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InklusionDie Wiehler Barrierechecker machen den Weg frei

3 min
Eine Gruppe von Menschen, einige im Rollstuhl, einer misst die Breite eines Fahrstuhlzugangs.

Barrierecheck im Burghaus (v.l.): Pauline Schramm, Leander Feilen, Heide Berwing, Herbert Nentwich, Astrid Wollenweber und Stefan Reich prüfen, ob Rollstühle überall durchkommen.

Nur wer im Rollstuhl sitzt oder sich mit dem Blindenstock orientiert, kann wirklich beurteilen, wo es hapert. Darum gibt es in Wiehl ein Team von Menschen mit Beeinträchtigungen. Wir haben die „AG Barrierecheck“ begleitet.

Manchmal sind es vermeintliche Kleinigkeiten. Der Handtuchspender hängt für Rollstuhlfahrer zu hoch. Die Treppenstufen müssten für Sehbehinderte deutlicher markiert sein. Hausmeister Walter Bierögel verspricht, die Mängelliste zügig abzuarbeiten. Das Burghaus in Wiehl-Bielstein wird dann ein wenig barriereärmer sein.

„Eine echte Barrierefreiheit mit dem Wert 0 Prozent“, sagt Astrid Wollenweber, „gibt es im Bergischen nirgendwo“. Die bucklige Landschaft bleibt eine Herausforderung für Menschen, die sich trotz ihrer Beeinträchtigung möglichst selbstständig durch die Welt bewegen möchten. Aber oft ginge es eben doch besser, oft ließe sich der Hindernisprozentwert erheblich senken. Dieses Potenzial auszuschöpfen, das ist die Aufgabe der „Arbeitsgemeinschaft Barrierecheck“.

Projekt der Initiative „Wiehl enthindert“

Das siebenköpfige Team ist ein Projekt der Initiative „Wiehl enthindert“. In der Stadtverwaltung ist Astrid Wollenweber zuständig, sie leitet die Gruppe. Einige Barrierechecker sitzen in Rollstühlen, andere sehen kaum oder gar nicht mehr. Neben diesen persönlichen Kompetenzen können die Ehrenamtler auch eine Schulung vorweisen, in der sie mit den objektiven DIN-Normen für barrierefreies Bauen vertraut gemacht wurden.

In den Bouleplatz im Kurpark kommt man jetzt nicht mehr nur rein, sondern auch wieder raus.
Leander Feilen, AG Barrierecheck

Mit diesem Rüstzeug rückt die AG einmal im Monat zu Begehungen aus. Sie hat das Wiehler Jugendzentrum begutachtet und das Gymnasium nebst Wiehltal- und Sporthalle. Sie war im Drabenderhöher Stadtteilhaus und im Bielsteiner Freibad. Auch das „Burgerwerk“-Restaurant hat sie schon gecheckt und die evangelische Kirche. Neben öffentlichen Gebäuden stellen die Checker auf Wunsch auch private Einrichtungen auf den Prüfstand.

Wiehler Rathausplatz ist ein Problem

Und sie bewegen sich auf der Straße und machen dort für Außenstehende überraschende Erfahrungen. Den flammneuen Wiehler Rathausplatz nennt Rollstuhlfahrer Stefan Reich beispielsweise „katastrophal“. Dieser wurde als „shared space“ (geteilter Raum) angelegt, wie Astrid Wollenweber weiß. Der gut gemeinte Gedanke war, dass alle Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen, es gilt ein Tempolimit von 30, auf einen Zebrastreifen hat man darum verzichtet. Stefan Reich hält davon wenig, nachdem er lange am Straßenrand warten musste, um die Hauptstraße zu überqueren: „Nur ein Zebrastreifen gibt das eindeutige Signal, dass der Autofahrer anhalten muss.“

Reich gesteht der Stadt aber zu, dass sie das Anliegen der AG ernst nimmt. „Man hat das Gefühl, es wird sich gekümmert.“ Darum gibt es nun auch neue Behindertenparkplätze in der Weiherpassage, ein Bordstein an der Homburger Straße wird abgesenkt. Leander Feilen, ein weiterer Barrierechecker, freut sich: „In den Bouleplatz im Kurpark kommt man jetzt nicht mehr nur rein, sondern auch wieder raus.“ Und das sehbehinderte Teammitglied Herbert Nentwich ist ganz begeistert von der kontrastreichen Gestaltung der Fußgängerüberwege an der Wülfringhauser Straße vor seiner Haustür. Die Enthinderung der Stadt macht Fortschritte.

Manche Barrieren lassen sich nicht mit Rampen überwinden. Astrid Wollenweber möchte, dass es bei allen öffentlichen Veranstaltungen in Wiehl Ansprechpartner für   Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung gibt. Informationstafeln sollten in „Leichter Sprache“ formuliert werden.

Es gibt also noch viel zu tun, bis   die „gleichberechtigte Teilhabe“ erreicht ist, die die UN-Behindertenrechtskonvention vorschreibt. Stefan Reich ist genervt darüber, dass er   als Bittsteller auftreten muss, wenn er mit dem Rollstuhl nicht weiterkommt. Dann heiße es oft, er müsse sich eben helfen lassen. „Nein, das möchte ich nicht. Ich möchte mich selbstständig bewegen.“