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Nach Ampel-AusWie sich für den Haushalt in Bergisch Gladbach eine neue Mehrheit bildet

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Im Bergischen Löwen stehen Stühle und Tische für die Ratssitzung.

Das ist die Bühne im Bergischen Löwen für die Ratssitzung, auf der die Weichen für den Haushalt gestellt werden.

Rot-Grün und Bergisch Gladbachs Bürgermeister suchten Unterstützung unter den Fraktionen.

In der Politik gilt ein ungeschriebenes Gesetz: Fraktionen, die dem Haushalt zustimmen, liegen auf einer gemeinsamen Linie. Das muss dann keine formale Koalition sein.

Unterstützung und Verpartnerung reichen auch. In Bergisch Gladbach wird am Dienstag im Stadtrat die Freie Wählergemeinschaft (FWG) dem Haushalt zustimmen, am Mittwoch in der Vorberatung im Finanzausschuss hat die FWG bereits mitgestimmt. Die zwei Stimmen von Dr. Benno Nuding und Rainer Röhr retten somit die Kooperation von Grünen und SPD. Nach der Sprengung der Dreierrunde durch die FDP vor einigen Monaten, standen Grüne und Rote auf einmal ziemlich alleine da. Ohne Partner keine Haushaltsmehrheit.

Bergisch Gladbacher Rat bekommt notwendige Stimmen zusammen

„Ja, wir werden voraussichtlich zustimmen“, sagte am Donnerstag der Fraktionsvize Rainer Röhr. Die drei Fraktionen kommen im Rat (56 Sitze) auf 28 Stimmen, mit der Stimme von Bürgermeister Frank Stein (SPD) kann die entscheidende 29. Stimme erreicht werden. CDU und FDP waren im Finanzausschuss gegen den Haushalt, die Bergische Mitte enthielt sich, der AfD-Vertreter hatte kein Stimmrecht. Für das Ja der Freien wird es, man könnte sagen, Zugeständnisse geben. An erster Stelle bei Zanders. In einer neuen Nachhaltigkeitssatzung der Stadt wird ein Passus eingebaut, der eine deutlich schnellere Entwicklung als die bislang anvisierten 20 bis 25 Jahre einfordert.

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Diese Aussage steht diametral im Gegensatz zu der im März im Zanders-Ausschuss getroffenen Entscheidung, sich 20 bis 25 Jahre Zeit für die alte Papierfabrik zu nehmen. Ein Unterhalt des brachliegenden Areals mit jahrelangen Millionenausgaben sei aber für die Stadt nicht leistbar, sagt der Fraktionsvorsitzende Benno Nuding, Zanders könne der Stadt mittelfristig zu einem Haushaltsausgleich verhelfen. Die Planer müssen sich also sputen, denn bislang sind nur einige Umrisse in den Planungen erkennbar (2900 Bewohner, 2900 Arbeitsplätze, zwei Grundschulen, Berufskollegs, Kitas).

FWG Für Digitalisierung in Gladbachs Verwaltung

Der Zanders-Zusatz der Freien, der im Finanzausschuss gegen die FDP angenommen wurde, war Voraussetzung der FWG, dem Haushalt zuzustimmen. Was auch auf FWG-Antrag in die neue Satzung kommt: Digitalisierung zuerst in der Verwaltung, analoge Formate sollen künftig absolute Ausnahme sein. Und alle drei Monate wird es ein Controlling der Kämmerei geben. Vor der großen Entscheidung im Stadtrat haben sich nach der Sitzung des Finanzausschusses weitere Fragezeichen aufgelöst. Dort enthielt sich nur die CDU bei der neuen Nachhaltigkeitssatzung.

Sie wird kommen, und die entscheidende Leitplanke bei politischen Entscheidungen werden. Von der Wiege bis zur Bahre, formulierte der Grüne Dr. Friedrich Bacmeister, sollen künftig die Kosten von Investitionen berechnet werden. Was Bacmeister blumig aussprach, meint sämtliche Ausgaben von der ersten Projektidee bis zum Rückkauf des Objekts Jahrzehnte später.

Bergisch Gladbach will unter 1,5 Grad Erderwärmung bleiben

Die Satzung sei ein Bekenntnis der Stadt, alles zu tun, um möglichst unter 1,5 Grad Erderwärmung zu bleiben, dieses nationale Klimaschutzziel habe oberste Priorität. Bei Pflichtaufgaben muss die Stadt künftig die kostengünstigste Variante auswählen. Neue freiwillige Leistungen sind nur mit einer finanziellen Kompensation gestattet. Was auch kommen wird, ist ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept.

Es ist die Selbstverpflichtung aller Akteure aus Verwaltung und Politik, Ausgaben zu reduzieren. Nur auf diese Weise kann es laut Kämmerer Thore Eggert (FDP) gelingen, die Haushaltssicherung ab 2026 zu vermeiden. Im Finanzausschuss stimmten SPD, Grüne, FDP und Freie Wähler dafür, die CDU dagegen, die Bergische Mitte enthielt sich. Von der Streichliste kamen auf Antrag von Grünen und SPD die Schließung einer der fünf Seniorenbegegnungsstätten (Nein der FDP), die Einführung von Gebühren für die Sporthallennutzung (Nein FDP), die Reduzierung der Schülerfahrtkosten und die Schließung der Bürgerbüros in Bensberg und Refrath. Der rote Zahlen schreibende Wohnmobilplatz am Kombibad Paffrath steht hingegen auf der Kippe.

Hier soll die Stadt Gespräche mit dem für Tourismus zuständigen Kreis führen (Nein von CDU und FDP). Nach dem Abstimmungsmarathon kochten im Finanzausschuss die Emotionen hoch. „Dieser Haushalt ist am Ende eine Katastrophe, mit kleinen Einsparbeträgen kann der „Turnaround“ nicht gelingen“, schimpfte Harald Henkel (CDU). So wie eingebracht , hätte er dem Haushalt zustimmen können, meinte Alexander Engel (FDP). Wegen der Änderungen gebe es ein Nein. Klaus W. Waldschmidt (SPD) lobte den Sparwillen von Kämmerer Thore Eggert. Der Angesprochene sagte, aus Sicht der Verwaltung sei der Wunsch nach einer Haushaltskonsolidierung bestmöglich umgesetzt.


Freiwilliges Haushaltssicherungskonzept

Auf über 120 Seiten Vorschläge zum Einsparen: Das ist das freiwillige Haushaltssicherungskonzept. Am Dienstag soll es im Stadtrat verabschiedet werden, mit einem Einsparpotenzial von mehr als 71 Millionen Euro bis 2033.

Aus der Liste: Kürzung des Städtepartnerschafts-Budgets um jährlich 7000 Euro, Einführung eines digitalen Amtsblatts. Einstellung der Hausdruckerei, keine kostenfreien Tischkalender mehr für Mitarbeiter, durch Ausweitung ePayment Stelleneinsparung im Mahnbereich, Wegfall Zuschuss Wohnmobilplatz, intensivere Verkehrsüberwachung, Ordnungsverstöße sollen stärker geahndet werden, Auflösung der Direktwahlbüros Bensberg und Refrath ab der Europawahl 2024, Satzung für das Standesamt, Schließung der Musikschul-Zweigstelle Bensberg, Anhebung der Grundsteuer B 2026 und 2031 um je 50 Punkte, Anhebung der Gewerbesteuer 2026 um 50 Punkte. (cbt)

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