„Schön, dass du da bist“Eckenhagener Grundschule integriert geflüchtete Kinder

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Mit Übersetzungskärtchen haben Ben (l.), Henri und die anderen Schulkinder erste Kontakte zu den Neuankömmlingen geknüpft.

Mit Übersetzungskärtchen haben Ben (l.), Henri und die anderen Schulkinder erste Kontakte zu den Neuankömmlingen geknüpft.

Reichshof-Eckenhagen – „Schön, dass du da bist“ heißt auf Ukrainisch „Pryyemno, shcho ty tut“. Das weiß in der Eckenhagener Grundschule jedes Kind. Die schuleigene Sozialpädagogin Anja Hornisch hat kleine Übersetzungskärtchen verteilt. Wer noch nicht lesen kann, dem zeigt ein Smiley, was gemeint ist.

Die Integration der ersten fünf geflüchteten Kinder hat bisher gut geklappt in der Gemeinschaftsgrundschule, bald kommen zwei weitere. In einem Bericht dieser Zeitung ist Schulleiterin Sigrid Schwarzenberger kürzlich irrtümlich mit der Aussage zitiert worden, dass prorussische Eltern ihren Kindern verboten hätten, für die ukrainischen Schüler zu übersetzen. Davon könne in Eckenhagen nicht die Rede sein, versichert Schwarzenberger, im Gegenteil. Bei ihr helfen die russischsprechenden Kinder gern, und das habe auch mit der besonderen pädagogischen Organisation der GGS Eckenhagen zu tun.

Eckenhagener Grundschüler sind Neulinge gewöhnt

Denn in Eckenhagen gibt es keine erste, zweite, dritte oder vierte Klasse, sondern sieben jahrgangsgemischte Lerngruppen. Ob Eisbären-, Eulen- oder Pinguinklasse, jede Gruppe bekommt im Sommer neue i-Dötzchen und entlässt die älteren Klassenkameraden in die weiterführende Schule. Die 160 Schüler sind also daran gewöhnt, Neulinge in ihren Kreis aufzunehmen und schwächeren zu helfen – beste Voraussetzungen für die Integration von geflüchteten Kindern. Das finden auch die Elternpflegschaftsvorsitzende Melanie Möller und ihre Stellvertreterin Katja Rausch. „Unsere Schule“, sagt Rausch, „traut es den Kindern zu, dass sie sich um Kinder kümmern, die anders sind.“

Am Anfang habe sich das Kollegium die Frage gestellt, ob es den Krieg überhaupt im Unterricht thematisieren soll, erinnert sich Schulleiterin Schwarzenberger. Einige wenige Eltern waren auch später noch dagegen. Doch als immer mehr Kinder ihre Sorgen und Fragen in die Schule mitbrachten, wollten die Lehrerinnen ihnen zeigen, wie sie selbstwirksam reagieren können. „Und dann kamen ganz viele Ideen von den Kindern.“ Sie bastelten Friedenstauben und Armbänder, um sie für die Ukrainehilfe zu verkaufen, und verpflichteten die Eltern als Geldgeber für einen Sponsorenlauf, der den spektakulären Erlös von 11.533 Euro erbrachte. Mutter Melanie Möller sagt: „Wir waren sprachlos.“

„Montagsrunde“ eingestellt

Die pädagogische Herausforderung hat sich in der zwölften Kriegswoche verändert. Die „Montagsrunde“, in der der evangelische Diakon und der katholische Gemeindereferent in der ersten Pause den Kindern Gelegenheit gaben, über ihre Angst vor dem Krieg zu sprechen, wurde anfangs von bis zu 30 Schülern besucht. Zuletzt kam keiner mehr, das Angebot konnte eingestellt werden.

Der Blick richtet sich jetzt nicht mehr auf die abstrakte Bedrohung und das ferne Leid in der Ukraine, sondern auf die Hilfsbedürftigkeit der Geflüchteten. Und das entspreche den Kindern viel mehr, sagt Elternvertreterin Möller: „Beim Spendenlauf sehen die Kinder ja nicht, was sie bewirken. Wenn sie übersetzen, helfen sie direkt.“ Die ganze Schulgemeinschaft mache mit, sagt Schulleiterin Schwarzenberger und berichtet von der mit Schulausstattung gefüllten Tasche, die jedes geflüchtete Kind als Willkommensgeschenk bekommt.

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Ein Problem: Das Mitgefühl mit den Opfern droht in Wut auf die Gegenseite umzukippen. Sigrid Schwarzenberger sagt: „Wir bemühen uns, einer antirussischen Haltung entgegenzuwirken, und sagen den Kindern immer wieder, dass auch in Russland viele Menschen gegen den Krieg sind.“ Eine heile Welt ist die Schule nur noch bedingt in Kriegszeiten. Die Eckenhagener wollen aber, dass sie ein Ort des Friedens bleibt.

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