Bahn-Geschichte in Bergisch GladbachSpaziergang entlang des historischen Bahndamms

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Der Bahndamm an der Saaler Mühle in Bensberg.

Bergisch Gladbach – Die Bahnschranken heben sich langsam, zur Warnung ist ein heller Gong zu hören. Die rotweißen Stangen betätigt der Bahnwärter, der von seinem Arbeitsplatz im Stellwerk einen guten Blick auf die Szene hat. Ist hier gerade ein Zug vorbeigekommen? Nein, heute nicht und auch gestern und vorgestern nicht. Auf dem Nachbargleis hingegen, da rollt die S-Bahn unentwegt nach Köln. Alle 20 Minuten kommt eine an und fährt nach kurzer Wendepause wieder zurück. Aber um diese Gleise soll es heute nicht gehen.

Das Gleis, das abzweigt

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Das Gleis, das am Stellwerk Tannenbergstraße abzweigt.

Das zweite Gleis biegt an der Tannenbergstraße ab, direkt in der Stadtmitte. Es führt ein geheimnisvolles Eigenleben, als verborgene Trasse in der Innenstadt. Das Gleis, das abzweigt, führt nach Bensberg. Ehemals sogar bis nach Rösrath und Lindlar, aber das ist Vergangenheit.

Uralt ist die Strecke, eröffnet im Oktober 1870, vor fast 150 Jahren schnauften die ersten Dampfloks auf ihnen. 1965 im September endete die Personenzug-Ära. Danach fuhren Industriezüge zum Güterterminal an der Zinkhütte. Als die Papierfirma Zanders entschied, die Logistik anders zu organisieren, kamen gar keine Züge mehr. Das war 2012.

„Grenze des Privatgleisanschlusses“

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Wichtig für Industriezüge: Bis hierhin und nicht weiter.

„Grenze des Privatgleisanschlusses“ verheißt nur einige Schritte nach dem Abzweig ein leicht verbogenes Hinweisschild. Ja, und was kommt danach? Etwa so etwas Unbekanntes wie in den Harry-Potter-Romanen? Dort sorgt ein nur für besondere Zeitgenossen sichtbares Gleis für Spannungsmomente.

Im Frühjahr 2019, da kehrte die Bahn zurück. Drei Schienenbusse machten innerhalb weniger Wochen Station in Bergisch Gladbach, mit bis zu 100 Bahnenthusiasten in zwei Zuggarnituren. Selbst aus Wien reisten Fahrgäste für die Erinnerungstour an. Einmal, Anfang September, kam sogar ein Zug mit „Rheingold“-Waggons vorbei, 1928 in Dienst gestellt und einst auf der Rheinstrecke unterwegs.

Künftig, das ist die Vision der Stadt, sollen auf dem breiten Damm Autos fahren, zumindest auf Teilen davon. Der Bahndamm soll zunächst Entlastungsstraße werden, vielleicht später mal Autobahnzubringer, sofern eine Machbarkeitsstudie kommt. Der Auftrag der Politik an die Stadt: Gleisgrundstücke kaufen und eine Straße bauen. So steht es im Bebauungsplan 2345 Gleisdreieck. Ob jemals der große Zubringer nach Bensberg kommen wird, weiß heute niemand, nicht einmal die Stadtplaner.

Die roten Brummer werden sich über die Straßenpläne nicht freuen. Sie bogen bei ihren Frühjahrsfahrten von der Hauptstrecke ab auf die Nebentrasse und rollten etwa einen Kilometer weiter bis zum ehemaligen Bahnhof Bergisch Gladbach. Der Gladbacher Peter Seidel machte die touristischen Entdeckungsfahrten der Schienenbusse möglich, übers Rheinische Industriebahn-Museum zu Köln.

Vorstellbar gewesen wäre sogar noch eine Weiterfahrt bis zum Schulzentrum Ahornweg. Weiter nicht, denn danach wird der Schotterbett zu locker. Für die Fahrt hatten die Hobbyeisenbahner bei der Deutschen Bahn einen richtigen Fahrplan vereinbart, mit etwa anderthalb Stunden Aufenthalt auf dem Schienenreststück. Die Hin- und Rückfahrt nach Köln gelang zwischen zwei S-Bahnen. 

Erinnerung an Dampflokzeiten

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Ein verrostetes Rohr erinnert an die Dampflokzeiten.

Die Trasse ist grün. Das ist der Eindruck, der sofort auffällt. Die Schienenfreunde hatten für ihre Fahrten die Bäume und Sträucher rechts und links freigeschnitten, was sich als gute Idee erwies. Zum Vorschein war auch ein rostiges Rohr gekommen, einst Teil der Infrastruktur für die schnaufenden Dampfzüge. Die Geräusche der Straße verschlucken Büsche, die Gleisanlage wirkt so gepflegt, fast könnte man meinen, hier führen regelmäßig Züge. Aber das stimmt natürlich nicht.

Die Strecke, eine breite Schneise in der Stadtmitte, verläuft jetzt in einem kleinen Bogen weiter, auf dem benachbarten Gewerbegrundstück parken Lieferfahrzeuge. Auf der anderen Seite ducken sich Privatgärten an einigen vornehmen Häusern. Ruhig ist es hier, in zweiter oder dritter Reihe hinter der Straßenbebauung.

Verrosteter Fernsprecher

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Vergessener Bahn-Fernsprecher auf der Trasse.

Ein Fernsprecher-Häuschen, erstaunlich wenig lädiert in all den ungenutzten Jahren, kommt in Sicht. Hier also haben einst die Lokführer angehalten und mit der Reichsbahndirektion gesprochen , vielleicht bei einem Defekt oder eine Verspätung. In Wuppertal saßen einst die obersten bergischen Eisenbahner, und dort fielen in den 60er Jahren auch die Würfel zur Einstellung des Personenbetriebs. Zu unrentabel, die Konkurrenz der neuen Busse übermächtig. Die Klappe ist verrostet und geht nicht auf. Schade.

Verschwundener zweiter Gleisbogen

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Blick von der Bahnbrücke auf die Mülheimer Straße. Rechts ist der alte Gladbacher Bahnhof zu sehen, heute Fachhochschule.

Die Brücke an der Mülheimer Straße. Hier mündete von der anderen Seite der Hauptstrecke ein zweiter Gleisbogen ein. Zu sehen ist von ihm nichts mehr, abgebaut, verschwunden, untergegangen im Gewerbegebiet des Kuhlerbusches. Zwischen 1912 und 1960 war das die Abkürzung für die aus Köln kommenden Züge. Von diesen zwei Gleisbögen hat das Stück hier seinen historischen Namen: Gleisdreieck.

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Nicht immer war nämlich der heutige Bahnhof der Stadtbahnhof der Gladbacher. Über Jahrzehnte, von 1912 bis 1953, lag der Bahnhof im Stadtteil Gronau, und die aus Köln kommenden Personenzüge sparten sich mit dem Gleisbogen das umständliche Rangieren von der Haupt- auf die Nebenstrecke. In den 50ern kamen Wendezüge, und fortan hatte die Kreisstadt zwei Bahnhöfe in der Stadtmitte.

Unrat an alten Bahnsteigen

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Reste der Bahnsteiganlagen kurz vor der Bahnbrücke am Refrather Weg.  

Gepflegt und sauber sind die Gleisanlagen bis zum alten Gladbacher Bahnhof. Ziemliche Mengen an Unrat, zerbrochene Flaschen liegen in Höhe der damaligen Bahnsteiganlagen, die noch gut in der Landschaft erkennbar sind. Die Trasse geht grün weiter, der Autoverkehr ist schnell weit weg. Erstaunlich, wie ruhig es doch in der Stadtmitte sein kann.

Gärten kommen ins Bild und auf den Gleisen Sträucher und Büsche. Weiter wandern ist nicht. Wer zur Saaler Mühle spazieren möchte, dem nächsten Ziel, muss den Radgehweg am Dammfuß nehmen. Die Eisenbahnromantik hat hier ein Ende. Vor Bensberg kommen Grundstücke, die Trasse verliert sich.  

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