Ein digitales KlassenzimmerHelen-Keller-Schule setzt seit dem Lockdown auf SDUI

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Digitales Lernen wurde während des Corona-Lockdowns für Schulen immer wichtiger.

Digitales Lernen wurde während des Corona-Lockdowns für Schulen immer wichtiger.

Wiehl – Drei Wochen hat es gedauert. 186 Mal mussten Sebastian Timpe und seine Kollegen das Schreiben mit dem Zugangspasswort ausdrucken, in Briefumschläge stecken und frankieren. Ein letzter analoger Schritt, bevor die Helen-Keller-Schule als erste Förderschule für geistige Entwicklung mit „SDUI“ anfing – ein Programm, das alle Kommunikation an einem digitalen Ort bündeln soll.

Denn während die Schule wegen Corona geschlossen war, sei der Kontakt zu den Schülern und deren Eltern schwieriger geworden, sagt Schulleiterin Lydia Follmann. Da wurden Anrufe getätigt und E-Mails geschrieben. Vor allem der tägliche Kontakt zu den Schülern habe gefehlt. Und zwar einem ganz besonders: Chorleiter und Musiker Sebastian Timpe. „Er hat das Singen mit den Kindern so vermisst, dass er dringend nach einer Lösung gesucht hat“, sagt Follmann. Mit SDUI hat er sie gefunden.

Lehrer, Schüler, Eltern und Therapeuten sind über SDUI verbunden

„SDUI ist so etwas wie ein digitales Klassen- oder Lehrerzimmer, wo alles besprochen werden kann“, sagt Follmann über die Software. Den Schülern werden Aufgaben zugeschickt, die Lehrer kommunizieren dort miteinander und mit den Schülern. Die Eltern erfahren, welche Neuigkeiten es an der Schule gibt“, erklärt Follmann. „Wenn sich zum Beispiel etwas an dem Hygienekonzept geändert hat.“

An der Wiehler Förderschule sind Lehrer, Schüler, Eltern und auch die Sprach- und Physiotherapeuten mit SDUI verbunden. Man kann das Programm als App auf dem Handy installieren oder über den Browser auf dem Computer öffnen.

Timo Stosius (25) hat SDUI mitentwickelt. Der Name stehe für „Student digital user interface“, sagt er am Telefon. Begonnen habe alles mit einem Schulprojekt, als er und seine Kollegen selbst noch zur Schule in Koblenz gingen. „Wir fanden umständlich, dass es so viele Kommunikationswege an der Schule gab“, sagt Stosius. „Mal musste man auf den Aushang achten, mal kamen die Infos per Mail.“ Um das zu vereinfachen, erfanden die Schüler das Programm und gründeten nach der Schule die gleichnamige Firma, die heute 40 Mitarbeiter beschäftigt.

Frei von Mobbing und Datenklau

Was SDUI besonders macht? „Damit können alle wichtigen Infos an die Personen in der Schule weitergeleitet werden, die sie bekommen sollen.“ Auch der Unterricht könne dort per Videochat stattfinden, sagt Stosius. Doch wie lässt sich solch ein Programm auf die besonderen Bedürfnisse der Schüler einer Förderschule anwenden? Follmann sagt: „Frontalunterricht, wie es ihn an anderen Schulen gibt, findet bei uns ja ohnehin nicht statt. Wir passen alles den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen an.“ Trotzdem sei SDUI auch beim Unterricht hilfreich: „Wenn etwa zwei unserer Schüler sonst immer gemeinsam gesungen haben, bekommen die jetzt per SDUI Bescheid, und dann wird zum vereinbarten Zeitpunkt per Videochat gesungen.“

Follmann sieht noch einen Vorteil: „Die Plattform ist mobbingfrei und die Daten sind sicher.“ Was genau das heißt, erklärt Timo Stosius so: „Niemand, der nicht über die Schule mit SDUI verbunden ist, kann auf die Inhalte zugreifen. Die Daten bleiben bei der Schule.“ Gemeinheiten und Mobbing können unter den Schülern auch nicht ausgeteilt werden, da die digitalen Klassenräume nur für Kommunikation geöffnet sind, wenn die Lehrer auch dabei sind. „Sobald der Raum geschlossen ist, kann darin nicht mehr geschrieben werden.“

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So sei gesichert, dass in den Chaträumen auch nur das besprochen werde, was dort auch hingehört. „Wenn ein Lehrer etwa möchte, dass keine Zwischenfragen gestellt werden, kann er das auch so einstellen, dass nur er kommunizieren kann.“ Follmann sagt, diese Möglichkeit der „Oneway“-Kommunikation komme auch den Lehrer zugute, da diese so selbst entscheiden können, wann sie den Rückfragen von Eltern zur Verfügung stehen.

Seit der Schulschließung arbeitet die Helen-Keller-Schule nun schon mit SDUI. Für ein Jahr bleibt das so. Das Geld für die Anschaffung kommt aus dem Schulbudget. Follmann sagt: „Wir sind sehr zufrieden und können uns vorstellen, weiterhin mit SDUI zu arbeiten.“ Und was sagen die Schüler? „Die haben Spaß und freuen sich, einander wiedersehen zu können.“

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