Die Vigil des Weltjugendtags 2005 und der Abschlussgottesdienst auf dem Marienfeld bewegt die Menschen noch 20 Jahre später.
Weltjugendtag 2005Leser erinnern sich an das Massenereignis auf dem Marienfeld bei Kerpen

800.000 Menschen feierten am Samstagabend, 20. August 2005, die Vigil des Kölner Weltjugendtags auf dem Marienfeld mit dem neuen Papst Benedikt XVI.
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Vor 20 Jahren schlug das Herz der katholischen Kirche im Rhein-Erft-Kreis. 800.000 Menschen feierten am Samstagabend, 20. August, die Vigil des Kölner Weltjugendtags auf dem Marienfeld mit dem neuen Papst Benedikt XVI. und 1,1 Millionen Menschen den Abschlussgottesdienst am Sonntag, 21. August. Damit befanden sich auf dem früheren Tagebaugelände zwischen Kerpen und Frechen mehr als doppelt so viele Menschen, als der gesamte Rhein-Erft-Kreis Einwohner hat.
Hunderttausende übernachteten unter freiem Himmel. Das Massenereignis stellte die Organisatoren vor eine Mammutaufgabe – und es hinterließ bei den vielen jungen Gläubigen aus der ganzen Welt bleibenden Eindruck, aber auch bei den Menschen vor Ort. Bürgerinnen und Bürger aus dem Rhein-Erft-Kreis boten den Pilgern Obdach oder halfen als Freiwillige bei der gigantischen Abschlussveranstaltung. Leser teilen ihre Erinnerungen an den Weltjugendtag auf dem Marienfeld, für den der frisch gewählte deutsche Papst seine erste Auslandsreise antrat. (dv)
Vom Feldbesitzer zum Papst-Nachbarn
Für den Weltjugendtag hatten wir Flächen auf dem Marienfeld von unserem landwirtschaftlichen Betrieb „An Burg Mödrath“ zur Verfügung gestellt. Zusätzlich stellten wir unsere Hoffläche aus Ermangelung von Alternativen für die Not- und Rettungswege bereit. Aus diesem Grunde erhielten wir drei privilegierte Besucherplätze in Sektor 1. In Sektor 2 hatten wir den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, seinen Vorgänger Helmut Kohl und weitere Persönlichkeiten als direkte „Nachbarn“. In Sektor 1 waren ausschließlich weiß gekleidete Priester aus aller Herren Länder. Nur meine Mutter, mein Freund und ich in schwarzer Kleidung stachen als dunkler Punkt aus der ganzen Menge heraus. Wie es zu dieser Situation kam, ist für mich bis heute nicht nachvollziehbar. Es gibt eine Flutaufnahme, auf der man diese Situation sehen kann. Abschließend möchte ich noch sagen, dass alle notwendigen Auf - und Abbaumaßnahmen erstaunlich gut abliefen. Es war ein besonderes Erlebnis, den Papst, so viele Mitwirkende und Teilnehmer friedlich auf dem Marienfeld zu haben.
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Thomas Bellefontaine, Schloss Loersfeld
Ein Wunder auf dem Papsthügel
Am Anfang waren die Kreuzkröten in Hangelar! Der ehemalige Flughafen war vorgesehen für die Abschlussfeiern des Weltjugendtages. Aber, Lob sei den Naturschützern, sie protestierten mit Erfolg. Bald folgte die Einsicht, dass ausreichend große Freiflächen im Dunstkreis des Kölner Doms nur hier bei uns zu finden waren, wo kurz vorher noch Braunkohle ausgebaggert wurde. Es war Landrat Werner Stump, der für die Felder zwischen Kerpen und Frechen den schönen Namen „Marienfeld“ vorschlug, weil dort früher ein Kloster so hieß.
Als Pastor von Kerpen und Mödrath hatte ich einige Mühe, einen Landwirt zu überzeugen, dass er auch nach dem Ereignis dort wieder säen und ernten könnte, weil der Boden vorher sicher abgedeckt und kein Abfall übrig bleiben konnte.
Unvergesslich ist mir ein Nachmittag im Frühjahr 2005, als junge Vorboten aus mehreren Dutzend Ländern Beutel mit Erde aus ihrer Heimat auf dem Feld zusammenschütteten: die Begründung des Hügels, den der Volksmund später „Papsthügel“ nannte und der so viele verschiedene Farben Erde haben kann – wie Menschen auch!

„Das war der Hit“: der frühere Kreisdechant Gerhard Dane.
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Als am Samstagabend, 20. August 2005, Kardinal Meisner mit unserem neuen Papst den Hügel heraufkam, hörte ich ihn sagen: „E un miracolo!“ Ja, ein Wunder war's auch für mich. Von der Kuppe, unter der „Wolke“, konnte ich in der Abendsonne den Turm der Stiftskirche sehen, unter dem Adolph Kolping 1813 getauft worden war. „Von Kerpen aus in alle Welt“ ging sein Wirken. Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, bei dem ich gut 40 Jahre vorher in Bonn noch studieren durfte, auch als Papst schlicht und einfach wie eh und je, sagte später, was viele empfunden hatten: „Das Stärkste war in dieser Vigil das minutenlange Schweigen der Hunderttausenden bei der Anbetung!“
Unvergesslich ist mir auch das Ende dieses Tages: Gegen Mitternacht, auf dem Weg zu meinem Fahrrad irgendwo am Rand, spricht mich ein junger Mann an: „Sind Sie Priester? Ich möchte beichten, geht das? Wir sind heute aus dem Ruhrgebiet mit den Motorrädern hierhin gefahren, weil hier irgendwas los sein sollte!“ Neben einem Müllcontainer – wie passend! – habe ich ihm und mehreren seiner Freunde ihre sehr persönlichen Beichten abnehmen dürfen.
Schließlich aber war ich ehrlich froh, zu meinem warmen Bett im Pfarrhaus am Stiftsplatz radeln zu können, während die jungen Leute eine frühherbstlich kühle Nacht auf dem Feld verbrachten.
Am Sonntagmorgen aber sangen sie wieder: „Jesus Christ, you are my life!“ Das war der Hit!
Gerhard Dane, Bedburg, damals Kreisdechant
Zwischen Sicherheit, Stars und Menschenmassen
Ich war damals Volunteer im Weltjugendtagsbüro in Köln im Bereich Sicherheit, Protokoll und Akkreditierung. Als RWE-Vorruheständler konnte ich mehrere Monate Vollzeit dort im Ehrenamt als Freiwilliger arbeiten. Ich erinnere mich an die Menschenmassen am Rheinufer: Viele Menschen standen bis zu den Oberschenkeln im Wasser, um dem Papst so nah wie möglich zu sein. Das sind Bilder, die nicht mehr aus dem Kopf gehen. Papst Benedikt legte fast ganz Köln lahm. Am Dom-Hotel wartete der damals gerade 20-jährige Lukas Podolski, neben ihm stand Pelé auf dem Balkon des damals noch geöffneten Dom-Hotels und applaudierte. Pelé holte sich die Akkreditierung im Weltjugendtagsbüro, als ich ihn sah, holte ich mir gleich ein Autogramm.
In der Abteilung Sicherheit hatte ich es mit Winrich Granitzka zu tun. Seine Karriere war mir bekannt als Leitender Polizeidirektor, der bei Geiselnahme, Zugunglück, Entführung oder Doppelgipfel oft schwere Entscheidungen zu treffen hatte. Sorgen bereitete uns vor allem die Wetterlage an dem bevorstehenden Wochenende, wenn 800.000 Besucher auf dem Marienfeld vor Köln unter freiem Himmel mit Papst Benedikt XVI. feiern. Einen Papst hinter Panzerglas gab es nicht, das hatte der Bundesinnenminister wissen lassen, Benedikt XVI. sei kontaktfreudig und offen und ein Attentat auf ihn passe außerdem nicht in das Propagandabild islamistischer Terroristen.
Wenn ein Dauerregen eingesetzt hätte, wäre das Feld natürlich nicht besser geworden. Es war aufgeschüttetes Tagebaugelände, und die Wege waren in der Woche vorher schon ziemlich matschig. Aber laut Wetterbericht sollte es sonnig und trocken bleiben und vor allen Dingen keine Gewitterlage mit Hagel geben. Das wäre für die jungen Menschen auf dem Feld, die in der Nacht dortblieben, ohne Dach über dem Kopf, nicht gut gewesen. 800.000 Regenschirme wären nicht so schnell zu bekommen.
Walter Ley, Hürth
Pilger im Ahle Konsum willkommen
Im Vorfeld war die Begeisterung schon ein wenig zu spüren. Wir, Andreas Weyrauch sowie meine Ehefrau Andrea Drehsen, Pächter des Restaurants zum Ahle Konsum in Kerpen-Balkhausen, hatten uns für den zuvor schon angedeuteten Ansturm der Jugend vorbereitet. Getränke und Speisen wurden gelagert. Pilger aus vielen Ländern, von jung bis alt, vielsprachig, voller Lebensfreude, Begeisterung und Herzlichkeit machten in Restaurant, Gastgarten sowie auf dem Matthias-Werner-Platz Station.
Einen wunderbaren Zulauf erlebten auch die Sanitäranlagen, wobei Pilger sich auch in der Personaldusche erfrischen durften. Diese Lebensfreude und Zusammenhalt mit Begeisterung wird für uns UNVERGESSEN bleiben. Auch noch Jahre später kamen zig Marienfeld-Teilnehmer in den Ahle Konsum in Balkhausen.
Andreas Weyrauch, Gastwirt, Kerpen
Drei Brasilianer fanden ihr Zuhause auf Zeit
„Wer kann noch Mitglieder einer brasilianischen Weltjugendtags-Besuchergruppe bei sich zu Hause aufnehmen?“ Als dieser Aufruf auch hier in Heilig Kreuz Ichendorf uns zu Ohren kam, haben wir nicht lange gezögert und gerne drei junge Männer aus Brasilien am Sammelpunkt abgeholt und zu uns nach Hause gebracht.

„Gemeinsam unvergessene, schöne Stunden verbracht“: Gäste aus Brasilien bei Familie Zewe in Quadrath-Ichendorf.
Copyright: Familie Zewe
Auch unsere Söhne Philipp und Niklas waren gespannt auf diesen Besuch aus einem Land, welches wir bisher nur über unsere gemeinsame Begeisterung für Fußball kannten. Schnell waren die passenden Trikots zum Empfang der drei Gäste angezogen, und zur besseren Verständigung in deren Landessprache baten wir Philipps Kindergartenfreund Bruno und seine aus Portugal stammende Mutter, ebenfalls unsere Gäste zu sein. Somit verstanden wir uns alle mit Händen und Füßen, Englisch, Portugiesisch und nicht zuletzt mit Strahlen und Lächeln in Augen und Gesichtern. Wir haben gemeinsam unvergessene, schöne Stunden verbracht im Zeichen unseres gemeinsamen Glaubens, in der Liebe zum Fußball und im Zeichen der Gastfreundschaft.
Neben schönen Fotos erinnern uns noch heute drei brasilianische Fahnen an unsere Gäste, mit denen sie auf dem Marienfeld ihren Glauben gefeiert hatten und die sie uns aus Dankbarkeit für diese „Hopplahopp-Unterkunft“ geschenkt haben. Einen Ehrenplatz haben diese bis heute an unserer hauseigenen Weltkarte.
Rosemarie Zewe, Bergheim-Quadrath-Ichendorf