Moitzfeld – An dem alten Fachwerkhaus klebt die Nummer 16. Doch an das historische Haus im Diakonissenweg, das wegen der skandalösen Vorkommnisse rund um das Kinderheim „Gut an der Linde“ in die Schlagzeilen geraten ist, gehört eigentlich eine 17.
„17-19“ ist die alte Adresse das Hauses, an das jetzt der Abrissbagger seine Zähne angesetzt hat. Zwei Drittel des ehemaligen Kinderheims sind dem Erdboden gleich gemacht.
Ehemalige Heimkinder zeigen sich recht betroffen angesichts der Bauaktivitäten an dem Fachwerk, das auf der Denkmalschutzliste der Stadt steht. Peter Klee: „Ich dachte immer, dass es komplett unter Denkmalschutz steht – wie auch die Linde am anderen Heim. Dass man es insgesamt hat verkommen lassen, ist wohl im Wunsch aller – bis auf uns. Wir hätten es gerne als Mahnmal gehabt. Damit die Bürger immer mal wieder mit der Nase drauf gestoßen werden: ,Hier haben WIR alle weggeguckt.'“
Ähnlich sieht es Reiner Gläser, der mit seiner Internetseite „Gut an der Linde“ bundesweit für Aufsehen und großes Interesse an der Vergangenheit der Heimkinder gesorgt hat: „Ein kompletter Erhalt wäre natürlich gut gewesen.“ Aber Stadt und Eigentümer wollten „ja Kohle damit verdienen“, kritisiert der „Ehemalige“. Reiner Gläsers Forderung: „Eine Tafel vorm Haus wäre das Mindeste gewesen!“
Warum die falsche „16“ am Haus hängt, weiß die Familie N., die auf der anderen Seite des Diakonissenweges mit der richtigen Nummer 16 wohnt, auch nicht zu erklären. Oft seien schon Leute bei ihnen klingeln gewesen, die zum „falschen“ Haus 16 wollten und bei N.'s landeten . . . Geändert hat sich nichts. Und auch der zuständige Denkmalbeauftragte der Stadt, Karl Stabenow, muss passen: „Mit den Nummern geht da tatsächlich einiges durcheinander. Das mit der Nummer 16 ist uns nie aufgefallen.“ Dass ein Käufer des später in städtischen Besitz gewechselten Grundstücks sich vor „Touristen“ schützen wollte _– auch ehemalige Heimbewohner tauchen dort gelegentlich auf, um ihre dunkle Vergangenheit in dem Haus besser bewältigen zu können – kann sich der Denkmalbeauftragte nicht vorstellen: „Da hat sich eher jemand einen Scherz erlaubt.“
Das Gut an der Linde am Diakonissenweg, zweigeschossiges Fachwerk mit Satteldach auf L-förmigem Grundriss, wurde am 31. Mai 2007 komplett per einstimmigem Beschluss des Planungsausschusses in die Denkmalliste eingetragen. Gleichzeitig wurde eine Planskizze vorgestellt für eine spätere „lockere repräsentative Bebauung mit nötigem Abstand zum Fachwerk“.
Bei dem, vom Diakonissenweg aus gesehen, rechten Teil des Gutes handelte es sich um einen späteren Anbau. Dafür gab es nunmehr am 23. Januar 2013 eine Abbruchgenehmigung (Nummer 63-4100-B2-2012-1922). Nach den Worten von Karl Stabenow wurde der „neue Teil“ des unter Schutz stehenden Gebäudes im Einvernehmen mit dem Amt für Denkmalpflege beim Landschaftsverband zum Abriss freigegeben. Der jetzt noch stehende Altbau soll saniert werden: In ihm sollen zwei Wohnungen entstehen, so Architekt Eduard Kniffler (Herkenrath). Problem bei der Sanierung: Viele Eichenholzbalken müssen ersetzt werden. Im Abstand von etwa sieben Metern zum Fachwerk werden von zwei Bauherren ein Ein-Familien- und ein Zwei-Familienhaus errichtet, die Gebäude passen sich den bereits fertigen Neubauten in der Gegend an. Fertigstellung: Mitte/Ende 2014.
Auf dem ehemaligen „Ortmannschen Gute“ hatte die Bergische Diakonie Aprath (bei Wuppertal) 1925 ein „Heim für schwererziehbare Töchter besserer Stände“ errichtet. Von den 50ern an diente das Haus als „Knabenheim“. 1957 wohnten hier 40 Jungen in recht bescheidenem Ambiente: „Die Inneneinrichtung (ist) sehr veraltet. In verschiedenen Schlafräumen stehen noch weiß lackierte Holzgestelle, die an Luftschutzbetten erinnern“, berichtete das Kreisjugendamt damals in einem Schreiben an den Landschaftsverband. Auch die Kücheneinrichtung wird als „äußerst primitiv“ und „rückständig“ bezeichnet. 1965 erstand die Stadt Bensberg das Haus, Mitte/Ende der 1970er Jahre wurden das Gut an der Linde und das Kinderheim am Platzer Höhenweg aufgelöst.