Lohmar – Mit 14 Jahren wechselte Anna Klink vom Wahlscheider SV in die Mädchenmannschaft von Bayer Leverkusen. Heute ist sie 20, Nachwuchs-Weltmeisterin und Torhüterin in der Frauen-Bundesliga.
Nervös ist Anna Klink bereits Tage vor dem Anpfiff. „Ich bin angespannt“, sagt die 20-Jährige. Sie denkt darüber nach, dass jeder Fehler entscheidend sein kann, für sie selbst und für die ganze Mannschaft. Völlig ruhig ist sie erst, wenn der Ball rollt. Dann ist sie voll konzentriert. Das muss sie auch sein, denn seit mehr als drei Jahren ist Anna Klink Torhüterin in der Frauen-Bundesligamannschaft von Bayer Leverkusen.
Fußball bestimmt Anna Klinks Leben. Sie konnte gerade mal laufen, da kickte sie bereits mit ihrem zwei Jahre älteren Bruder Max und seinen Freunden im Garten. Die Jungs stellten die kleine Anna ins Tor. „Mein Bruder war immer mein Vorbild“, sagt Klink. Für ihn zog sie gerne die Torwarthandschuhe an. Auch, wenn Tore schießen natürlich schöner gewesen sei.
Dass seine Tochter Talent hat, merkte ihr Vater – Trainer des Wahlscheider SV – früh. Er meldete Anna im Verein an. Dort spielte auch schon Bruder Max. „Am liebsten hätte ich mit ihm in einer Mannschaft gespielt“, erinnert sie sich. Doch ihr Bruder war zu alt – und die Mädchen waren ihr nicht gut genug.
Start als Stürmerin
Also spielte Anna in der Jungen-Mannschaft ihres Jahrgangs: erst im Sturm, dann im Mittelfeld und schließlich als Libero. Die Gegner wunderten sich über das Mädchen mit der Kapitänsbinde. „Vor den Spielen haben die Jungs sich kaputt gelacht“, sagt sie. Dann hätten sie gestaunt. Spätestens, als sie am ersten vorbei gelaufen sei. Im Tor stand Anna Klink damals selten. Nur wenn sie bei den Mädchen aushalf – und in der Verbandsauswahl. Dort entdeckte sie dann auch Bayer Leverkusen. Mit 14 Jahren wechselte Klink zur Bayer-Jugend: von der Jungen-Mannschaft zu den C-Mädchen, vom Feld ins Tor. Dass sie zuvor jahrelang gegen Jungs gespielt hat, habe ihr geholfen: „Ich habe gelernt, mir Respekt zu verschaffen.“
Bereits mit 16 Jahren kam Klink beim Hamburger SV zu ihrem ersten Bundesligaspiel. Für die Fahrt an die Elbe hatte sie ohne Zögern ein Nachwuchs-Turnier abgesagt, obwohl gar nicht feststand, ob sie in Hamburg überhaupt eingesetzt würde. Erst kurz vor dem Anpfiff rief der Trainer sie zu sich. „Als er sagte, dass ich spiele“, erzählt Anna Klink, „dachte ich nur: »Upps!«.“
Nach dem Wechsel nach Leverkusen analysierte Klink regelmäßig das Spiel bekannter Torwarte, vor allem Manuel Neuer hat es ihr angetan. Um ihm nachzueifern, stand Klink mehrmals in der Woche auf dem Leverkusener Platz. Ihre Eltern fuhren sie im ersten Jahr die rund 44 Kilometer.
Mit 17 Jahren in die erste WG
Dem Vereins- folgte schließlich der Schulwechsel. Auf dem Gymnasium in Overath war Klink nicht mehr hinterhergekommen, verpasste zu oft Stunden, weil sie zum Training oder auf Lehrgänge musste. Ein Leverkusener Gymnasium bot ihr die für die Fußballkarriere benötigte Freiheit. Den durch Training oder Trainingsreisen verpassten Stoff konnte sie später am Sportinternat von Bayer aufarbeiten. Zwei Jahre lang stieg sie dafür morgens um sieben Uhr am Bahnhof Honrath in den Zug, dann Mittagessen im Internat, frühestens um neun Uhr abends wieder zuhause – kaputt vom Training und müde vom Tag.
Mit 17 zog Klink dann schließlich in eine Leverkusener WG. Kontakt zu ihren alten Freundinnen habe sie auch heute noch, sagt sie. „Sie verstehen, wenn ich wegen Spielen auch mal ein Treffen absage.“ Und auch Vater Klink fährt noch immer zu seiner Anna, wenn sie nach einem Spiel frustriert in Leverkusen sitzt. Nach ihrem Abitur 2013 begann Klink bei Bayer eine Ausbildung zur Bürokauffrau. „Es ist wichtig, auch neben dem Fußball eine Perspektive zu haben“, sagt sie. Um mehrere Perspektiven zu haben, studiert Klink an einer Fernhochschule Ernährungswissenschaften. Das Thema beschäftigt die junge Torhüterin.
Vielleicht, weil ihr zu Beginn ihrer U18-Karriere die Trainerin mit dem Rauswurf drohte. Klink müsse abnehmen, hieß es damals. Mit Hilfe eines Ernährungsplans kämpfte sie sich zurück – erst ins U 19-,dann ins U 20-Team. Mit dem gewann sie im Sommer 2014 die Weltmeisterschaft. Das war ihr bislang größter Erfolg. Viele Wahlscheider gratulierten ihr damals per Handy-Nachricht.
Wie lange sie so intensiv spielen wird, weiß Anna Klink nicht. Doch sie kennt ihr Ziel: Stammtorhüterin in der Bundesliga möchte sie werden. An freien Wochenenden fährt sie trotzdem immer noch gerne nach Wahlscheid und schaut Bruder Max und seiner Mannschaft beim Fußballspielen zu.