Von HohkeppelWie der Puppenpavillon nach Bensberg kam

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Gerd J. Pohl zwischen seinen Puppen.

Gerd J. Pohl ist glücklich über die schönen Marionetten, die er nun in seine Sammlung aufnehmen kann.

Gerd Josef Phol ist Intendant des Puppenpavilllons in Bergisch Gladbach-Bensberg. Eröffnet hatte den Spielbetrieb Ruth Schröder 1967.

Wer an den Puppenpavillon an der Kaule denkt, der denkt an Handpuppen, auch an Tischpuppen, vielleicht auch an Stabpuppen: Das Bühnengeschehen findet zumeist über Kopf statt, der Puppenspieler muss sich recken und die Arme strecken, um über der Spielleiste Action zu produzieren.

Es ist ein Kasperletheater im klassischen Sinne, auch wenn der Intendant, Gerd Josef Pohl, diesen Ausdruck nicht schätzt: „Kasper!“ stellt er mit sonorer, fast dröhnender Stimme und etwas drohender Betonung klar. „Es handelt sich um einen Kasper, nicht um ein Kasperle.“ Mag der Bursche noch so naiv und kindgerecht auftreten, die Verkleinerungsform ist unter Berufspuppenspielern verpönt.

Das war nicht immer so: Weder das Hausrecht des Kaspers, der eigentlich erst mit Pohls Einzug an der Kaule im Jahre 2007 hier heimisch geworden ist, noch die klassische Vertikale „Puppen oben, Spieler unten“. In den Anfängen stand diese Welt noch auf dem Kopf, die Spieler oben, die Puppen unten.

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Und statt Kindertheater standen Literaturbearbeitungen auf dem Spielplan. Denn der Puppenpavillon wurzelt ursprünglich in einem Marionettentheater, den „Rheinisch-Bergischen Marionettenspielen“ von Ruth Schröder, die 1967 im Wirtshaussaal des Weißen Pferchens in Hohkeppel (Schröder stammte aus dem benachbarten Georghausen) den Spielbetrieb eröffneten.

Bisher erinnerte im Puppenpavillon, der sich einer großen und renommierten Puppensammlung erfreut, von der ein Teil im Bergischen Löwen in der Gladbacher Innenstadt ausgestellt ist, nichts an diese Epoche. Schröders Puppen befinden in der Obhut ihres Sohnes Moritz in Wien, sie selbst ist 2017 in Italien verstorben.

Das berufliche Marionettenspiel hat mit Schröder die Stadt 1988 verlassen, denn ihre Nachfolgerin Heide Hamann hat das Puppenspiel bei Rudolf Fischer gelernt, der – wie auch Pohl – in der Tradition der Hohnsteiner Puppenbühne stand, aus der auch der Fernsehkasper stammt, der mit Peter René Körner in den 60er und frühen 70er Jahren im Auftrag des WDR die Kinderherzen vor den Bildschirmen mit Märchenquizsendungen erfreute.

Und die Hohnsteiner waren nun mal klassische Handpuppenspieler. Aber dann, unlängst, erhielt Pohl einen Anruf, der ihn elektrisierte. In Rösrath war eine alte Dame verstorben, Dörte Kyas, die zu dem Spielerteam Ruth Schröders gehört hatte. Und in ihrem Haushalt, der von Sohn und Schwiegertochter nun aufgelöst wurde, standen in diversen Vitrinen zehn stattliche Marionetten.

Dörte Kyas hatte diese Puppen der Patronin abgekauft, nachdem das Stück, für das sie gebaut worden waren, ausgelaufen war. „Ruth Schröder hatte keinen Platz, um eine große Puppensammlung zu lagern, und andererseits brauchte sie das Geld“, so Pohl. „Und für manche Spieler waren diese Puppen eine kostbare Erinnerung.“ So auch für Dörte Kyas und deswegen wollte ihr Sohn die Puppen „in gute Hände“ geben und sie der Sammlung des Puppenpavillons anvertrauen.

Die Mitspieler von Ruth Schröder waren allesamt Laien, die ihre Zeit und ihr Engagement ehrenamtlich aus purer Spiellust zur Verfügung stellten. Um ein ganzes Ensemble zu finanzieren, warf die Bühne nicht genug ab. Im ersten Jahrzehnt ihrer Existenz, als die Bühne noch „Bergische Puppenspiele“ hieß, machte Schröder alles allein, was mit Marionetten sehr schwierig ist, denn normalerweise braucht man beide Hände, um die komplexen Bewegungen der Spielfiguren angemessen zu beherrschen.

Zwar zog Schröder bald in einen leeren Klassenraum der Hohkeppeler Volksschule um, wo die Deckenhöhe dem Spieler erlaubte, sich komfortabel über den Puppen zu bewegen, aber Mitspieler wirkten erst ab 1978 mit – Helfer, die sie für das Marionettenspiel begeistert und meistens über Puppenbau-Workshops rekrutiert hatte.

Den alles andere als idealen Verhältnissen zum Trotz wagte sie sich an sehr anspruchsvolle Stoffe: neben den Grimmschen Märchen waren E.T.A. Hoffmann und Goethe ihre Ideengeber. Ab 1981 fand sie dann eine neue Spielstätte in der alten Bücherei-Baracke in Bensberg an der Graf-Adolf-Straße. Das Problem war allerdings, dass das Gebäude, wie die Bezeichnung „Baracke“ andeutet, nicht mehr im besten Zustand war und 1988 endgültig aus dem Verkehr gezogen werden musste.

Puppen haben in Bensberg ihre Heimat

Zwar fand die Stadt – und vor allem die rührige, kürzlich verstorbene Theaterreferentin Dr. Ursula Abels – eine neue Lösung in einem leeren Schulpavillon der Johannes-Gutenberg-Realschule, aber das war eventuell zu viel des Guten. Das Puppenspiel hatte Ruth Schröder bis dato nur ein sehr schmales Auskommen vermittelt und das neue Haus belastete sie.

Der Druck fand sein Ventil in einer Panikreaktion: Ruth Schröder verschwand urplötzlich über Nacht. Völlig falsch war ihre Einschätzung übrigens nicht: Sowohl Heide Hamann als auch Gerd Pohl waren und sind für ihren Lebensunterhalt auf ihre Reisebühnen angewiesen. Das feste Haus frisst mehr Brot, als es verdient. Aber es gibt dem Puppenspiel in Bensberg eine Heimat und Adresse.

Zu welchen Inszenierungen die Neuzugänge gebaut wurden, lässt sich nicht mehr feststellen, aber sie sind handwerklich von ausgezeichneter Qualität. Ruth Schröder hatte nicht nur eine Tischlerlehre und Zeichenausbildung an der Düsseldorfer Akademie im Koffer, sondern auch ein Volontariat bei den Salzburger Marionettenspielen. Sie baute ihre Puppen selbst oder mit Schülern in VHS-Kursen. Vor wenigen Tagen erst durfte Gerd J. Pohl noch mehr dieser Schätze aufnehmen.

Denn eine weitere Schröder-Mitarbeiterin, Monika Kleffner aus Bensberg, folgte dem Beispiel der Familie Kyas und hat jene Figuren, die sich noch in ihrem Besitz befanden, zusammen mit aufschlussreichen Schriftstücken zur Historie des Bergischen Marionettentheaters ebenfalls dem Puppenpavillon übergeben. „Am Ende sollen auf jeden Fall die besten Stücke im Bergischen Löwen der Öffentlichkeit als Schauobjekte präsentiert werden“, sagt Pohl.

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