„Das Leben ist wie eine Welle“Autorin Kerstin Foell über fünf Jahre auf einer Yacht

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Lebensraum für fünf Jahre: Das Ehepaar Kerstin Foell und Robert Stolle segelte auf dieser Yacht über die Meere.

Lebensraum für fünf Jahre: Das Ehepaar Kerstin Foell und Robert Stolle segelte auf dieser Yacht über die Meere.

  • Kerstin Foell hat lange auf engstem Raum gelebt, sie segelte mit ihrem Mann Robert Stolle fünf Jahre übers Meer.
  • Aus Krisenzeiten können Menschen gestärkt hervorgehen, diese Erfahrungen, ergänzt um Erkenntnisse aus der Glücks-Psychologie, hat das Paar in einem Buch verarbeitet.
  • Wir sprachen mit der 49-Jährigen, die aus Neunkirchen-Seelscheid stammt und in Siegburg Abitur gemacht hat, über Stürme und Flauten, Geld und Erfolg und das hässlichste Auto der Welt.

Rhein-Sieg – Das Virus hält uns im Haus, vielen fällt die Decke auf den Kopf. Kerstin Foell hat lange auf engstem Raum gelebt, sie segelte mit ihrem Mann Robert Stolle fünf Jahre übers Meer. Aus Krisenzeiten können Menschen gestärkt hervorgehen, diese Erfahrungen, ergänzt um Erkenntnisse aus der Glücks-Psychologie, hat das Paar in einem Buch verarbeitet. Cordula Orphal sprach mit der 49-Jährigen.

Aussteigen, den Trott hinter sich lassen, in See stechen und ankern, wo man möchte – welche Freiheit, welch ein Traum!

Ja, wir hatten uns alles so schön vorgestellt und uns sogar auf Langeweile gefreut. Zeit zum Bücher lesen, Zeit zum Sprachen lernen. Doch es war nicht nur die Traumzeit, die ich mir ausgemalt hatte. Unser Schiff, die Trinity, hat uns ganz schön beschäftigt. Ich bin eigentlich ein Typ, der plant und kontrollieren möchte, und musste lernen, Dinge zu akzeptieren. Das Leben ist halt ein Auf und Ab, wie eine Welle.

Auch bei einem harmonischen Paar gibt's mal dicke Luft. Wie kann man sich auf einer Yacht, 15 Meter lang und keine fünf Meter breit, aus dem Wege gehen?

Einfach mal raus mit 'ner Freundin Kaffee trinken geht ja nicht. Also sucht man sich ein stilles Eckchen, schweigt besser und lässt die Emotionen abebben.

Auf ihrem Schiff, der Trinity, mussten die Eheleute sich eng abstimmen.

Auf ihrem Schiff, der Trinity, mussten die Eheleute sich eng abstimmen.

Das muss man üben. Dann sollte man aber alles ansprechen, was da schwelt, damit kein Flächenbrand entsteht.

Wo sind Sie an Ihre Grenzen gekommen?

Mein Mann und ich, wir sind ja beide Alpha-Tiere. Und auf dem Boot können wir jeder auch alles. Im Notfall, wenn es schnell gehen muss, wenn es darum geht, das Schiff sicher in den Hafen zu bringen, da kann aber nur einer den Ton angeben. Sich da zurückzuhalten, auch wenn man die eigene Idee viel besser findet, ist schon schwierig.

Sie kannten sich ja schon Jahrzehnte, haben Sie neue Seiten an Ihrem Mann entdeckt?

Ja, seine Beharrlichkeit. Wenn ich aufgebe, bleibt er dran. Das finde ich toll. Ich habe aber auch Neues an mir entdeckt: Um klar zu kommen auf so wenigen Quadratmetern, ist es wichtig, Empathie zu entwickeln, die Körpersprache des anderen lesen zu lernen; das war früher nicht meine starke Seite. Auch neigen wir alle zu Verzerrungen: Der eigene Beitrag zur Hausarbeit erscheint größer als der des anderen. Das aber ist oft nur ein Gefühl. Der andere übernimmt halt andere Dinge. Das muss man sich klar machen.

War es schwierig nach Ihrer Rückkehr, dort anzuknüpfen, wo Sie fünf Jahre zuvor aufgehört hatten?

Wir wollten nach dem Verkauf des Bootes nicht wieder direkt nach Deutschland zurück, haben auf einer Mittelmeerinsel an unserem Buch gearbeitet, dafür auch Online-Studien betrieben auf den Feldern Positive Psychologie, Glücksforschung, Resilienz. Es sollte mehr werden als ein Reisebericht.

Auch durch die Karibik ging es mit der Trinity.

Auch durch die Karibik ging es mit der Trinity.

In unsere alten Jobs wollten wir nicht zurück, auch nicht nach Berlin, wir haben uns für Hamburg entschieden, für ein reduzierteres Leben, für das Wesentliche.

Also aus der 200-Quadratmeter-Villa in die 70-Quadratmeter-Mietwohnung?

(Sie lacht) Nicht ganz. Wir hatten einst 120 Quadratmeter und wohnen jetzt in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung. Und sind dankbar für vieles, zum Beispiel unser Gesundheits- und Sozialsystem. Auf einer kleinen Karibikinsel haben wir erlebt, was es heißt, noch nicht mal fließend Wasser und Strom zu haben. Dicke Autos, ständig neue schicke Kleidung, Marken, all das wollen wir nicht mehr.

Zur Person

Dr. Kerstin Foell, 49, ist in Neunkirchen-Seelscheid aufgewachsen und hat 1990 am Siegburger Anno-Gymnasium ihr Abitur abgelegt. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre in Köln und ging dann nach Berlin, der Liebe wegen.

Sie machte Karriere in der Marketingbranche; ihr Mann Robert Stolle, 56, leitete eine Werbeagentur. Er erkrankte schwer – Anlass für eine lange Auszeit und nach ihrem fünfjährigen Segeltörn für einen kompletten beruflichen Neubeginn.

Das Paar zog nach Hamburg und machte sich als Coaches selbstständig. Ende 2019 erschien „Pur. Das Leben ist eine Reise, kein Ziel“. Die Lesereise, die sie auch ins Rheinland geführt hätte, mussten sie coronabedingt unterbrechen. (coh)

Wir fahren jetzt zum Beispiel einen verbeulten Opel Agila, Baujahr 2004, mit dem wir sogar nach Deutschland umgezogen sind. Sehr praktisch, mein Mann sagt, es sei das hässlichste Auto, das er je besessen habe. Unsere berufliche Mission ist nicht mehr der Verkauf von Luxus. Wir wollen Menschen inspirieren, das Steuer ihres Lebens selbst in die Hand zu nehmen.

Das können Sie als frühere Führungskraft vielleicht leichter verwirklichen als die Kellnerin aus der Eckkneipe?

Innezuhalten und darüber nachzudenken, was mich unzufrieden macht, dafür braucht es weder viel Geld, noch äußeren Erfolg und Status. Die Krise wirkt wie eine Kraft von außen, die etwas in Bewegung setzt, das sehen wir doch an den vielen kreativen Ideen, die derzeit aufploppen. Morgen kann es vorbei sein mit meinem Leben, das wird uns jetzt viel bewusster.

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