. Um Anmeldung bis zum 25. Mai wird gebeten. (jre)

info@freie-schule-eifel.de

Die Lehrer sollen dennoch Anreize für ihre Fächer und Themen geben und den Schülern in Lerngesprächen sowie im Unterricht beratend zur Seite stehen. Das Kollegium sei vollständig, sagt Bauer. Eine Lernbegleiterin, eine Sonderpädagogin, eine Biologin, ein Sportlehrer und eine Kunstpädagogin gehörten unter anderem zum Team.

Bildung zur Nachhaltigkeit

Ein Schwerpunkt des Unterrichts soll Bildung zur Nachhaltigkeit sein. Deshalb sei pro Woche mindestens ein Waldtag eingeplant, berichtet Bauer. Grundsätzlich basiere das Konzept der Schule auf der Montessori-Pädagogik. „Wir haben das ein bisschen modernisiert und erweitert“, sagt sie. Der Unterricht setze sich aus drei Säulen zusammen: Kognitive Wissensaneignung, emotionale und soziale Kompetenzen sowie handwerklich-praktische und kreativ-musische Fähigkeiten.

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Das Konzept und alles weitere Notwendige hat Bauer bereits bei der Bezirksregierung eingereicht. Eine Genehmigung für ihre Schule hat sie allerdings noch nicht. Damit rechne sie auch erst kurz vor Eröffnung. Sie habe nur Sorge, dass es wegen der Corona-Pandemie doch länger dauern könne.

Elternbeiträge zwischen 150 und 350 Euro pro Monat

Wenn die Schule genehmigt ist, übernimmt das Land NRW 87 Prozent der Kosten, die restlichen 13 Prozent werden durch Elternbeiträge gedeckt. Diese seien nach Einkommen gestaffelt und lägen zwischen 150 und 350 Euro pro Monat, berichtet Bauer. Pro Jahr macht das in der günstigsten Kategorie 1800 Euro – nicht jeder wird sich das leisten können. Im Vergleich zu anderen reformpädagogischen Schulen sei das noch günstig, betont Bauer. Zumal in diesem Betrag bereits die Gebühr für die Offene Ganztagsschule enthalten sei. Die koste in Regelschulen oft auch bis zu 100 Euro pro Monat.

60 Anmeldungen hat die 38-Jährige schon für ihre Schule, viele Kinder davon sind erst in ein paar Jahren im schulpflichtigen Alter. So wie Johan und Anabel Wittig aus Mechernich. Er ist drei, sie gerade mal ein Jahr alt und beide haben schon einen Platz an der Schule. Die Eltern Simone und Simon Wittig sind Überzeugungstäter. „Wir merken bei Johan schon, dass er frei spielen und frei entdecken möchte“, sagt der Papa.

Gute Alternative für Freilerner

Die Kinder sind mit auf der Baustelle, mal sitzen sie in einer Ecke und spielen, mal laufen sie umher – das Highlight für Johan: der Aufzug. Ohne die Freie Schule in Heimbach wären sie vermutlich Freilerner geworden, sagt Mutter Simone Wittig. Freilerner werden Menschen genannt, die ihre Kinder nicht einschulen. In Deutschland ist das aufgrund der Schulpflicht nicht erlaubt. Simone Wittig ist daher froh, dass es dank Verena Bauer in Heimbach bald eine Freie Schule geben wird.

Familie Wittig aus Mechernich ist überzeugt von dem Konzept.

Familie Wittig aus Mechernich ist überzeugt von dem Konzept.

Sie habe das Konzept in einigen Kommunen vorgestellt, berichtet die Gründerin. Doch die meisten haben eher verhalten reagiert. Nicht aber Peter Cremer, Bürgermeister von Heimbach. „Das war tatsächlich der einzige Bürgermeister, der sofort begeistert war“, berichtet Bauer. Die Kosten für den Umbau des Wizes teile sich die Schule mit der Stadt.

Vieles machten sie auch in Eigenleistung, sagt Bauer. Sie ist der Stadt Heimbach dankbar für die Unterstützung, zumal sie keine Konkurrenz zur städtischen Schule sieht. „Wir holen eher Familien hierher“, sagt sie. Es seien tatsächlich unter den Anmeldungen Familien aus größeren Städten, die nun in Heimbach nach Immobilien suchten.

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